Was habe ich nicht alles für Reaktionen auf den ersten Artikel zum Thema bekommen. Kurzer Rückblick: Nachdem ich kurz nach meiner Ankunft in der Hauptstadt den verrückten "Schwabenhass" kennenlernte, reagierte ich auf gängige Berliner Vorurteile über Menschen aus dem Schwabenland – in Mundart. Das schmeckte nicht allen. Vor allem nicht denen, die es nicht verstehen konnten. Resultat: mehr Hass. Hihi.

Ein Leser kommentierte etwa, erst durch solche Artikel würde ein Keil zwischen die Völker getrieben und die Feindschaft noch mehr angeheizt!!11!! Für Völkerverständigung würde ich dadurch jedenfalls nicht sorgen. Ich sei am Ziel vorbeigeschossen und hätte mich "quasi verbal selbst versenkt", schrieb ein anderer Leser per Mail. Eine weitere Leserin und ich sehen das ein bisschen anders: Diesem Herkunftsblödsinn, der in dieser sonst so tollen Stadt teilweise herrscht, kann man ja nur noch mit Humor begegnen.

Deshalb gehe ich jetzt, nach einem halben Jahr in der Hauptstadt, in Runde zwei und zähle die Gemeinsamkeiten zwischen Schwaben*Schwäbinnen und Berliner*innen auf. Em Herza sen se nämlich älle gleich ("im Herzen sind sie alle gleich"). Diesmal bin ich aber gnädig: Für Menschen aus Berlin übersetze ich, anders als beim ersten Mal, jeweils akkurat auf Hochdeutsch.

1. Boide fahrad gleich schlecht Audo

I moi, ma said sich en Heidaheim ja gera, dass dui Olaner ed Audofahra kennad – ond omkehrt. Abr ehrlich: Mir kommts so vor, als wär dr Göbbl überall en dem Land gleich schlecht bsetzd. Egal wo, rücksichtslos sen se, hupad wie Gschdörde wenn ihne mol ebbes ed neilauft. Nau machad se a beleidigds Rolle und guggad bled. Aggressive Grasdaggl sen des – ond zwar en dr Haupstadt wie au em Dorf. Bei os Schwoba lassad se d'Kupplung en dr Kurv auf dr Landstroß fatza, en Berlin halt mittlaschd en dr Stadt.

Für Berliner*innen: In beiden Gegenden gibt es miserable Autofahrer.

2. Boide verstandad dr oigne Dialegd nemme

Deledschd war e mal wiedr en dr Hoimad. Beim Veschbra hat a Bekanndr a schwäbischs Wort verwended, des e no nie gherd han. Desch a guads Beispiel: S'isch scho schwer mittlerweile, dr oigne Dialekt ed zom verliera. Abr en dr Hoimad ond dahanna en dr Hauptstadt fällt mer emmr mehr auf, wie älles verschwemmd ond älle Hochdeitsch schwätzad – zumindeschd versuchad ses. Ob nämlich dr Schwob odr dr Urberlinr ofängd – grausig hert sichs ed bloß bei os a, sondern bei boide. S'muaß sich no viel ändra, wenn's so bleiba soll, wia's isch.

Für Berliner*innen: In beiden Gegenden verliert der Dialekt so langsam an Relevanz.

3. Boide veschbrad ds gleiche

Da muaß ma d'Faive grad sei lau: Au en Sacha Esskultur unterscheided sich des Älles au nemme so arg, wie ma denga könnt. Blick auf d'Gaschdronomie: Bei os im Ländle gat ma genauso oft zom Idaliener, en dr Dönerlada odr zom Asiada, wie ens guade alde deitsche Gaschdhaus. Ond en Berlin? Isch des ed andersch. A Viertale schlotzad se überall gera. Wenns oms Essa gad, sen se älle multikulti, deitsch, türkisch, egal wo se herkommad. Recht ischs: A guada Sau frissd hald älles.

Für Berliner*innen: In beiden Gegenden wird heute etwa das Gleiche gegessen.

4. Boide sen se richtige Dorfmenscha

Wenn dr Berlinr mal ganz ehrlich zu sich isch, nau muaß au der saga, dass'r eigentlich ja em Dorf wohnt. Die moischde Menscha verlassad dr oigne Kiez bloß zum schaffa oder furtganga. Essa, Kneipe, Sport – des bassiert älles en wenige hundert Meder omd Bude rom. Desch' em Schwobaländle ned andersch. Die Leud hänts halt gera, wenn se sich koin abbrecha missad. Wer will scho ausm oigna Kaff raus? En Deddinga zum Beispiel gangad se au bloß oimal em Jahr nach Heldafinga – ond zwar, wenn Bretzgamarkt isch. Abr dau missad se sich au en dr ach so behèma Großstadt nix drauf eibilda. Schwoba, Berlinr – boide lebad dr gleiche Spirit, dr Dorfspirit: Wenn e woiß, was om me rom bassiert, na woiß e gnuag.

Für Berliner*innen: In beiden Gegenden schätzt man sein Wohnumfeld und verlässt es recht selten.

5. Boide lachad erschd, wenns witzig isch

Ob jetzt durch Kreuzberg laufsch odr durch Broidinga, mit am Humor isch des so a Sach. Bis a Schwob odr a Berlinr mol lachd, brauchds echt ebbes arg Witzigs. D'Grundeistellung zum Lacha isch bei boide staubig, ma ked moina, die Leut machads hald ed gera. Abr wenn dr richtige Nerv troffa isch, platzt au dr beschde Knoda – und wenn se amole lachad, na lachad se moischdens dräggig. Schwobawitz gibts übrigens genau so viele wie Berlinerwitz. Gsond ischs. Des schwäbische Sprichwörtle gilt jedenfalls für boide: Wer lachd, lebt längr, abr wer längr lebt, hat nix zum lacha.

Für Berliner*innen: In beiden Gegenden wird über das Gleiche gelacht, aber insgesamt nicht besonders viel.

6. Boide sen se gleich wiaschd – ond herzlich

Egal, wo de versuchsch, gmiadlich en de öffentliche Verkehrsmiddl zum fahra, versagsch: Überall en dem Land dengad die Leud, sie wärad alloi auf dr Welt. Druggad sich wild dure, als wärad die andre a aldr Hefedoig. Wenn dene nau plötzlich auffälld, dass je jetzd ja naus soddad, kos ed schnell gnuag ganga: Schiebad älle andre wiaschd zur Seite. Abr freile stimmt au: Ofangs sen die Menscha – em Schwobaländle ond en Berlin – emmr recht sperrig ondrwegs, a weng kühl ond lassa d'Schell hänga. Isch mr abr erschd a bissle warm mitanandr worra, sen se herzlich ond lächlad au mol. En Berlin wie em Ländle: Erschd hen se a Gosch voll Reißnägl, dann oina wie a Schwert.

Für Berliner*innen: In beiden Gegenden sind Menschen zunächst reserviert, dann entgegenkommend.
tl;tr: A Gscheidr ko au vomma Domma lerna, abr a Dommer ed vomma Gscheida.

Ihr Schwaben in Berlin, gibt es Gemeinsamkeiten, die ich übersehen habe? Habt ihr Anregungen und Verbesserung zu meiner Mundart-Schreibe? Meldet euch unter till.eckert@ze.tt bei mir. Und an alle Berliner*innen: Bussi <3