Rund 25 Prozent der Stimmen kann Marine Le Pen momentan für sich beanspruchen, was sie in die entscheidende Stichwahl am 7. Mai bringen würde. Wie konnte es dazu kommen? Junge Franzosen erklären, wie sie über den Front National denken und warum die Partei in Frankreich so stark ist.

Für Eliott, 21 Jahre, Ingenieursstudent aus Paris, ist der Ruck nach rechts in Frankreich nicht überraschend: "Ich verstehe, warum einige den Front National wählen. Es herrscht großer Bedarf nach Reformen und die Menschen glauben nicht mehr an die alteingesessenen Parteien. Unser soziales Klima ist sehr gespannt angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, der steigenden Einwanderung, des Terrorismus', der einen Keil zwischen die muslimische und katholische Bevölkerung treibt, und der Ablehnung der EU, so wie sie derzeit ist."

Eigentlich wollte er den Republikaner Fillon wählen, aber seit dessen Skandal um die Scheinanstellung seiner Ehefrau ist er unsicher. "Ich denke, am Ende wird Emmanuel Macron siegen. Aber es gibt auch Leute unter meinen Freunden und Verwandten die wohl Le Pen wählen werden, einfach aus Protest."

Seine Mitbewohnerin Camille studiert ebenfalls Ingenieurswesen und meint: "Ich kenne niemanden unter meinen Freunden, der Le Pen wählen würde – oder sie würden es mir nicht sagen. Klar haben wir in der Uni oder einer Bar politische Debatten, aber irgendwie ist der Front National ein Tabuthema."

Sie denkt allerdings schon, dass immer mehr junge Leute die Partei attraktiv finden. Während es früher vor allem ältere Menschen aus ländlichen Regionen oder weniger gebildete Bürger*innen zu den illusorischen Versprechungen des Front National zog, vermutet sie, dass immer mehr junge Menschen aus der Mittelschicht Le Pen wählen – aus Angst vor Arbeitslosigkeit und steigender Immigration. "Viele junge Leute sind sehr verunsichert, auch durch die Medien. Und Angst spielt Le Pen in die Hände".

Pauline, 22, ist BWL-Studentin aus einem Vorort von Paris und lebt derzeit in Amsterdam. Sie will gar keine Prognose machen, wer gewinnen wird: "Mein Umfeld ist größtenteils links eingestellt und ich denke, ich kenne niemanden, der Marine Le Pen wählen würde. Aber sie ist gefährlich, sie hat Charisma, macht große Versprechungen an alle, die sich von der Politik unverstanden fühlen und sie provoziert gerne. Daher ist sie auch viel mehr in den Medien als zum Beispiel der sozialistische Kandidat Benoît Hamon. Ich finde, dass er das vielversprechendste Programm hat, besonders mit Blick auf die Wirtschaft".

Vom Quereinsteiger Macron, der sich als weder links noch rechts bezeichnet und von vielen als Favorit gesehen wird, hält Pauline wenig. "Ich traue ihm nicht. Er hat zu wenig politische Erfahrung und ist rein opportunistisch. Er ändert dauernd seinen Standpunkt, sein Wahlprogramm ist ziemlich vage und ich fürchte, dass er seine Versprechen nicht einhalten würde."

Der 29-jährige Jean-Baptiste lebt ebenfalls im Ausland und arbeitet als Global Brand Manager für ein Pekinger Software-Unternehmen. Er möchte stimmlos wählen, so enttäuscht ist er von den Kandidat*innen. Besonders junge Menschen hätten das Gefühl, Politiker*innen wählen zu müssen, die allesamt aus Frankreichs elitärsten Kreisen stammen und von der Realität normaler junger Menschen komplett abgekoppelt sind. Er vermutet, dass viele junge Landsleute erst in der endgültigen Stichwahl wählen werden, um hoffentlich in letzter Sekunde den drohenden Sieg des Front National zu verhindern. So, wie es schon einmal 2002 geschehen ist.

Trotzdem glaubt er, dass Le Pen Präsidentin werden könnte. Eigentlich wünscht er sich, dass die Jugend lauter wäre: "Wir sind doch der Wandel, nicht irgendein 50-, 60- oder 70-Jähriger, der im Monat so viel Geld macht, wie wir ein einem Jahr. Diese Leute können uns nicht verstehen, daher muss die Jugend für ihre Bedürfnisse einstehen".

Auch Martin, 26, Business Analyst in Paris, kann sich einen Sieg des Front National vorstellen. Sollte Marine Le Pen gewinnen, befürchtet er eine ultrakonservative Innenpolitik, die regelmäßig mit der Verfassung kollidieren würde. Ein Ausstieg aus der EU kommt gar nicht infrage, meint er. Frankreich würde damit zu viel verlieren. "Normalerweise wähle ich die Grünen, um ihre Ideen zu unterstützen."

Wie Pauline findet er, dass die sozialistische Partei das beste Programm hat, rechnet aber mit einem Sieg Macrons über Le Pen. "Wenn es schlecht läuft in Frankreich, wird erst einmal lange gemeckert und dann wählen wir das kleinste Übel. Ich denke, in Deutschland ist das genauso".