Nach außen hin wirkt das kleine Ego oft viel größer, als es in Wahrheit ist – es ist ein Scheinriese, wenn man so will. Es kommt daher als schillernd und charmant, es hüllt sich in die Aura des magnetischen Auftritts, während es im Club auf den Boxen tanzt.

Doch wenn man ganz nah rankommt, ist es verschrumpelt und verängstigt und kratzt und faucht und beißt. Genau darum tut das kleine Ego entweder weh oder es möchte erst gar nicht, dass man ihm nahe kommt. Es sagt dann so Dinge wie: Ich kann nicht mit einer Person zusammen sein, deren Licht heller strahlt als meins.

Was das für eine Beziehung bedeutet? Probleme – und zwar nicht zu knapp.

Wir alle haben ein Ego

Wir alle kennen diese innere Stimme, die uns an guten Tagen sagt, dass wir großartige Wunderwesen sind und die uns an schlechten Tagen einflüstert, ein erbärmlicher Haufen unnützer Biomasse zu sein. Normalerweise halten sich diese beiden Pole die Waage und wir finden selbst eine Balance dazwischen.

Menschen mit einem kleinen, zerbrechlichen Ego hingegen sind mehr als andere auf Bestätigung und Regulation von außen angewiesen. Weil ihr Ego nicht glauben kann, dass sie wirklich und wahrhaftig wertvoll und im wahrsten Sinne des Wortes liebenswürdig sind. Einfach so.

"Das Ego ist das vorangestellte Selbst des Menschen," sagt die Paartherapeutin Andrea Bräu. Einige hätten über viele Jahre hinweg gelernt, ihren Kern zu verstecken. "Je versteckter, desto verletzter kann man sagen. Im Laufe unseres Lebens haben wir viele Verletzungen erlitten und die haben dafür gesorgt, dass wir aufgerüstet haben." Das Ego hilft also dabei, die Teile der Seele zu schützen, die besonders verletzlich sind. Eigentlich eine nützliche Sache, oder? Nee, leider nicht.

Das kleine Ego hat bloß Angst

Genau deshalb fühlt sich das kleine Ego nämlich extrem schnell angegriffen. In einer Beziehung äußert sich das beispielsweise durch passiv-aggressive Sprüche, leichte Kränkbarkeit und launisches bis aufbrausendes Verhalten.

Das kostet alle Beteiligten ordentlich Energie. Und nicht nur das. "Die oft damit verbundenen Ängste vor Verlust und Trennung schränken einen Menschen in seiner Fähigkeit zu lieben ein", erklärt Expertin Bräu. Logisch – ich kann keine innige, großzügige Liebe geben, wenn ich selbst nicht glaube, liebenswert zu sein. Bräu: "Es wird stattdessen immer Sicherheit angestrebt. Wenn die nicht vorhanden ist, agiere ich fordernd oder sogar manipulativ, damit ich mich wieder stabil fühle."

Konkreter gesagt: Der*die Partner*in missgönnt der*m anderen schöne Dinge wie Freund*innen treffen, Hobbys. Er*sie ist schnell eifersüchtig, rächt sich für empfundene Verletzungen durch Gemeinheiten oder meidet große Nähe und zieht sich immer wieder zurück.

Tja, klingt nicht so wirklich nach Happy End.

Und so hört das Ego auf zu nerven

Die Lage mag verzweifelt sein, hoffnungslos ist sie aber nicht. Der erste Schritt zur glücklichen Beziehung mit kleinem Ego ist, wie so oft, die Bewusstwerdung. Also erkennen, dass das Problem in einem Mangel an Selbstwert, Selbstachtung und Selbstvertrauen liegt. Der zweite Schritt ist schwieriger und vor allem langwieriger: Lernen, sich selbst aufrichtig für liebenswert zu halten.

Und wenn dann das kleine Ego mal wieder rot sieht, weglaufen will oder zur Selbstverteidigung ansetzt und dabei ist, Dinge zu sagen oder zu tun, die nie wieder zurückgenommen werden können – die Pause-Taste drücken. Tief durchatmen. Und noch mal. War das jetzt wirklich eine Verletzung oder eher ein Missverständnis, das in einer alten Wunde wühlt?

Unterm Strich ist es entscheidend, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Das sagt auch Paartherapeutin Andrea Bräu: "Es ist die Aufgabe, dahin zu wachsen. Gerade in Beziehungen kann es doch nicht gut sein, den anderen für die eigenen Ängste zu missbrauchen. Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, das ist Reife und Erwachsen sein."

Dann ist es kein Problem mehr, mit jemandem zusammen zu sein, dessen*deren Licht heller strahlt. Ihr leuchtet einfach gemeinsam.