Auf den ersten Blick wirken die Szenen sehr gewöhnlich, YouTube ist voll von ähnlichen Tutorials. Wir sehen Rob Kenney, einen 55-jährigen US-Amerikaner mit Glatze und Brille vor der Kamera. Er betreibt den YouTube-Kanal Dad, How Do I, auf dem er Dinge erklärt, die Jugendliche oder junge Erwachsene in einer stereotypen Welt typischerweise von ihrem Vater lernen würden. Wie geht rasieren, wie hänge ich ein Regal auf? In sehr entspanntem Ton plaudert Kenney darüber, wie man eine Krawatte bindet, ein Hemd bügelt oder den Ölstand des Autos misst. Es gibt keine schnellen Schnitte, keine Musik, in manchen Videos wechselt die Perspektive nicht ein einziges Mal. Alles sieht sehr unprofessionell und bodenständig aus.

So weit, so banal – aber Kenney scheint mit seinen Videos offenbar einen Nerv getroffen zu haben: nämlich die Sehnsucht Vieler nach einem Vater, der ansprechbar ist und zuhört; nach einem Vater, der sich Zeit nimmt und der im besten Fall weiß, wie Dinge funktionieren und sie freundlich und ohne erhobenen Zeigefinger erklären kannDas zeigen die Kommentare unter seinen Videos. Hier eine Auswahl:

Ich hatte keinen Vater. Das bedeutet mir so viel. Danke!
YouTube-User*in

"Mein Vater starb, als ich 15 Jahre alt war. Wir sind nie an einen Punkt gekommen, an dem es solche Gespräche hätte geben können. Ich danke dir von tiefstem Herzen für das, was du hier machst."

"Ich habe einen Vater, aber er ist sehr schroff und darum traue ich mich nicht, ihn um Hilfe zu fragen. Danke für alle diese Videos. Du hilfst so vielen Menschen."

Ich habe einen Vater, aber nennt mich einen Idioten, weil ich nicht weiß, wie einfache Dinge funktionieren. Du bist ein wundervoller Mensch.
YouTube-User

In weniger als zwei Wochen zum Internetstar

Kenney startete den Kanal vor gerade mal knapp zwei Monaten. Bei Buzzfeederklärt er, warum: "Ich habe den Kanal eingerichtet, um Dinge weiterzugeben, die ich selbst nie von meinem Vater gelernt habe." Sein Vater habe die Familie verlassen, als er noch ein Kind gewesen sei.

Kenney wohnt außerhalb von Seattle und ist Vater zweier erwachsener Kinder. Wie er erzählt, rief ihn seine 27-jährige Tochter oft an, um ihn zu fragen, wie man bestimmte alltägliche Dinge erledigt. "Irgendwann dachte ich mir: 'Was, wenn andere diese Möglichkeit nicht haben'", sagt er. Kenney scherzte, dass er kurze Videos machen könnte, in denen er den Leuten erklärt, wie man bestimmte Sachen macht. Seine Tochter schlug ihm schließlich vor, sie auf YouTube zu posten.

Dass der Account so schnell so bekannt wurde, lag an Facebook-Gruppen, in denen Kenneys Schwester die Videos postete. Von da gelangten sie zu Twitter und Reddit und die Zahl der Abonnent*innen wuchs rasant. Noch am 16. Mai hielt Kenney in einem Video einen Block hoch, auf dem der Wunsch nach 10.000 Follower*innen aufgeschrieben war. Keine zwei Wochen später folgen Dad, How Do I mehr als zwei Millionen Menschen.

Kenney selbst ist vom Erfolg ein wenig überrumpelt. Mittlerweile hat er eine PR-Agentur engagiert. "Meine Frau und ich schauen gerade, wie wir das angehen", sagte er Buzzfeed. Er sei offen dafür, mit dem, was er tue, Geld zu verdienen. "Es ist nicht so, dass ich dachte 'Krass, ich kann damit Kohle machen.' Ich habe das ohne Hintergedanken begonnen, aber ich sehe, dass ich viel Gutes tun könnte, wenn ich Geld aus der Sache ziehe", sagt er. "Ich kann mehr Menschen helfen, wenn ich damit Geld mache. Und ich kann dieses Geld verteilen, vor allem, wenn so viel Schmerz auf der Welt ist."