Der Verein Pinkstinks will in Anlehnung an Schulen ohne Rassismus die Kampagne Schulen ohne Sexismus starten. Aber würde das etwas bringen? Ein Kommentar.

In den vergangenen Jahren ist die Debatte um Sexismus langsam in den Mainstream geschwappt. Trotzdem bleibt in großen Teilen der Gesellschaft ein hartnäckiger Widerstand erhalten, der die praktische Umsetzung von Gegenmaßnahmen blockiert. Das liegt auch daran, dass viele nicht verstehen, was Genderstudies zu erreichen versuchen, warum Feminismus nichts mit Männerhass zu tun hat und was überhaupt Sexismus bedeutet.

Die Aktivist*innen des gemeinnützigen Vereins Pinkstinks haben nun eine Projektidee veröffentlicht, die das Thema Sexismus schon Schüler*innen ins Bewusstsein rufen würde. Angelehnt ist das Konzept an die Schule-ohne-Rassismus-Initiative, die Kinder für rassistisches Verhalten sensibilisieren und Zivilcourage fördern soll. So könnten sich Bildungseinrichtungen künftig mit Petitionen und Projekten den Titel Schule ohne Sexismus verdienen können.

Die Macher*innen halten eine solche Aufklärungskampagne für den richtigen Weg, um Schüler*innen und Lehrpersonal früh für Geschlechterstereotype zu sensibilisieren und Sexismus zu verhindern. Aber zeigen solche Projekte überhaupt den Effekt, den wir uns erhoffen?

Rassismus ist grau

An der Kampagne Schule ohne Rassismus habe ich selbst teilgenommen. Als meine Schule 2008 diesen Titel erhielt, war das für alle ein wichtiges Zeichen. Nur wenige Straßen weiter hatte im gleichen Jahr ein Nazi einen Ehemaligen des Gymnasiums brutal ermordet. Jeden Morgen fuhr ich an dem Mahnmal und den abgelegten Blumen vorbei.

Jetzt als Schule offiziell gegen Rassismus einzustehen, erfüllte uns mit Stolz und Genugtuung. "Wir lassen uns nicht einschüchtern", dachten wir. Also organisierten wir Projekte, führten Theaterstücke über die Geschwister Scholl auf und fühlten uns ganz furchtbar wichtig. Wir, die junge Generation, ein Bollwerk gegen den Rassismus in unserer Heimatstadt. Wir konnten die Welt ganz einfach in Schwarz und Weiß unterteilen, übersahen jedoch die Graustufen.

Dass Nazis scheiße sind, war mir schon vor der Schulplakette klar. Dass ich kein Nazis bin, auch. Das Rassismus aber viel mehr ist, als Unterkünfte von Asylbewerber*innen anzuzünden und mit Bomberjacke und Glatze auf dem Dorffest rumzupöbeln, wurde mir erst viel später bewusst. Diese Lektion hatten wir mit unserem Schwarz-Weiß-Denken nämlich leider ausgelassen. So konnte der Rassismus am Ende also nie ganz von der Schule verschwinden, er bliebt in den Graustufen verborgen.

Juhu, wir sind keine Sexist*innen

Dieses Problem ist auch der Pinkstinks-Geschäftsführerin Dr. Stevie Meriel Schmiedel bewusst: "Seit der Anhörung im Bundestag haben wir intensiv über eine solche Plakette diskutiert und sind uns auch bewusst geworden, dass eine Schule leider nie Sexismus-frei sein wird, ebenso wie die Plakette Schule ohne Rassismus potenziell Kinder verhöhnt, die an ihrer Schule dennoch Rassismus erfahren."

Wie soll eine Plakette also das Bewusstsein verändern, wenn die beteiligten Akteur*innen selbst das Konzept Sexismus nicht in Gänze verstehen? Vielleicht würde eine Kampagne nur dazu führen, dass alle sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. "Wir finden es toll, dass Frauen wählen und studieren dürfen. Juhu, wir sind keine Sexist*innen!" Sexismus ist aber eben viel mehr, viel subtiler, viel leichter zu übersehen, als die meisten von uns glauben. Das bedarf – wie auch beim Rassismus – einer intensiven Aufklärungsarbeit, die eine Kampagne möglicherweise nicht im Stande ist zu leisten.

Erstmal anfangen, dann sehen wir weiter

Bei aller Vorsicht und begründeten Zweifeln, gibt es aber trotzdem ein gutes Argument, solche Schulen auszurufen. Zugegeben, eine Schule ohne Rassismus zu besuchen, hat mich nicht über Rassismus aufgeklärt, aber es hat für immer festgelegt, was ich nicht sein möchte.

Eine Kampagne wie Schulen ohne Sexismus würde vor allem Kindern helfen, die nicht den gängigen Geschlechterstereotypen entsprechen. Für sie kann nämlich der Druck, ein biologisches, aber nicht gefühltes Geschlecht zu performen, anstrengend und sogar tödlich sein. Projekte in der Schule, die ihnen vermitteln, dass Menschen unterschiedlich sind und das vollkommen okay ist, könnte ihnen mehr Selbstbewusstsein geben. Und für alle Schüler*innen würde so eine Plakette auch festlegen, wer sie nicht sein möchten: Menschen, die Sexismus toll finden.

Vielleicht würde Schulen ohne Sexismus nicht von heute auf morgen den Sexismus an allen Bildungseinrichtungen verdrängen, aber es könnte der erste Schritt dahin sein, dass kommende Generationen wissen, wogegen sie kämpfen müssen. Und das allein wäre es meiner Meinung nach wert, das Projekt zu unterstützen.