Wenn wir darauf angesprochen werden, wie wichtig uns die Anzahl der Follower*innen, Likes oder Retweets auf Facebook, Instagram und Twitter sind, winken wir für gewöhnlich ab und geben uns gekonnt gleichgültig: Likes? Total egal. Wir wollen ja keine Influencer*innen sein und sowieso sind Menschen, denen Likes und Co. so wichtig sind, Narzisst*innen, die lediglich an ihrer Selbstinszenierung arbeiten. Aber sind wir in dieser Hinsicht wirklich ehrlich? Das könnten wir schon bald herausfinden.

"Wir möchten nicht, dass sich Instagram wie ein Wettbewerb anfühlt", beginnt Instagram-Chef Adam Mosseri auf der Facebook-eigenen Entwickler*innenkonferenz F8 am vergangenen Dienstag seinen Vortrag. Er stellt die wohl am heißesten diskutierte Neuerung der Social-Media-Plattform vor – und es wird schnell klar, dass sich Instagram in Zukunft von Grund auf ändern könnte.

In Kürze wird Instagram eine Version der App testen, welche die Anzahl der Likes auf dem News-Feed verbirgt. Mit dem Test möchte der Tech-Gigant zunächst in Kanada herausfinden, wie sich das Nutzer*innenverhalten auf Instagram verändert, wenn nicht mehr für alle einsehbar ist, wie erfolgreich ein Foto oder Video auf der Plattform ist. Dabei soll die Like-Anzahl jedoch nur unter dem Inhalt im Feed selbst verschwinden, der*die Urheber*in kann sie noch immer einsehen, allerdings wird sie nicht mehr so prominent angezeigt, wie es bisher der Fall ist.

Facebook erhofft sich dadurch nicht nur den eigenen Ruf zu verbessern, der durch mehrere Skandale in den letzten Jahren stark gelitten hat, sondern möchte auch ein weit weniger präsentes Thema im Umgang mit sozialen Medien angehen: Likes werden oft als Indikator zur Messung der eigenen Popularität verwendet. Einige Instagram-Nutzer*innen fühlen sich unter Druck gesetzt, Likes zu sammeln – wenn sie nicht genug davon erhalten, kann sogar das Selbstwertgefühl darunter leiden.

Denn Likes sorgen vor allem für ein kurzfristiges Belohnungsgefühl. Eine 2017 in Großbritannien veröffentlichte Studie stufte Instagram daher unter den fünf größten sozialen Netzwerken (Instagram, Facebook, YouTube, Snapchat und Twitter) als das schlechteste ein, wenn es um den negativen Einfluss sozialer Medien auf die psychische Gesundheit geht. Die Nutzung der Plattform ist unter Jugendlichen mit einem hohen Maß an Angstzuständen, Depressionen, Mobbing und FOMO – der Angst, etwas zu verpassen – verbunden. Zudem litten einige Instagram-User*innen in den vergangenen Jahren vermehrt durch Cybermobbing, weil sie beispielsweise weniger Follower*innen hatten als ihre Mitschüler*innen.

Fraglich bleibt, wie das Entfernen der Herzchen die Marketingbranche beeinflussen könnte. Denn während Jugendliche an Likes vor allem ihre eigene Popularität ablesen, dienen sie Medienunternehmen als Gradmesser für die Bezahlung geeigneter Influencer*innen, die gebucht werden, um Produkte oder Dienstleistungen zu bewerben.

Ob und in welchem Umfang der Test auch im deutschsprachigen Raum durchgeführt wird, ist bisher noch unklar.