Einen nahestehenden Menschen zu verlieren, ist ein schlimmes Gefühl: Auf einmal ist diese Person, die man so schätzt, nicht mehr da, wird auch niemals wiederkommen. Das erlebten auch Chiara Dollak und ihre Familie: Ihr Vater starb vergangenen April an einer unheilbaren Krankheit, nachdem er über zwei Jahre lang im Wachkoma lag. Auf seinen Tod folgte eine Leere, die sich über das Leben von Chiara und ihrer Familie legte. Doch Chiara wollte sich dieser Leere nicht hingeben. Also beschloss die 25-jährige Fotografin, ihrer Trauer ein Bild zu geben und entwickelte die Idee zu ihrem sehr persönlichen Fotoprojekt mit dem Titel Hallo Papa, bist du da?.

Darin stellt sie alte Familienfotos nach, nur dieses Mal ohne ihren Vater. Die Ergebnisse setzt sie dann den ursprünglichen Fotos gegenüber und auf den ersten Blick wird deutlich: Hier fehlt jemand. Und auch die Gesichter sind nicht mehr so fröhlich, so unbedarft und lebensfroh wie noch im Originalfoto. "Ich wollte der Leere, die sich über unser Leben legt, ein Bild geben", erklärt Chiara. "Die Nutzlosigkeit von Gegenständen und den Schatten, der still und leise umherzieht und den Schmerz verursacht, veranschaulichen."

Er fehlt überall

Denn ihr Vater fehlt ihr: "Nicht nur bei großen Ereignissen, sondern im alltäglichen Leben", verrät sie. Deshalb entschied sich Chiara, die körperliche Anwesenheit ihres Vaters in der Gegenüberstellung zu verdeutlichen. Dafür habe sie Tage und Nächte lang alte Familienbilder durchgeguckt. Doch für die Umsetzung ihrer Idee musste natürlich auch ihre Familie mitziehen, die auf einigen der Bilder zu sehen ist: "Meine Familie hat mich und meine Kunst schon immer bedingungslos unterstützt, so natürlich auch bei meinem Herzensprojekt. Ihnen war von Anfang an klar, wie bedeutsam es mir ist und, dass es nur durch ihre Mithilfe zu dem Projekt wird, das es sein soll."

Als Chiara dann zum ersten Mal das Ergebnis ihrer Arbeit sah, überwogen die Freude und die Erleichterung, erklärt sie: "Denn das, was ich ausdrücken wollte, hat funktioniert. Das ist ein tolles Gefühl. Kein Wort der Welt kann das besser", sagt sie. "Ich habe mich in den letzten zwei Jahren oft gefangen gefühlt, hiermit habe ich mein ganz eigenes Ventil gefunden. Außerdem habe ich meinem Papa mit diesem Projekt ein würdiges Andenken schaffen können – die ganze Welt soll wissen, was für ein toller Mensch er war, der uns nun überall fehlt."

Ich habe gelernt, mich vor nichts zu verstecken.

Chiara ist der Meinung, dass der Tod und die Trauerbewältigung in der Gesellschaft sehr im Verborgenen stattfinden. Sie fragt sich: "Warum redet man nicht offener darüber? Ich habe gelernt, mich vor nichts zu verstecken. Natürlich möchten viele Menschen mit ihrer Trauer lieber alleine sein. Allerdings zeigt mir meine Erfahrung, dass es dennoch helfen kann, sich zu öffnen und mit Menschen zu sprechen, die genau wissen, was man fühlt. Denn meiner Meinung nach gehört der Tod zum Leben dazu und, wenn man mehr darüber sprechen würde, wäre er vielleicht nicht so gefürchtet."

"Mein Wunsch an die Menschen, die sich mein Projekt anschauen, ist, dass sie sich Gedanken über die Vergänglichkeit machen. Unsere heutige Gesellschaft legt viel zu viel Wert auf Materielles. Jeder ist sich selbst der Nächste und alles muss immer besser, größer, schneller und teurer sein."

Nichts ist selbstverständlich und Zeit ist vergänglich.

Chiara fragt sich, warum Menschen so schnell vergessen, was im Leben wirklich zählt. Sie plädiert: "Für mehr Liebe, mehr Gesundheit und mehr Zusammenhalt. Ich wünsche mir, dass jeder, der sich meine Bilder anschaut, seinen Liebsten sagt, wie froh er ist, dass es sie gibt. Man weiß nie, wann es zu spät dafür ist, und irgendwann wird es das sein. Wisst zu schätzen, was ihr habt. Nichts ist selbstverständlich und Zeit ist vergänglich."

Weitere Arbeiten von Chiara findet ihr auf ihrer Webseite und ihrem Instagram-Account.

In unserer Reihe Mit dem Tod leben haben wir Menschen portraitiert, die ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben.