Der Arzt sagte zu mir: "Finden Sie sich besser damit ab, dass es für Sie später schwierig wird, schwanger zu werden." Aus dem Bild, das vor meinem inneren Auge entstand, wenn ich mir mein Zukunfts-Ich in zehn Jahren vorstellte, verschwanden die Kinder. Ich suchte Trost bei meinem Freund, bei dem ich dachte, offen und ehrlich über meine Ängste reden zu können. Kurz darauf verließ er mich mit den Worten: "Ich will unbedingt eigene Kinder haben." Ich fing an mich zu fragen: Werde ich jemals einen Partner finden, der mit meiner Unfruchtbarkeit klarkommt? Nach den Kindern verschwand auch der Mann aus meiner Zukunftsvorstellung.

Vor drei Jahren bekam Maria die Diagnose: Subfertilität – stark eingeschränkte Fruchtbarkeit. Sie ist zu dem Zeitpunkt 20 Jahre alt. Seit sie 18 ist, leidet sie an Endometriose, einer chronischen Schmerzerkrankung, bei der sich Gebärmutter-ähnliches Gewebe verteilt im Körper ansiedelt und unter anderem die Eileiter und Eierstöcke verkleben können. Die Erkrankung ist eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit bei jungen Frauen; neben Fehlbildungen der Eierstöcke, Eileiter oder Gebärmutter, Krebserkrankungen oder chronischen Infektionen, in den meisten Fällen mit Chlamydien.

Es will doch niemand mit einer Frau zusammen sein, die keine Kinder bekommen kann, dachte ich.
Maria

Lange traut sich Maria nicht, auf Dates zu gehen

"Nach der Trennung von meinem Freund habe ich begriffen, dass nicht nur der Kinderwunsch schwierig wird, sondern auch, überhaupt einen Partner zu finden", sagt Maria. "Es will doch niemand mit einer Frau zusammen sein, die keine Kinder bekommen kann, dachte ich."

Anja Wermann ist Psychologin und arbeitet als Paar-, Single- und Sexualberaterin in Berlin. Sie sagt: "Bei einer Unfruchtbarkeitsdiagnose scheint der mögliche Lebensentwurf einer eigenen Familie von jetzt auf gleich außer Reichweite – das ist schmerzlich."

Bei Maria hat es über ein Jahr gedauert, bis sie sich wieder traute, auf ein Date zu gehen. "Ich habe mir gesagt, dass meine Unfruchtbarkeit nicht noch mehr kaputt machen darf als den Traum von eigenen Kindern. Vor dem ersten Date habe ich mir ganz viele Gedanken darüber gemacht, wann und wie ich das Thema am besten anspreche", sagt die Augenoptikerin aus Köln. "Erzähle ich direkt beim ersten Treffen davon oder erst viel später? Sage ich ganz direkt 'Ich kann keine Kinder kriegen' oder formuliere ich es vorsichtiger?" Maria ist eigentlich eine selbstbewusste Frau. Vor ihrer Diagnose sprach sie Männer direkt in Bars an oder lernte sie über Dating-Apps kennen. In der Zeit nach ihrer Trennung fühlte sie sich verletzlich. "Ich hatte Angst vor den Reaktionen der Männer. Davor, abgelehnt zu werden. Plötzlich war ich nervös vor einem Treffen und viel zurückhaltender, als ich eigentlich bin."

Sie beschloss, ihre Unfruchtbarkeit nicht direkt beim ersten Treffen anzusprechen – um das Kennenlernen nicht mit so einem schwierigen Thema zu belasten und sich selbst nicht auf ihre Erkrankung zu reduzieren. "Ich habe in der Regel bis zum dritten oder vierten Date gewartet, bis die Gespräche persönlicher und intimer geworden sind und man sich bereits zu Hause getroffen hat. Mir war ein ruhiger Ort wichtig, um nicht vom Kellner, der die Rechnung bringt, unterbrochen zu werden", sagt Maria.

Wie spreche ich die Diagnose an?

Die meisten Männer hätten mit Floskeln, wie "Ach, das sieht man dann, wenn’s soweit ist" und "Es gibt bestimmt Möglichkeiten" reagiert. Diese lockere Art gefiel Maria nicht: "Dadurch habe ich mich nicht richtig ernst genommen gefühlt. Es hilft mir nicht, wenn alles gut geredet wird. Ich kenne ja die Realität. Erklären zu müssen, dass die Chancen wirklich schlecht stehen, hat die Wunde auch bei mir wieder aufgerissen." Beim ersten Mal habe sie noch versucht, deutlich zu machen, dass das ein wichtiges Thema für sie sei. "Die Male danach war mir klar, dass jemand, der so wenig Interesse zeigt, mich bezüglich meiner Erkrankung kaum unterstützen wird. Dann gab es maximal noch ein weiteres Treffen, bis ich wusste: Das wird nichts."

Ihre schlimmste Dating-Erfahrung machte Maria mit einer Feierbekanntschaft, der sie bei einem der ersten Treffen vorsichtig von ihrer stark eingeschränkten Fruchtbarkeit erzählte. "Er fragte daraufhin, wie die Chancen denn in Prozenten wären. Als ich nur entgegnete, dass eine natürliche Schwangerschaft für mich sehr unwahrscheinlich ist, zog er seine Jacke an und sagte, dass das Date für ihn beendet wäre, Kinderkriegen wäre für ihn das Allerwichtigste im Leben." Maria blieb sprachlos sitzen, nicht in der Lage, etwas zu erwidern.

Dein eigener Wert wird nicht dadurch definiert, wie fruchtbar du bist.
Maria

Nach dieser Abfuhr habe es sie viel Kraft gekostet, ihr Selbstbewusstsein wiederzugewinnen. "Ein Mann sollte erkennen, dass ich damit schon ein großes Päckchen trage, und mir zuhören. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn er seine dadurch entstehenden Bedenken äußert, aber meine Unfruchtbarkeit ist kein Grund, mich deswegen als Person nicht wertzuschätzen", sagt sie. "Dein eigener Wert wird nicht dadurch definiert, wie fruchtbar du bist. Ich bin auch nicht ständig traurig wegen meiner Unfruchtbarkeit."

Vor einigen Monaten lernte Maria ihren jetzigen Freund kennen. "Beim zweiten Treffen erzählte ich, dass ich gerade länger krankgeschrieben sei. Da fragte er: 'Wegen deiner Endometriose?'" Er hätte auf Instagram gesehen, dass Maria dort über ihre Erkrankung spreche und sich über Endometriose informiert. "Schließlich hat er auch gefragt, ob ich dadurch keine Kinder kriegen könnte. Das kam ziemlich unerwartet, aber weil ich das Thema nicht selbst ansprechen musste, konnte ich zum ersten Mal bei einem Date darüber reden, ohne mich dabei weniger attraktiv zu fühlen. Er wünscht sich zwar Kinder, aber nicht um jeden Preis."

Auch für einen Mann sei es nicht unbedingt leicht, auf die mögliche Unfruchtbarkeit seiner Partnerin zu reagieren, sagt die Psychologin Anja Wermann. Sie empfiehlt Männern, die in diese Situation kommen, Fragen zu stellen, die ehrliches Interesse vermitteln – zum Beispiel: "Wie geht es dir mittlerweile mit der Diagnose?". Über dieses intime Thema hinwegzugehen, sei ein No-Go, da unfruchtbare Frauen häufig Angst davor hätten, ihre Erkrankung überhaupt zu erwähnen und stark verunsichert seien, wenn keine Reaktion komme.

Alina hat eine winzige Chance, natürlich schwanger zu werden – doch die Zeit drängt

Bei der 24-jährigen Alina stand der Traum, einmal Mutter zu werden, lange an erster Stelle. Seit sie 14 Jahre alt war, wusste sie, dass sie mindestens zwei Kinder will. Dass dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist jedoch unwahrscheinlich: Im März 2020 wurde sie wegen Verdachts auf Endometriose operiert. "Danach druckste die Ärztin, der ich erzählt hatte, dass ich unbedingt einmal eigene Kinder will, verlegen herum", sagt Alina, die nebenberuflich als Model arbeitet. "Schließlich meinte sie, ich solle mir vielleicht einen Psychologen suchen. Mein linker Eileiter sei nicht durchlässig." Ist ein Eileiter undurchlässig, kann die befruchtete Eizelle nicht zur Gebärmutter transportiert werden. Alinas Diagnose lautete N97.9 – der medizinische Code für Sterilität der Frau.

Trotz der Diagnose hat sie eine winzig kleine Chance, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Doch mit jedem Jahr, das vergeht, sinkt diese Chance. "Ich müsste also möglichst schnell jemanden finden, mit dem ich es versuchen will", sagt Alina. "Ich war kurz davor, bei einer Onlinedatingseite hinzuschreiben: 'Suche nur nach Mann für Kinder.'" Seit der Diagnose war sie schon Tage vor einem Date angespannt. Jedes Mal dachte sie: "Der muss es jetzt sein." Dieser Druck habe ihr den Spaß am Daten genommen. Unbeschwertes Kennenlernen? Fehlanzeige. Heute habe sie verstanden, dass man so keine Partnerschaft aufbauen könne. Sie könne es sich mittlerweile auch vorstellen, als Single-Mum ein Kind zu adoptieren oder es mit künstlicher Befruchtung durch einen Spender zu versuchen.

Eine starke Fixierung auf das Thema Kinderwunsch und Partnersuche sei sehr typisch, wenn eine Restchance bestehe, schwanger zu werden, sagt die Ärztin Gisela Kreyenbrink. Sie berät bei pro familia Hamburg Frauen und Paare zu den Themen Verhütung, Schwangerschaftskonflikt und Kinderwunsch. "Es ist wichtig, sich nach der Diagnose erst mal Zeit zu lassen, dem Schmerz Raum zu geben und dann für sich selbst eine innere Haltung zu entwickeln. Wie würde es mir mit einem Leben ohne Kinder gehen? Welche Alternativen kann ich mir vorstellen?" Erst dann könne man auch in einer möglichen Partnerschaft damit umgehen. "Wenn ich nicht selbst gelernt habe, meine Unfruchtbarkeit zu akzeptieren, ist mein Selbstwertgefühl in Date-Situationen abhängig von der Reaktion meines Gegenübers", sagt Kreyenbrink.

Im Netz und im gesellschaftlichen Diskurs ist Unfruchtbarkeit bei Singles kaum Thema. Sucht man bei Google nach "Beratung für unfruchtbare Frauen", findet man zahlreiche Hilfsangebote für Paare mit Kinderwunsch. "Als junge alleinstehende Frau fühlt man sich vergessen. Nur weil der Kinderwunsch nicht aktuell und an einen bestimmten Partner geknüpft ist, tut solch eine Diagnose nicht weniger weh", sagt Alina.

Wenn ich nicht selbst gelernt habe, meine Unfruchtbarkeit zu akzeptieren, ist mein Selbstwertgefühl in Date-Situationen abhängig von der Reaktion meines Gegenübers.
Gisela Kreyenbrink, Ärztin

Sie hat seit ihrer Diagnose zwei Männer gedatet. "Beim ersten Mal hatte ich das Gefühl, etwas beichten zu müssen und wollte so schnell wie möglich darüber reden. Vor allem wollte ich diese Last loswerden, aber auch keine Zeit verschwenden, mit einem Mann, der mich dann doch nicht will." Alina hatte sich Wort für Wort überlegt, was sie sagen wollte. Sie war nervös. Als sie dem Mann, den sie über Tinder kannte, erzählte, dass sie keine Kinder kriegen könne, wechselte dieser abrupt das Thema. "Ich habe immer wieder vergeblich versucht, von ihm eine Reaktion zu bekommen", sagt sie. "Dass er so darüber hinweggegangen ist, hat mich stark verunsichert."

Die Paartherapeutin Anja Wermann empfiehlt, das Thema lieber anzusprechen, wenn die Beziehung bereits verbindlicher wird, da viele erste Dates ohnehin im Sande verlaufen: "Unfruchtbare Frauen tendieren dazu, ihre Erkrankung als Grund für das fehlende Interesse zu verstehen, und nehmen sich selbst dadurch verletzlicher wahr." Bestünde bereits ein vertrauter Rahmen, sei es für den*die Partner*in leichter seine*ihre tatsächlichen Emotionen zu bestimmten Zukunftsaussichten zu äußern.

Eine eigene Definition von Weiblichkeit

Bei Alina kamen außerdem Gedanken hoch wie: "Ich bin keine richtige Frau." Deswegen habe sie sich oft unattraktiv gefühlt. Psychologische Untersuchungen belegen, dass Infertilität einen negativen Einfluss auf das Selbstwertgefühl der betroffenen Frauen haben kann. "Was als weiblich gilt, ist abhängig von der Kultur, der Zeit und den Normvorstellungen der Gesellschaft, in der man sich bewegt. Auch im modernen Europa ist die dominierende Normvorstellung immer noch, dass Frauen Mutter werden. Auch medial wird Frau- und Muttersein stark miteinander verknüpft", sagt die Psychologin Anja Wermann.

Sie betont, wie wichtig es sei, dass auch junge unfruchtbare Frauen sich als vollständige, liebens- und begehrenswerte Frauen sehen lernen. "Auf kognitiver Ebene rege ich meine Klientinnen dazu an, ihre eigene Definition von Weiblichkeit zu finden. Die weibliche Schöpferkraft muss nicht im Gebären eines Kindes liegen, sondern kann auch im Schaffen von Ideen ausgelebt werden." Auf der Körperebene begleite sie ihre Klientinnen dabei, trotz Unfruchtbarkeit den eigenen Körper zu akzeptieren. Das sei eine wichtige Grundeinstellung, um sich beim Daten wohlzufühlen und eine gesunde Paarbeziehung und Sexualität aufbauen zu können.

Alinas Dating-Story hat ein Happy End. Mit dem zweiten Mann, den sie traf, ist sie mittlerweile in einer Beziehung. Bei einem langen Spaziergang seien sie auf das Thema Kinder gekommen. Dabei erwähnte sie, wie gerne sie später Mutter sein würde, doch dass das bei ihr sehr schwierig werden könne. Daraufhin habe er nachgefragt und sie habe ihm die Fakten erklärt, ohne Beschönigungen. "Er hat verstanden, wie schlimm die Diagnose für mich war, und mir direkt gesagt, dass ich für ihn deswegen nicht weniger attraktiv wäre. Ich will kein Mitleid, sondern Verständnis. Sobald man eine Partnerschaft eingeht, betrifft eine solche Erkrankung wie die meine beide Partner. Es ist ein schönes Gefühl, wenn der andere sich auch damit auseinandersetzt."