Die muslimische Minderheit der Rohingya im großteils buddhistisch geprägten Myanmar sieht sich seit Jahrzehnten der Verfolgung, der Verstümmelung und des Mordes ausgesetzt – vor allem durch Polizei und Armee.

Die rund 500.000 muslimischen Rohingya leben im nordwestlichsten Teil Myanmars. Sie werden von der Regierung nicht als eigenständige Bevölkerungsgruppe anerkannt, haben keinen Anspruch auf die myanmarische Staatsbürgerschaft und gelten als die am stärksten verfolgte Ethnie der Welt. Erst im Februar veröffentlichte der UN-Menschenrechtsrat schockierende Berichte über Gewalt, Vergewaltigungen, Morde. Man spricht von sogenannten ethnischen Säuberungen, es gleiche einem Völkermord.

Nachdem das Militär im August eine Großoffensive gegen sie startete, bei dem laut Europäischen Rohingya-Rat 3.000 Menschen getötet wurden, sind in wenigen Wochen Hunderttausende geflohen. Über 370.000 Geflüchtete sind mittlerweile im Nachbarland Bangladesch angekommen. Das bedeutet, dass insgesamt weit über zwei Drittel der Rohingya aus Myanmar geflohen sind. Die Geflüchtetencamps in Bangladesch sind völlig überfüllt, das Land überfordert, die Verfolgten haben mit Hunger und Durst zu kämpfen, rund 1.000 Menschen sollen bereits gestorben sein.

Während die UN das Land auffordern, die Gewalt gegen die Rohingya endlich zu beenden, richtet sich viel Aufmerksamkeit derzeit auf eine Person, die beharrlich schweigt und dementiert: Aung San Suu Kyi. Sie ist die Quasi-Regierungschefin von Myanmar – und Friedensnobelpreisträgerin.

Von der Freiheitskämpferin zur Militärunterstützerin

Die Frage, die sich große Teile der Welt derzeit stellen: Wie kann ein Mensch, der einen Preis für den Friedenskampf gewonnen hat, das zulassen? Und zudem: Wie kann ein Mensch von "einem riesigen Berg an Fehlinformationen" sprechen, wenn doch Bilder Berichte von Menschenrechtsorganisationen aus Myanmar eindeutig belegen, wie gnadenlos die Armee gegen die Rohingya vorgeht?

Suu Kyi wird oft in einem Atemzug mit Nelson Mandela genannt, sie galt lange als wichtige Vertreterin des Kampfes um Freiheit und gegen Unterdrückung. Für diesen Kampf verbrachte sie 15 Jahre in Hausarrest, weil sie sich gegen die Militärherrschaft auflehnte. Ihr Ziel war es, ihr Heimatland ohne Gewalt zu demokratisieren. 1991 gewann die den Nobelpreis, seit 2015 ist sie in der Regierung als Staatsberaterin und Außenministerin tätig, viele sehen in ihr die wahre Staatsführerin.

Doch für die muslimische Minderheit im Land sprach sie sich nie so wirklich aus, wie Mareike Kürschner für die Welt analysiert, auch nicht in ihrer Zeit als politische Gefangene. Und auch jetzt fiel sie der Weltgemeinschaft erst durch Schweigen auf, dann durch Aussagen wie die, dass die Unterstützung der Rohingya den Interessen von Terrorist*innen diene. Damit macht sie sich mit dem Militär, das sie einst ablehnte, gemein. Die Regierung, sprich Suu Kyi, behauptet, die Armee würde lediglich gegen aufständische Rohingya vorgehen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Kürzlich sagte Suu Kyi ihre Teilnahme an der UN-Vollversammlung ab, in der es heuer unter anderem um die Rohingya gehen soll.

Das hat laut Kürschner womöglich vor allem einen Grund: Wenn sich Suu Kyi offen für die Unterstützung der muslimischen Minderheit ausspricht, kann ihr das innenpolitisch nur schaden. Die Abneigung gegenüber diesen Menschen ist so ausgeprägt im Land, dass sie dadurch an Macht einbüßen würde. Von außen betrachtet wirkt es, als habe die Zeit in der Politik die einstige Freiheitskämpferin korrumpiert – und sie dazu gebracht, ihre Werte, für die sie so lange stand, zu verraten.

Petition fordert Aberkennung des Nobelpreises

Der Protest gegen Suu Kyi wird derzeit immer lauter. In einigen Teilen der Welt gibt es immer wieder große Demonstrationen von Muslim*innen, die einerseits das Ende der Gewalt an den Rohingya und andererseits die Enteignung Suu Kyis fordern, derzeit unter anderem in der Hauptstadt Marrokkos, in Pakistan und in Indien.

Eine Petition fordert nun die Aberkennung von Suu Kyis Friedensnobelpreis. Sie habe nichts unternommen, um die Gewalt an den Menschen in ihrem Land zu unterbinden. Mittlerweile haben fast eine halbe Million Menschen unterschrieben.

Doch nur weil einem Menschen ein Nobelpreis entzogen wird, wird sich das Leid der Rohingya nicht lindern. Die restlichen verbleibenden in Myanmar kämpfen um ihr Leben, die in Bangladesch angekommenen mit der Angst, wieder zurückgeschickt zu werden. Das ist durchaus möglich. Denn auch in Bangladesch gibt es viele Vorurteile gegen die Rohingya, das Land wollte viele von ihnen Anfang des Jahres auf eine Insel überführen. Vorerst wird aber immerhin ein weiteres großes Geflüchtetencamp an der Grenze gebaut, um der Situation irgendwie Herr zu werden.

Die Lage der Rohingya ist beinahe aussichtslos. Es gibt keinen Ort, an dem sie Frieden finden dürfen. Während Hilfsorganisationen versuchen, wenigstens dem Hunger von Hunderttausenden entgegen zu wirken, bleibt den Menschen nur noch eines übrig: ihre Hoffnung auf ein Wunder aufrecht zu erhalten.