An einem Dienstagnachmittag ging ich einkaufen. Nach zehn Minuten verließ ich den Laden wieder, mit Mineralwasser, einem Kilo Äpfel und Aufstrich. Aber ohne mein Handy. Das merkte ich zweihundert Meter weiter, vor meiner Wohnung, beim Griff in die Jackentasche. "Mist, das Handy ist weg!", schoss es mir durch den Kopf. Als Meisterin im Dinge verlegen kommt dieser Schockmoment mehrmals am Tag. Meistens finde ich meine sieben Sachen schnell wieder. An diesem Dienstag blieb das Handy verschollen.

In Deutschland werden jährlich fast eine Viertel Million Handys als gestohlen gemeldet, die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. Als ich Bekannten von meiner unfreiwilligen Smartphone-Pause erzählte, konnte fast jede*r eine eigene Geschichte beisteuern. Wie viele von ihnen, fühlte ich mich ohne mein Handy unvollständig. Wir schauen im Schnitt fast alle 10 Minuten auf unser Handy, über 80 Mal am Tag. In den nächsten Tagen griff ich verdammt oft an meine rechte Hosentasche. Gerne hätte ich weinende Selfies an meine Freund*innen geschickt. Ich hatte das Gefühl, jemand hätte einen sehr privaten Teil von mir gestohlen. Seit meiner Grundschulzeit hatte ich keine längere Zeit mehr ohne Mobiltelefon verbracht.

Ich wäre gerne sofort zu einem Elektronikladen gerannt, um die schmerzende Lücke so schnell wie möglich zu füllen. Doch als ich auf den Antrag einer neuen Sim-Karte die freundliche E-Mail erhielt, das könne "einige Tage in Anspruch nehmen", entschied ich mich, erst einmal ohne Handy klar zu kommen. Mein Ehrgeiz war geweckt, der Handysucht zu widerstehen und auf Entzug zu gehen. Entgegen meiner ersten Befürchtungen, stellte sich mein Alltag ohne ständigen Begleiter nicht so schwierig wie gedacht heraus. Ich bin zwar nicht zur Anti-Smartphone-Fraktion übergetreten, habe jedoch einige Dinge gelernt.

1. Verlässlichkeit

Vor ein paar Wochen wollte ich mich mit einem Freund verabreden. Wir hatten 15 Uhr ausgemacht, getroffen haben wir uns schließlich über zwei Stunden später. Dazwischen lagen gefühlt 100 Whats-App Nachrichten, in denen abwechselnd er oder ich ankündigte, uns zu verspäten, dass eine andere Bar doch cooler sei oder dass man dringend etwas essen müsse. Seit ich unterwegs nicht mehr erreichbar bin, muss ich mich vorausschauend verabreden und alle müssen die ausgemachte Zeit und den Ort einhalten, sonst steht eine*r dumm da.

Auch bei meiner Arbeit rufe ich gerne abgehetzt an, um eine kleine Verspätung wegen der bösen Bahn oder Zwischenfällen höherer Gewalt anzukündigen. Ohne Handy nehme ich nun lieber zwei Bahnen früher.

2. Planung im Voraus

In Zeiten, in denen mein Handy eher einem Stein als einem Internet-fähigen Gerät glich, schrieb ich mir ausgeklügelte Zettel, wie ich von A nach B komme. Ich notierte mehrere mögliche Routen mit dem öffentlichen Nahverkehr und malte schließlich eine Karte, die den Fußweg zeigte. Soviel Vorausschau hätte ich mir gewünscht, als ich letzte Woche in einem U-Bahnhof umherirrte, vergeblich einen Netzplan suchte und mich der Kioskverkäufer fragte, wieso ich nicht einfach in der BVG-App nachschaue.

3. Auf Menschen zugehen

In meiner Offline-Zeit musste ich immer wieder Menschen auf der Straße ansprechen oder um Hilfe bitten. Um mir den Weg zu erklären oder nachzugucken, wo sich die nächste Sparkasse befindet, zückten die meisten dann hilfsbereit ihr Smartphone. Ich freute mich über die kleinen Begegnungen, die mir mit starrem Blick auf einen Bildschirm entgangen wären.

4. Sich überraschen lassen

Ich tendiere dazu, jede Frage die mir durch den Kopf schießt, sofort bei der allseits beliebten Suchmaschine einzutippen. Was gibt es heute in der Mensa zu essen? Freund*innen fragen, ob ich mit ins Kino will – schnell nachgucken, was der Film für Bewertungen hat. Ohne die ständige Gewissheit, was einen erwartet, erlebt man häufiger kleine Überraschungsmomente.

5. Auf analoge Kommunikation zurückgreifen

Einige Tage nach dem Diebstahl hatte ich Geburtstag. Ich wachte auf und hatte keine zehn verpassten Anrufe oder dutzende Benachrichtigungen. Als ich mit einem geliehenen Handy meine Familie anrief, sagte meine Großmutter bedauernd: "Hätte ich dir doch mal eine Karte geschrieben!" Auch mir geht es oft so, dass ich morgens von Facebook an Geburtstage erinnert werde und dann schnell eine Nachricht verschicke oder anrufe. Aber irgendwie macht es mehr Freude, eine handgeschriebene Karte aus dem Briefkasten zu fischen. Auch wenn ich wieder ein Handy besitze, habe ich mir vorgenommen, öfters ein paar Zeilen auf Papier zu verschicken.