Als ich für mein Studium in eine neue Stadt zog, wohnte ich zuerst in einer WG mit vier Mitbewohnern: Sarah, Tim und Tims zwei Meerschweinchen. Am Anfang fand ich es ganz knuffig, wie die beiden Tierchen in der Küche nach Krümeln suchten oder mich, wenn ich nachts vom Feiern nach Hause kam, durch den Türspalt mit schrillem Fiepen begrüßten. Tims Meerschweinchen waren Halbwaisen, eine Art lebendige Erinnerung an seine längst verflossene Liebe. Nach der Trennung zog sie in eine andere Stadt, er blieb. Und mit ihm die Meerschweine.

Tim war wegen seines Jobs viel unterwegs. Ab und zu bat er mich, in seiner Abwesenheit für die beiden zu sorgen. Also kaufte ich brav Salat, schnitt frische Rüben und säuberte den Käfig. Wenn Tim wiederkam, bedankte er sich mit Bier und selbstgemachtem Kaiserschmarren. Für mich war das okay, die Tiere aber litten. Nicht nur weil ihre Trinkflasche ständig leer und das Futterheu voller Kot war. Ich glaube, sie merkten, dass sie für Tim eine Belastung waren, von der er sich aus Nostalgie und Schuldgefühlen nicht trennen wollte oder konnte.

Tim und seine Meerschweinchen sind nur eines von vielen Beispielen, bei denen in Beziehungen (oder Exbeziehungen) das Thema Tier einen überdimensionalen oder verqueren Stellenwert eingenommen hat. Wenn ich mich so umschaue, scheint es, als sei es regelrecht zum Trend geworden, sich als junges, frischverliebtes Pärchen einen Hundewelpen oder gleich mehrere verschmuste Kätzchen zuzulegen. Die Instagram-, und Facebook-Accounts meiner Freund*innen, wie auch die diverser Influencer*innen, quellen über vor Selfies mit Beziehungshund, -katze oder -hamster.

Warum wollen junge Paare diese Verantwortung?

Ich frage mich: Warum? Warum halst ihr euch in so jungen Jahren, in einer Zeit, wo alles möglich, aber so wenig sicher ist, eine derart große Verantwortung auf? Wollt ihr nicht in den Urlaub fahren, wann und wohin ihr wollt, ohne vorher einen Katersitter suchen zu müssen? Wollt ihr auf lange Partynächte verzichten, weil der Hund am nächsten Tag früh Gassi muss? Hat das nicht Zeit für später, wenn der Lifestyle weniger spontan und partyreich und die Lebensplanung langfristiger wird? Wir binden uns doch so schon früh genug – im Job, mit der Partnerwahl oder wenn die biologische Uhr zu ticken beginnt oder das erste Baby naht. Dann ist es sowieso vorbei mit der Unabhängigkeit.

Ein Haustier ist eine besondere Art von Verpflichtung" – Silke Wechsung, Diplompsychologin

"Nur weil man jung ist, heißt das nicht, dass ein Haustier nicht zum Lifestyle passt, oder der Killer für eine unbeschwerte Liebe ist", sagt Silke Wechsung. Seit vielen Jahren forscht die Diplompsychologin an der Universität Bonn zur Mensch-Tier-Beziehung, vor allem mit Hunden. "Ein Haustier ist eine besondere Art von Verpflichtung", erklärt sie, "eine Art Absicherung, dass man auch in schwierigeren Zeiten bereit ist, für die Beziehung zu kämpfen und aneinandergebunden ist. Für viele Paare vermitteln Haustiere ein Gefühl von Angekommen sein."

Reicht nicht auch eine gemeinsame Pflanze?

Das mag sein. Der Nestbauinstinkt schlummert auch in mir. Kürzlich habe mir doch tatsächlich eine Zimmerpflanze gekauft und wann immer es sich einrichten lässt, schiebe ich sie liebevoll von Fenster zu Fenster, damit sie genug Licht bekommt. Doch anders als ein Tier braucht so eine Pflanze nur ab und zu ein bisschen Zuneigung und was noch viel wichtiger ist: Sie macht mir kein schlechtes Gewissen, wenn ich sie mal vernachlässige. Ein Gefühl von Zuhause vermittelt sie trotzdem. Ich frage mich also: Muss es denn gleich etwas mit Haaren und Pfoten sein, um ein wenig mehr Beständigkeit und Heimeligkeit in unser Leben zu bringen?

Auch die Frankfurter Paartherapeutin Karin Krause sagt, nicht selten sei es der Wunsch nach Struktur, Verbundenheit und vor allem Sicherheit durch eine gemeinsame Aufgabe, der Pärchen zum Haustierkauf treibe. Diese Verlangen seien oft stärker als die Zweifel über zeitliche, psychische und finanzielle Belastungen, die so eine Anschaffung mit sich bringt. "Generell sollte ein Tier aber nie Mittel zum Zweck sein. Schon gar nicht, um Bedürfnisse zu stillen oder Defizite in einer Beziehung auszugleichen", sagt Krause. Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Therapeutin weiß sie, dass vor allem junge Paare aus genannten Gründen zu Impulstierkäufen neigen und mit der neuen Aufgabe dann leicht überfordert sind.

Doch es kann auch funktionieren, sagt Silke Wechsung. "Aber nur, wenn sich beide Partner der Verantwortung bewusst sind. Wer plant, sich ein Beziehungstier anzulegen und das vor allem zu Beginn einer frischen Beziehung, sollte sich vorab – separat und unabhängig von dem Partner – fragen, ob er im Falle einer Trennung auch alleine für das Tier sorgen könnte. Nur wenn die Fronten hier geklärt sind, wird man den Bedürfnissen aller Parteien gerecht." Um einen Rosenkrieg zu vermeiden, rät Wechsung sogar, in einer Art mündlichem oder schriftlichem Vertrag, das mit dem Sorgerecht für das Tier schon vor dem Kauf klar abzustecken. Klingt unromantisch, ist es wahrscheinlich auch. Aber so ein Tier ist eben keine Zimmerpflanze.

Es müssen beide das Tier wollen

Noch ein Beispiel: Vor einem Jahr zog meine Freundin Meike frisch mit ihrem Partner in eine kleine Wohnung am Stadtrand von München. Kurz darauf lief ihnen ein Kater zu. Erst strich er auf dem Balkon herum, dann lockte ihn Meike immer wieder mit Leckereien, solange bis er blieb. Ihr Freund war nicht gerade begeistert, eigentlich mochte er keine Tiere, doch er gab nach – Meike zuliebe. Dann wurde der Kater krank. In der Tierklinik sagten sie, er habe einen Tumor und gehöre operiert. Alleine konnte sich Meike die OP-Kosten nicht leisten und ihr Freund, der ja nie Tiere haben wollte, sah nicht ein, zu zahlen. Das Geld hätten sie schließlich für ihren Italienurlaub zurückgelegt. Der Kater musste eingeschläfert werden. Nach Italien fuhren die beiden nie.

Ein Haustier kann ein echter Beziehungskiller sein." – Tatjana Mennig, Katzenpsychologin

"Ich kenne einige dieser Fälle, wo Beziehungen gescheitert sind, weil einer der Partner partout kein Haustier wollte oder sich zu der Anschaffung überreden ließ", erzählt Tatjana Mennig. Die Katzenpsychologin berät im Umkreis von Hamburg Paare und Singles, die Probleme mit ihren Vierbeinern haben. "Es kommt nicht selten vor, dass ich unter Tränen angerufen werde, weil die Liebe unter den Verhaltensauffälligkeiten der Katzen leidet. Ich hatte mal eine Kundin, eine junge Frau Mitte 20, deren bereits vierte Beziehung gescheitert war, weil die Männer das ständige Miauen ihres Katers nicht aushielten. Ein Haustier kann ein echter Beziehungskiller sein." Mennig rät daher, sich lieber früher als später bewusst zu machen, wie wichtig einem ein Tier in der Beziehung ist und das dann konsequent und offen gegenüber dem*r Partner*in – oder dem*der, der*die es potentiell werden könnte – zu kommunizieren. Denn wie wir ja alle wissen: "Unerfüllte Wünsche zerstören auch die stärkste Liebe."

Erstmal langsam an ein Haustier herantasten

Damit es also klappt mit dem Beziehungstier, bedarf es offener Kommunikation, Teamwork und viel, viel Organisation. Und das soll gelernt sein. Vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist, weiter als bis zum nächsten Festival oder dem Semesterende zu planen. Tatjana Mennigs Rat an junge, tiervernarrte Pärchen: "Führt doch erstmal ein-, zweimal die Woche gemeinsam Heimtierhunde aus oder meldet euch beim örtlichen Tierschutzverein als temporäre Pflegestelle. So könnt ihr ohne Druck herausfinden, wie sich die Beziehung-mit-Tier anfühlt und wie ihr die Verantwortung miteinander teilen und euch zeitlich arrangieren könnt."

Keine schlechte Idee: erstmal die Leinen lockern. Und kommt man nach ein paar Runden dann doch zu dem Schluss, dass es erstmal nur das neue Sofa werden soll, ist das ja auch völlig okay. Eine aufschlussreiche Übung für später ist es allemal – denn wer weiß, vielleicht werden aus den potentiellen Hunde- und Katzeneltern ja auch mal stolze Mütter und Väter. Aber das hat ja noch Zeit.