Happy Halloween, Helau, Aalaaf, ABIos Amigos, Verkleidungsparty in der WG der Nachbar*innen. Viele Menschen verkleiden sich gerne. Manchmal tanzt und feiert es sich beschwingter, wenn man kurzum in eine andere Haut schlüpft. Karneval ist ein uralter Brauch und wird vor allem in Süd- und Westdeutschland intensiv zelebriert und allmählich scheint auch die Halloween-Welle über den Atlantik geschwappt zu sein. So weit, so gut. Wir schreiben Ende Oktober und das Fest zum Gruseln und Fürchten, Verkleiden und Feiern steht vor der Tür. Süßes, sonst gibt's Saures. Ist das Kostüm bereits gewählt? Die Mokassins geschrubbt und das selbst gebastelte Warbonnet mit Federn bestückt? Das tut mir leid, Pocahontas, ich befürchte, du musst nun in den sauren Apfel beißen. Manche Kostüme sind keine Kostüme.

An alle Jecken da draußen, niemand will euch den Spaß verderben, wirklich nicht. Langsam ist es allerdings an der Zeit einzusehen, dass das, was für viele zum Brauch gehört und als Spaß verstanden wird, anderen zu nahe treten kann und kulturelle Aneignung und Rassismus ist.

Die Rede ist von ethnifizierenden Kostümen. Beginnend bei Pocahontas, der Lieblingsprinzessin unserer Kindheit, den chinesischen Reissammler*innen, den sogenannten Ureinwohner*innen oder dem*r freundlichen Inuit. Die Aufzüge so vielfältig wie die tatsächlichen Kulturen, an die sie angelehnt sind. Aber sie sind nicht in Ordnung und sie waren es auch nie.

Egal wie gut du es gemeint hast, wenn du das, was du als Stammeskleidung siehst, als Kostüm trägst, machst du mehr, als ein Kostüm zu tragen. Du stellst altehrwürdige Traditionen und Bräuche sowie religiöse Kulte unterdrückter, rassistisch verfolgter und teilweise durch den Kolonialismus ausgerotteter Kulturen aus Spaß zur Schau.

Verfolgt, versklavt, getötet

Reflektiert man, dass indigene Völker auf der ganzen Welt von weißen Menschen im Zuge von Landesübernahme oder Kolonialisierung ausgelöscht und versklavt wurden, erscheint jede als solche anmutende indigene Kleidung als der Gipfel der Unmöglichkeit. Indianer*innen, wie wir sie heute verstehen, gibt es nicht und hat es noch nie gegeben. Es handelt sich hier um eine Fremdbezeichnung. Einen Begriff, den weiße Kolonialist*innen fälschlicherweise wählten, für die Menschen, die den Kontinent bevölkerten, den sie als Indien vermuteten. Ein Begriff für die Menschen, die sie danach verdrängten, töteten, versklavten und bis heute in ihrem kulturellen Habitus unterdrücken und rassistisch verfolgen.

Ethnifizierte Kostüme, in Onlineshops oft Afrikaner oder auch Ureinwohner genannt, meist zu finden unter der Kategorie Folklore, reproduzieren immer das unkultivierte Bild von sogenannten Buschbewohner*innen, Menschen mit Baströcken und Speeren, primitiven Gebaren und beinhaltet manchmal sogar Blackface.

People of Color können Rassismus nicht ablegen wie weiße Menschen eine Afroperücke.

Sie verkörpern westliche Stereotype von vermeintlich exotischen oder fremden Kulturen und beruhen auf pauschalisierenden Vereinfachungen. Menschen ignorieren hierbei, dass die Geschichte dieser problematischen Verkleidungen mit kolonialem Raub und Plünderungen verknüpft ist. Eng verbunden steht sie mit dem Rassismus, den People of Color weltweit nicht ablegen können wie weiße Menschen eine Afroperücke.

Sie ignorieren die Relevanz und den Wert von Traditionen und indigener Geschichte. Ohne den Kontext zu kennen oder gar zu hinterfragen, reproduzieren wir also eine vermeintlich erschlossene Fremde mit der Absicht, amüsant und spaßig auf den Straßen zu feiern, sei es nun an Halloween oder Karneval.

Was rechtfertigt die Entwertung anderer Kulturen?

Vor allem die fünfte Jahreszeit ist ein hochsensibles Thema, schließlich handelt es sich um die Grundpfeiler deutscher Kultur. Aber was rechtfertigt die Entwertung anderer Kulturgüter ,während man sie beschwipst durch die Innenstadtstraßen spazieren führt? Richtig, nichts!

An dieser Stelle geht es vielen zu weit. Weil sie sich nichts verbieten lassen wollen, weil es immer so okay war, wie es war. Weil es irgendwann reicht mit der sogenannten politischen Korrektheit. Weil man ja nicht überall Rassismus haben kann und sich alles mal wieder entspannen muss.

In solchen Momenten hilft es, zu bedenken, inwieweit man sich tatsächlich einschränkt, wenn man auf problematische Kostümierung verzichtet. Richtig, auch hier ist die Antwort: gar nicht! Nicht im Ansatz so sehr wie die Menschen, die aufgrund ihres Aussehens sowie ihrer Kultur marginalisiert und diskriminiert werden.

Her mit einer zeitgemäßen Kostümierung

Ist Rassismus, seine Ursprünge im Kolonialismus und alles was dazugehört einmal verstanden, ist die Welt ein düstererer Ort und das schmerzt. Und es nervt. Die grauen Zellen müssen jetzt intensiver arbeiten als vorher, denn Dinge, die zuvor in Ordnung schienen, funktionieren so nicht mehr.

Die Welt, in der wir leben, bedeutet eben nicht für alle heile, heile Segen. Es ist aber nur halb so schlimm. Weil es ganz einfach ist, denen zuzuhören, die von Rassismus und Diskriminierung berichten. Und noch einfacher ist es, sich für ein anderes Kostüm zu entscheiden, oder dafür, im Karnevalsverein, auf der Halloween-Party oder während der Mottowoche nach links und rechts zu blicken und andere darauf aufmerksam zu machen, die auf die Kostümierung als Scheich, Gaucho oder ein Blackface nicht verzichten wollten.

Her mit einer zeitgemäßen Kostümierung! Einer, die keinen verletzen könnte. Ein Donut zum Beispiel. Oder eine Zimmerpflanze. Oder eine Sardine. Und vieles mehr. Und am Ende, da regt sich im besten Falle niemand mehr auf. Weil eben alle gemeinsam feiern können und auch das liebste Hobby der Deutschen niemanden mehr ausschließt.