Mit Vollbart, weit aufgeknöpftem weißen Hemd und Goldkettchen haut Daniel Brühl mit der Handkante auf den Tisch und sagt: "Manchmal geht mir diese Mentalität 'Alles ist dufte, alles ist prima' auf den Keks." Tja, Daniel, dann sitzt du leider in der falschen Show.

Denn bei Frank Elstners neuem Netflix-Talk Wetten, das war's, der vorher recht erfolgreich mit vier Folgen (Jan Böhmermann, Herbert Grönemeyer, Giovanni DiLorenzo und Helene Fischer) auf YouTube gelaufen ist, da ist alles dufte, alles ist prima. Wobei eigentlich nicht mal das, eigentlich ist es noch viel schlimmer: Fast alles ist komplett egal.

Frank Elstner trifft die langweiligsten Deutschen

Schon das Setting ist so bemüht wie die meisten Gespräche. In einer Veranstaltungshalle wird der Abend nach einer Feier simuliert, eine angebrochene Karaffe Wein, Elstner und seine Gäste sitzen an der Ecke eines langen Tisches, das Licht ist gedimmt. Als seien sie die letzten, die vom Abend verblieben sind. Jetzt geht's ans Eingemachte – denkt man.

Was folgt, ist ein erschreckendes Abbild unserer Zeit und unserer Generation. Fast ein Zeitdokument. Ich weiß nicht, ob ihr dieses Erlebnis kennt: Man sitzt zu Hause und schaut auf YouTube Musikvideos. Man sieht ein Video von einem Megastar, die*den man vorher nicht kannte, Dua Lipa oder Princess Nokia oder so. Dann geht man auf Instagram und gibt den Namen ein, weil man sich fragt: Wer so berühmt ist, muss ja ein abgefahrenes Leben haben. Und dann klickt man sich durch die Storys und hat immer exakt dasselbe Erlebnis: Die machen ja genau dasselbe wie ich.

Morgens joggen, dann ein bisschen Müsli, viel arbeiten, abends Yoga, manchmal feiern, ab und zu zu den Eltern, denn Familie ist wichtig. Wenn mal was Politisches passiert, dann teilt man auch gerne mal einen Hashtag, na klar, oh Shit, jetzt aber zurück an die Arbeit und dann ist ja auch schon wieder Yoga.

Diese Mittelmäßigkeit des Privatlebens unserer Promis – oder vermeintliche Mittelmäßigkeit, schließlich filmen sich die Leute nicht beim Teile schmeißen oder Bondage-Sex – findet ihren Höhepunkt in den ersten drei Folgen Wetten, das war's.

Die unerträgliche Mittelmäßigkeit des Seins

Frank Elstner, der große Saubermann und Dinosaurier der deutschen Abendunterhaltung, ist mittlerweile an Parkinson erkrankt und weiß, dass er vermutlich nicht mehr ewig ins Rampenlicht kann. Also hat er sich dazu entschlossen, Deutschlands große Prominente nochmal zum Tischgespräch zu versammeln: Klaas, Joko, Lena, Charlotte Roche, Daniel Brühl.

Die Gespräche mit den ersten Dreien, die so berühmt sind, dass wir sie am Vornamen erkennen, sind ein Debakel. Zunächst muss man Elstners Gesprächsführung kritisieren, weil sie etwas von Schülerzeitungsinterview hat. Hier sitzen offenbar Showtitan*innen miteinander am Tisch, aber Elstner interessieren so Sachen wie "Haben Sie nicht Angst bei Ihren Stunts?", "Wie hat das mit dem Showgeschäft angefangen?" oder – am schlimmsten – "Haben Sie noch Träume?".

In Zeiten des Podcast-Booms, in denen all diese Menschen schon mehrere Stunden ihr komplettes Seelenleben in den Äther gejagt haben, ist dieses Interesse an den Hard Facts, die man auch mit zwei Minuten Googlen herausfinden könnte, zwar durchaus niedlich, hat aber fatale Folgen: die Antworten nämlich.

So erfahren wir, dass Joko keine Träume haben will, weil er alles auf sich zukommen lasse. Lena will immer bei sich bleiben, denn wenn man immer bei sich sei, gehe es einer*m besser. Sie gehe gerne im Wald spazieren und meditiere. Und Klaas, ja Klaas ist sich tatsächlich nicht zu schade, zu sagen "So etwas wie Sicherheit wäre schon ganz schön." Digger, du bist vielleicht der erfolgreichste deutsche Moderator, wie hart kann die Agenda-2010-Abstiegsangst kicken?

Wie talkt ihr eigentlich vor mir?

Dazu kommt, dass die Interviews fürchterlich zerschnitten sind. Immer, wenn jemand mal ins Erzählen kommt, wenn eine Irritation spürbar wird, dann wird stumpf mit der nächsten Inhaltsfrage weitergepoltert: "Aber was sagt denn ihre Frau dazu?" Frank, who gives a fuck?

Dass die Show eigentlich Potential hat, merkt man immer dann, wenn die Gäste mit Elstners Fragen loslaufen, wirklich etwas preisgeben und Elstner eine Anschlussbemerkung gestattet ist. Charlotte Roche ist sicherlich das Highlight. Ihre Storys sind zwar altbekannt und sie muss wirklich sehr unangenehmen Wirtschaftswunder-Männerfragen à la "Aber manche würden sagen, dass so ein Buch wie Feuchtgebiete zur sexuellen Belästigung einlädt, oder?" (paraphrasiert) über sich ergehen lassen, aber hier wird zum ersten Mal sowas wie eine Generationenfrage klar: Elstner kann vieles, das Roche macht, nicht verstehen, ist aber wirklich interessiert und traut sich auch, #MeToo anzusprechen.

Roche ist mit Abstand die reflektierteste Person in diesem Format und so erfrischend, weil man nicht das Gefühl hat, sie hätte etwas zu verbergen oder wolle eine gute Figur machen. Irgendwann gibt Elstner ihr ein Kompliment für ihre schöne Stimme und sie erzählt, dass sie wegen dieser Stimme aus der Sendung 3 nach 9 geflogen sei. Man hat hier das Gefühl, als hätten diese beiden Menschen zu einer anderen Zeit vielleicht gute Freund*innen werden können.

Das Gespräch mit Daniel Brühl ist immerhin in Maßen erträglich, weil Elstner und Brühl dieselben Leute kennen und witzige Anekdoten in petto haben. Elstners Sohn ist mal mit Niki Lauda (den Brühl in Rush gespielt hat) Porsche gefahren und meinte dann später: "Papa, der ist ganz langsam gefahren." Das hat etwas Großväterliches, das ist schon okay.

Es zeigt sich, dass das Format eigentlich nur funktionieren kann, wenn die Gegenseite so aufbrausend ist, dass Elstner aus seiner Schockstarre geholt wird. Es gibt da zwei unheimlich peinliche Momente, in denen das fehlschlägt: Klaas sagt, er wäre ja früher ganz verrückt gewesen, und man könnte ja jetzt mal hier den Wein aus den verschiedenen Gläsern zusammenmischen und trinken, das wäre doch was. Ja, aber das macht dann leider niemand. Irgendwann sagen Lena und Elstner, sie waren beide lange in Köln, sie könnten ja mal Kölsch reden. Lena fängt an – Elstner steigt nicht ein. Cringe hoch Tausend.

In diesem Moment wird die Sendung so unangenehm, dass man es kaum noch ertragen kann. Wer völlig banale Fragen an Menschen stellt, die sowieso nichts zu sagen haben, und dann immer wegschneidet, wenn jemand immerhin mal ein bisschen ins Erzählen kommt, der muss vielleicht nochmal auf die Journalist*innenschule – oder andere Leute einladen.

Denn diese Joko-Lena-und-Klaasigkeit à la "Ich bin superberühmt, minimalst politisch, habe keine Träume, aber morgen muss ich wieder für ProSieben aus 'nem Helikopter springen" ist die gähnende Workaholic-Fratze der Generation Y, die wir eher therapieren lassen sollten als ihr 45 Minuten Talk-Zeit zu geben.

Frank Elstner trifft die langweiligsten Deutschen hätte man die Sendung auch nennen können. Wir müssen wirklich hoffen, dass ihm in der nächsten Staffel nicht Matthias Opdenhövel, Kai Pflaume und Elton gegenüber sitzen.