Vergangene Woche wurden im Iran junge Menschen verhaftet, die regelmäßig Videos von sich auf Instagram posten, in denen sie tanzen. Drei von ihnen erschienen am Freitagabend in einer Sendung im staatlichen Fernsehen, um Geständnisse abzulegen. Sie wurden gefragt, ob sie mit sogenannten Feindstaaten in Kontakt stehen, ob sie wussten, dass ihre Instagram-Posts illegal seien, und ob ihre Familien damit einverstanden gewesen seien. Auch wenn ihre Gesichter unkenntlich gemacht wurden, war zu erkennen, dass sie in der Sendung ständig weinten.

Laut Aktivist*innen war eine von ihnen Maedeh Hojabri, wie der Guardian berichtet. Die 17-Jährige hatte circa 600.000 Follower*innen auf Instagram, ihr Profil wurde inzwischen gesperrt. Sie erzählte in der Sendung, dass sie ihre Follower*innen nicht zum Tanzen habe ermutigen wollen. "Ich hatte kein Team, alle Videos habe ich alleine zu Hause gedreht, ich war nicht dafür ausgebildet", erklärte sie weiter. Die weiteren Verhafteten sind noch nicht namentlich bekannt.

Aktivist*innen, sowie User*innen in iranischen Sozialen Medien, halten die Geständnisse der Tänzer*innen im Fernsehen für erzwungen. Diese Taktik des öffentlichen Verhörs ist bereits mehrfach von den iranischen Geheim- und Sicherheitsdiensten eingesetzt worden. Allerdings geht sie in der Regel nicht auf: Sobald die Verhafteten freigelassen wurden, bestritten sie alles, was sie zuvor gestanden hatten und berichteten von den Mitteln, unter anderem auch Folter, die sie dazu gebracht hätte, gegen sich auszusagen.

Diesmal ist die Stimmungsmache gegen die Tänzer*innen bereits kurz nach der Ausstrahlung des Verhörs schiefgelaufen. Während die Sendung eine Warnung für die Bevölkerung sein sollte, sich an die islamischen Regeln und den offiziellen Lifestyle zu halten, posten jetzt zahlreiche User*innen Videos von sich, in denen sie beim Tanzen zu sehen sind. Damit bekunden sie ihre Solidarität mit den verhafteten Tänzern und Tänzerinnen.

Eine Userin kommentiert: "Ich tanze, um zu zeigen, dass man uns mit Verhaftungen von jungen Menschen die Freude und die Hoffnung nicht wegnehmen kann. Wir wünschen uns einen freien Iran mit einer guten Zukunft." Eine andere schreibt unter ihr Tanzvideo: "Ich, eine iranische unpolitische Frau und Mutter, ich tanze mit Maedeh bis in die Freiheit." Im Zuge des Social-Media-Protests ging auch ein Video mit dem Titel Tanz mit mir viral, das bereits vor einigen Jahren produziert worden ist.

Tanzen ist im Iran offiziell verboten. Zwar wird im Privaten getanzt, bei Hochzeiten und auf Partys, aber bisher trauten sich die Iraner*innen selten, sich tanzend vor der Öffentlichkeit zu zeigen. Jetzt hilft das Regime unabsichtlich dabei, das Tabu zu brechen. Die zahlreichen Tanzvideos von User*innen haben dafür gesorgt, dass selbst die Konservativen und Hardliner den Staatsrundfunk scharf kritisieren. In vielen Tweets von Regime-Anhänger*innen und Unterstützer*innen heißt es: "Die Maßnahmen der Behörden, die Verderbtheit zu verhindern, haben dazu geführt, dass sie viel mehr sichtbar geworden ist."

Die User*innen verstehen Tanzen aber als alles andere als "Verderbtheit". Der Tenor: "Wir lassen uns nicht demütigen, nur weil wir tanzen wollen."