Mawada al-Adham und Haneen Hossam, zwei junge ägyptische Influencerinnen, wurden Ende Juli in Ägypten zu jeweils zwei Jahren Haft und Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 19.000 Euro verurteilt. Den zwei Frauen, die sich über verschiedene Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram einen Namen gemacht hatten, wird vorgeworfen, sich in ihren Videos sittenwidrig verhalten zu haben.

Als Erstes traf es im April 2020 die 20-jährige Studentin Haneen Hossam. Die Influencerin, die im zweiten Jahr Archäologie an der Universität Kairo studiert und ihre Tausenden Follower*innen auf Instagram und TikTok regelmäßig mit ihren Videos bespaßt, wurde in Kairo verhaftet. Laut New York Timesgeschah dies, weil sie in einem kurzen Instagram-Video andere Frauen ermutigt habe, Videos von sich selbst in der App Likee zu veröffentlichen. Dort werden Nutzer*innen anhand der Anzahl ihrer Aufrufe bezahlt. Die Staatsanwaltschaft warf Haneen Hossam vor, sie habe versucht, Frauen zur Sexarbeit zu animieren.

Ein paar Wochen später wurde auch die Influencerin Mawada al-Adham festgenommen. Auch ihr wurde vorgeworfen, sie habe mit ihren Videos, die sie auf TikTok ihren 3,2 Millionen Follower*innen präsentierte, gegen moralische Werte verstoßen. Auf der staatlichen Webseite al-Ahram heißt es dazu laut BBC, dass die zwei Frauen beschuldigt würden, die Werte und Prinzipien der ägyptischen Gesellschaft verletzt und unanständige Fotos und Videos veröffentlicht zu haben, die die öffentliche Moral störten.

Mawada al-Adham und Haneen Hossam sind nicht die einzigen Fälle

Die Verhaftungen von Mawada al-Adham und Haneen Hossam waren nur der Anfang einer Reihe von Verhaftungen junger TikTokerinnen und Social-Media-Influencerinnen in Ägypten in den vergangenen Wochen. Seit April 2020 sind in Ägypten noch mindestens sieben weitere Frauen inhaftiert worden. Auch Menna Abdel Aziz, Sherry Hanem, Nora Hesham, Manar Samy, Reenad Emad, Hadeer Hady und Bassant Mohamed wurden festgenommen, weil sie in den sozialen Netzwerken angeblich familiäre Werte missachtet und zur Sittenlosigkeit aufgerufen hätten. Keiner von ihnen wurde das Recht zugestanden, vorläufig auf Kaution frei zu kommen. Drei von ihnen sind bereits zu ähnlichen Haftstrafen verurteilt worden.

So wurde die Influencerin Manar Samy zwei Tage nach Mawada al-Adham und Haneen Hossam zu einer Haftstrafe verurteilt. Sie muss für drei Jahre ins Gefängnis und eine Geldstrafe von umgerechnet 16.000 Euro zahlen. Möglich ist dies, weil in Ägypten 2018 ein neues Gesetz zur Cyberkriminalität verabschiedet wurde. Dieses sieht hohe Haft- und Geldstrafen vor für digitale Inhalte, die als Verstoß gegen die öffentliche Moral aufgefasst werden können. Was genau diese "öffentliche Moral" umfasst, ist nicht festgelegt, weshalb das Gesetz willkürlich angewendet werden kann. Alle Frauen haben das Urteil angefochten und gehen in Revision.

Eine Petition für die Freilassung der Frauen

Nach den Verhaftungen von Mawada al-Adham und Haneen Hossam riefen ägyptische Aktivistinnen eine Petition ins Leben, die sich für ihre Freilassung und die der anderen Influencerinnen einsetzt. Die Initiatorinnen, die unter dem Namen TikTok Women operieren, erklären auf der Plattform Change.org, dass sie eine Gruppe ägyptischer Frauen seien, die "die Beendigung dieser brutalen Maßregelungen gegen Frauen auf Social Media durch staatliche Behörden fordert". Die Frauen hätten nichts Falsches getan und müssten mit sofortiger Wirkung freigelassen werden. Sie seien dafür bestraft worden, dass sie in ihren Videos lachten, tanzten und einfach nur Spaß hätten und würden nun des Rechts der Verfügung über ihren eigenen Körper beraubt. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: 19. August 2020) hat die Petition bereits 142.000 Mitzeichner*innen erreicht.

Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International haben die Freiheitsstrafen gegen die Frauen scharf kritisiert. In einem Statement erklärte Human Rights Watch, dass die ägyptische Regierung seit April 2020 eine missbräuchliche Kampagne gegen weibliche Social-Media-Influencer*innen fahren würde. Die Anschuldigungen der Regierung würden gegen das Recht auf Privatsphäre, freie Meinungsäußerung und Nichtdiskriminierung verstoßen.