Glatzköpfige Männer mit dunkelroten oder grellen orangen Gewändern an fast jeder Ecke. Als ich das erste Mal einen buddhistischen Mönch auf den Straßen in Yangon, der größten Stadt Myanmars, sehe, bin ich fasziniert.

Buddhistische Mönche waren für mich immer etwas Entferntes, Unerreichbares. Ich habe mir vorgestellt, dass sie immer ruhig und mit Bedacht sprechen, ihr gesamtes Leben auf ihren Glauben ausrichten und nicht viel mit Andersgläubigen sprechen. Außerdem habe ich mal gelesen, dass buddhistische Mönche auf keinen Fall Frauen anfassen und nur Nötiges mit ihnen besprechen dürften. Zudem würde ihnen der Besitz jeglicher Dinge verboten.

In dem Moment, als ich das erste Mal buddhistische Mönche live vor mir sehe, würde ich gerne nähertreten, mit ihnen sprechen oder ein Foto machen. Das ist bestimmt nicht erlaubt, denke ich. Bald lerne ich, dass das alles Blödsinn ist.

Selfie mit einem Mönch

Abends sitze ich mit meinen Freundinnen an der Shwedagon Pagode, einem riesigen, strahlend goldenen Tempel mitten in der Stadt. Es laufen einige Mönche herum, Tempel sind eben eine zentrale Anlaufstelle für sie.

Da bleibt ein junger, dünner Mönch kurz vor uns stehen. Heimlich versuche ich, ein Foto zu schießen. Doch da dreht er sich um und bemerkt es. Dieser Moment ist der Beginn unserer Freundschaft.

Der Mönch kommt näher. "Hey, können wir vielleicht ein Foto zusammen machen?", fragt er. Ich bin sprachlos. Er besitzt ein Smartphone und fragt uns Frauen, ob wir ein Foto mit ihm machen können – und dann noch ein Selfie?

Kennst du Taylor Swift?

Wir kommen ins Gespräch. Der Mönch heißt Naing Win, ist 18 Jahre alt und seit zehn Jahren ein buddhistischer Mönch. An einer christlichen Schule lernt er Englisch. Doch bevor ich ihn mit weiteren Fragen löchern kann, will er unbedingt etwas loswerden.

"Ich liebe Taylor Swift, kennst du die auch?", fragt Naing Win. Sie ist seine Lieblingssängerin. Und ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Woher kennt er sie überhaupt? Mönche leben doch abgeschieden in Klöstern, oder nicht?

Can’t touch this!

Dass sie in Klöstern leben, bestätigt mir Naing Win. Abgeschieden heißt aber etwas anderes. Er zeigt mir sein Handy und seine Lieblingsapp Facebook. "Wollen wir befreundet sein?", fragt er mich. Klar, wer hat schon einen buddhistischen Mönch als Facebook-Freund?

Als ich meinen Namen eintippe, fällt mir aber noch etwas anderes auf. In seiner Timeline tauchen einige Fotos von Mädchen auf, manche auch mit tiefen Ausschnitten. Schon etwas merkwürdig. Naing Win erzählt von vielen Freundinnen. Letztens war er mit einem hübschen Mädchen einkaufen und zeigt mir stolz ein paar Fotos.

Offiziell leben buddhistische Mönche zölibatär, Sex und Freundinnen sind also tabu. Viele Mönche haben deshalb wenig Kontakt zu Frauen.

Dennoch bietet Naing Win meinen Freundinnen und mir an, im Kloster zu übernachten, falls wir keinen Schlafplatz haben. Naing Win scheint nicht in einer strengen Gemeinschaft zu leben, freundschaftlicher Kontakt zu Frauen ist also in Ordnung – mehr aber offiziell nicht.

Außerdem ist Naing Win ein großer Champions League-Fan. Mit seinen Freunden im Kloster verfolgt er die Spiele und feuert verschiedene Mannschaften an.

Alte Steinbauten voller Ruhe und ohne Strom? Von wegen. Die meisten Klöster in Yangon wirken sehr modern, sie sind aus Ziegeln, meist hellgelb gestrichen. Im Hof spielen Kinder in dunkelroten Mönchsgewändern Fußball, lachen.

Mönchtum statt Kinderarbeit

Ganz so unbuddhistisch sieht Naing Wins Alltag auch nicht aus: Früh morgens gegen fünf Uhr steht er auf, betet und meditiert die meiste Zeit des Tages. Er besucht häufig Tempel, um dort weiterzubeten. Nach der letzten Mahlzeit, die sie gegen zwölf Uhr essen, gehen vor allem junge Mönche in die Stadt und betteln.

Mit geflochtenen Körben gehen sie herum und bitten um Geld- und Essensspenden, weil ihnen der Besitz verwehrt wird. Damit sind sie auch häufig erfolgreich. Viele Buddhist*innen geben für ihren Glauben nahezu ihr gesamtes Geld aus.

Auch Tiere töten ist den Mönchen verboten. Nicht mal Ameisen oder Fliegen. Das ist schlecht fürs Karma, sagt Naing Win. Vegetarisch müsse er aber nicht leben. Die Tiere, die er isst, tötet er ja nicht selbst.

In Bars oder Kneipen geht Naing Win auch nicht. Abgesehen davon, dass es in Myanmar kaum so etwas gibt, ist es für einen buddhistischen Mönch auch nicht gut, Alkohol zu trinken. Es gibt zwar keine klare Regel dafür, aber Alkohol und andere Drogen verändern das Bewusstsein des Menschen – und können somit zu sexuellem Fehlverhalten und Lügen führen.

Naing Win ist froh, buddhistischer Mönch zu sein und die Möglichkeit zu haben, sich weiterzubilden. Denn viele andere in seinem Alter müssen arbeiten. Kinderarbeit ist in Myanmar weit verbreitet. Wenige beenden die Schule, die meisten Familien sind auf das Geld der Arbeit ihrer Kinder angewiesen. Da ist ein behütetes Leben im Kloster eine gute Alternative – aber eben nur für Kinder aus relativ reichen Familien.

Denn dauerhaft im Kloster zu leben, ist als Kind nur dann möglich, wenn die Familie regelmäßig genug Geld spendet. Das Leben im Kloster und die goldenen Buddhastatuen und Tempel müssen finanziert werden.

Kleider machen Leute

Naing Win hat mehr Freiheiten, als ich dachte. Dennoch hat er weniger Freiheiten als ich oder meine Freund*innen.

Sein größter Traum ist es, viel zu reisen. Deswegen lernt er auch Englisch in der christlichen Schule, um mit Menschen aus anderen Ländern in Kontakt treten zu können und sich zu vernetzen.

Reisen ist für Burmesen im Allgemeinen eher schwierig. Es ist teuer und die Visa sind schwer zu bekommen. Naing Wins größter Wunsch ist eine Reise nach Deutschland. "Ich habe letztens einen deutschen Touristen kennengelernt", erzählt er stolz, "der will mir die Reise nach Deutschland zahlen." Nur eine Sorge hat er, wenn er wirklich mal in Deutschland ist. "Meinst du, ich kann da mit meinem roten Gewand rumlaufen?"