Manchmal halten wir Liebe geheim, weil wir uns im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz verliebt haben und uns vor den Reaktionen anderer fürchten. Wir können uns nicht aussuchen, in wen wir uns verlieben – dieser Satz ist die Allzweckausrede für viele unglücklich Verliebte, heimliche Affären und Dramaliebhaber*innen. Was ich darauf gerne antworten möchte ist: Stimmt nicht, du hast die Wahl. Sich in den/die Chef*in, die/den beste*n Freund*in, eine vergebene Person oder den/die Kolleg*in/en zu verlieben ist nicht nur wahnsinnig kompliziert, sondern oft auch nur ein vermeintliches Gefühl.

Warum verlieben wir uns heimlich?

Der Grund, warum wir uns in Menschen verlieben, mit denen wir viel Zeit verbringen, seien es Freund*innen oder Kolleg*innen, ist die bereits hergestellte Vertrautheit, da wir mit ihnen regelmäßig Intimität erleben, sagt der Beziehungsberater und Buchautor Christian Thiel. Die Vertrautheit, die durch persönliche Gespräche oder regelmäßig gemeinsam verbrachte Zeit empfunden wird, kann dann sehr schnell als vermeintliche Liebe verkannt werden.

Natürlich war ich auch schon heimlich verliebt. Wir waren in einem Freundeskreis, ich kannte ihn schon eine Weile und genau so lange hat das mein Herz auch eigentlich nicht interessiert. Wie fing das an? Mit einem betrunkenen Abend, einer gemeinsamen Heimfahrt und dem zusammen-ins-Bett-Stolpern. Daraus wurde dann eine Affäre, heimlich versteht sich. Mit einem glücklichen Ende? Nein natürlich nicht.

Wir wollten nicht, dass unsere Freund*innen davon erfahren, irgendwie hatten wir Angst vor ihrer Reaktion. Wir wussten ja selbst nicht, was daraus werden sollte. Also dann heimlich. Einen besonderen Reiz hatte das Geheime für mich nicht. Ich mag kein Drama und keine Spielchen. Ihm gefiel das Verbotene an unseren Treffen. Den Mut, es öffentlich zu machen, hatten wir nie. Meine Angst davor, was aus unserer Freundschaft werden würde, wenn das mit einer Beziehung nicht klappt, war dann doch zu groß.

Angst vor Unbekanntem

Die heimliche Liebe ist ein Liebesirrtum – es ist die Angst davor, sich in einen völlig unbekannten Menschen zu verlieben und sich ihm zu öffnen. Das Motiv der heimlichen Liebe ist oft nur ein Ausweichmanöver, um anderen Problemen aus dem Weg zu gehen. Häufig handelt es sich dabei um berufliche Unzufriedenheit und dem unterbewussten Wunsch nach Veränderung, sagt Christian Thiel.

Ein bewusstes Verlieben oder Nichtverlieben ist natürlich nur schwer möglich, aber wir können entscheiden, wie sehr wir uns den Gefühlen ausliefern. Weniger Nähe führt beispielsweise dazu, dass wir uns dem anderen Menschen auch weniger verbunden fühlen. Das habe ich schon versucht, klappt auch ganz gut.

Die Affäre mit Tom war aussichtslos, also bin ich nicht mehr in die Bar gegangen, wo wir sonst jede Woche waren. Ich habe mich gezwungen, ihm weniger zu schreiben. Ich habe angefangen, wieder so mit ihm umzugehen, wie mit anderen Freund*innen auch. Das Verliebtsein wurde weniger, es hat Zeit gebraucht, aber es ging vorbei, ohne einen großen Gefühlssturm. Heute macht mein Herz keinen Satz mehr, wenn ich ihn sehe, alles bleibt ruhig.

Die heimliche Liebe blockiert für die Realität

Sich in die heimliche Liebe hineinzusteigern, für die wir angeblich nicht verantwortlich sind, weil sie uns einfach überkommt, das ist gefährlich. Es blockiert uns für Beziehungen, die tatsächlich gelingen könnten. Die heimliche Affäre, ohne viel Aussicht auf eine konkrete Zukunft, hat nämlich selbst, wenn sie am Ende zu einer Beziehung führt, einen dunklen Schatten.

Er heißt: mangelndes Vertrauen. Je länger die heimliche Affäre dauert, desto mehr verstricken sich beide in ein Konstrukt aus Lügen und Heimlichtuerei. Wenn beide noch dazu während der Affärenzeit vergeben sind, fällt es schwer danach eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen.

Also lasst uns bereit sein für Neues, rausgehen und tolle Menschen kennenlernen. Ganz offen, sichtbar für alle. Verliebt sein, nicht nur hinter verschlossener Tür, das ist das viel größere Abenteuer.