Charlotte stand mit ihrem Date vor ihrer Haustür. "Ich hatte einen sehr schönen Abend", sagte sie und neigte ihren Kopf zur Seite. Ihre Lippen öffneten sich leicht, hoffnungsfroh erregt dem Kuss entgegen. Doch was dann geschah, ruinierte für sie den Eindruck der vergangenen Stunden.

So zumindest erzählt es Charlotte kurz darauf ihren Freundinnen: "Schlechte Küsser sind das Schlimmste. Das Schlimmste!" Alle nicken.

Das Allerschlimmste

Das ist so zwar nicht wirklich passiert, denn es ist eine Szene aus Sex and the City, aber ich bin fast sicher, dass ihr gerade vielleicht auch ein bisschen genickt habt. Denn schlechte Küsser*innen sind auch außerhalb von Serien so etwas wie der größte gemeinsame Nenner der Geht-gar-nicht-Liste.

Schlecht küssen ist das unerbittliche No-Go des Datens. Gutes Küssen hingegen der Jackpot, fast egal, was danach noch passiert.

Dabei wird der Kuss an sich auch gern verklärend überhöht und ihm Eigenschaften zugeschrieben, die fast schon magisch erscheinen. Stichwort Frosch, Stichwort Prinz, Stichwort Happy End.

Wer allerdings wissen will, warum uns die Kuss-Qualität so wichtig ist, der wird bei der Suche nach Antworten recht schnell aus dem Märchenwald geholt. Denn der Kuss lässt sich zwar gut romantisch verklären, aber wenn Psycholog*innen zu Wort kommen, fallen Ausdrücke wie Partnerqualitäts-Beurteilung und man lernt, dass sich Küsse auch ganz nüchtern betrachten lassen.

Küsse gibt es überall

Küssen ist ein universelles Phänomen. Geküsst wurde und wird fast auf der ganzen Welt. Aber geküsst wird nicht nur, um bestehende Beziehungen zu festigen, sondern auch um neue Beziehungen anzubahnen. Und da kommt das schlechte Küssen ins Spiel. Denn Küssen spielt bei der Einschätzung eines*r potenziellen Partner*in eine große Rolle. Das haben schon etliche Studien zeigen können.

Eine der aktuellsten Studien zu dem Thema kommt von zwei Wissenschaftlern der University of Oxford, Rafael Wlodarski und Robin Dunbar. Die beiden Psychologen entwickelten zwei Experimente, in deren Rahmen sie gut 900 Proband*innen die Attraktivität potenzieller Partner*innen einschätzen ließen.

Den Proband*innen wurden erfundene Steckbriefe verschiedener Personen vorgelegt. Mehrere Charaktereigenschaften wurden darin beschrieben und es wurde zudem darauf hingewiesen, ob es sich jeweils um gute oder schlechte Küsser*innen handelte. Die Wissenschaftler wollten wissen: Welche Rolle spielt Küssen können in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, dass man mit jemandem im Bett landet? Auf ein Date geht? Sich eine lange Beziehung vorstellen kann?

Die Ergebnisse waren eindeutig. Gute Küsser*innen wurden nicht nur als grundsätzlich attraktiver wahrgenommen, sie wurden auch eher gedatet, haben leichter One-Night-Stands und auch ihre Chancen auf eine langfristige Beziehung scheinen besser.

Partnerschaftscheck

Nun könnte man natürlich einwenden, dass alles was als gut beschrieben wird, selbstverständlich Pluspunkte einsammelt – aber in Bezug auf Küssen sieht die Sache doch anders aus. Denn Kuss-Qualität ist eben eine der wichtigsten nicht visuellen Informationen, die wir auf unserer Partner*innensuche so einsammeln können, wie Wlodarski und Dunbar schreiben.

Küssen fungiert als initial mate assessment. Also als Starthilfe zum Partnerschaftscheck. Küssen bringt Menschen einander näher, ganz konkret. Und zwar so nah, dass sie sich schmecken und riechen können. Und auch Aspekte wie Körpergeruch spielen eine Rolle bei der Frage, ob wir uns jemanden als Partner*in vorstellen können oder nicht. Also doch ein bisschen wie im Märchen: ein Kuss als Prinz*essinnenentest.

Ein Kuss kann also durchaus eine Hürde sein. Wer dabei eher als bohrende*r Abschlecker*in statt zart fordernde*r Küsser*in wahrgenommen wird, bekommt deutlichen Punktabzug. Aber das sollte man sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Denn das Schöne ist ja, dass Küssen zugleich der große Gleichmacher ist. Beim Küssen geht es ausnahmsweise mal nicht um Größe, Ausdauer oder die Frage nach der konformsten Lippen-Behaarung. Und das ist doch schon mal nicht das Allerschlimmste.