Säye lässt sich als Er ansprechen. So ist es leichter für ihn, den Alltag zu bewältigen. Sei es, im Restaurant bedient zu werden oder eine öffentliche Toilette aufzusuchen. Im Privaten, wenn keine Einordnung von ihm verlangt wird, bezeichnet er sich als me. Geschlechterlabels möchte me nicht auferlegt bekommen. Säye ist kein Er, keine Sie, kein They, sondern me.

Um so leben zu können, hat Säye viel gekämpft. Und viel aufgegeben. Schon als Kind im Iran will Säye kein Mädchen sein, so wie alle es von me erwarten. Deswegen nimmt Säye, damals noch mit anderem Namen, heimlich Jungsklamotten mit zur Schule und zieht sich um, sobald me das Haus verlässt. Am Ende der Teenagerzeit outete sich Säye als lesbisch – im nationalen Fernsehen. Denn Säye ist Künstler*in und rappt über das queere Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt lebt Säye ein lesbisches Leben im Geheimen.

Homosexualität ist in Iran illegal und wird von der Gesellschaft tabuisiert. Tausende Homosexuelle wurden bereits öffentlich hingerichtet. Als Säyes öffentliches Coming-out viral geht, wird me bedroht, verfolgt und ausgestoßen – nicht nur von der Regierung, auch von der eigenen Familie. Daher beschließt Säye das Land zu verlassen. Die Angst um mes Leben ist zu groß. Säye reist alleine über die Türkei nach Kanada. Mes Familie wird Säye nie wiedersehen.

In Kanada fühlt sich Säye das erste Mal sicher. Hier hat Säye die Freiheit, über sich nachzudenken und die eigene Identität zu hinterfragen. Me kommt zu dem Schluss, dass sich ein lesbisches Leben nicht richtig anfühlt. Da ist mehr. Das Gefühl, das Säye schon in der Kindheit hatte, ist geblieben. Säye möchte kein Mädchen sein.

Me informiert sich, bildet sich weiter und erkennt, dass es Möglichkeiten gibt. Me beginnt eine Geschlechtsangleichung. Wie sich herausstellt, ist diese transition etwas, worauf Säye schon lange wartet. Heute lebt Säye in der Öffentlichkeit als Mann. Eher aus pragmatischen Gründen, weil es Dinge einfacher macht. Aber richtig männlich fühlt me sich nicht. Säye bevorzugt es, keiner Geschlechtsidentität zugewiesen zu werden und ein nicht-binäres Leben zu führen. Als me.

In der Videoserie Out Now! erzählen Mitglieder der queeren Community von ihrem Coming-out und wie es ihr Leben verändert hat. Anhand ihrer Geschichten wollen wir anderen Menschen zeigen, wie schön es ist, out and proud zu leben, und ihnen Mut, Hoffnung und Freude geben. Wenn du auch Lust hast, deine Coming-out-Erlebnisse mit anderen zu teilen, schreib uns gerne eine E-Mail.Folge 1: Wie Tugay versuchte, seine Homosexualität wegzubeten

Folge 2: "Als Schwarze lesbische Frau ist es doppelt schwer"

Folge 3: "Einfach mal Titten auf’n Tisch und sagen, was Phase ist!"

Folge 4: "Für mein Coming-out hätte ich in Berlin noch ins Gefängnis kommen können"

Folge 5: "Nach meinem Coming-out brachen meine Mutter und ich in Tränen aus"

Folge 6: "Ich werde meine Transsexualität niemals verbergen"