Respektlos angemacht und auf mein Äußeres reduziert zu werden, gehört für mich zum Alltag. Nicht nur, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich eine Frau mit überdurchschnittlich großen Brüsten bin. Es gibt fast keinen Tag, an dem mein J-Körbchen kein Thema ist. Egal, ob ich draußen, am Arbeitsplatz oder auf Instagram unterwegs bin.

Vor Kurzem hatte ich einen Dreh, bei dem ein Ansteckmikro an meinem Oberkörper befestigt werden musste. Ein Tontechniker bat mich freundlich, mein T-Shirt dafür etwas hochzuziehen. So weit, so normal. Dachte ich. Bis der ältere Herr sich nicht verkneifen konnte, mich zu fragen, ob ich denn sehr starke Rückenschmerzen hätte. Er würde das Klagen von seiner Cousine kennen, die "obenrum auch sehr prall" sei. Meine Reaktion? Eine Mischung aus Fassungslosigkeit und dem Drang zum Kotzen. Was für viele wie eine Frage aus reinem Interesse klingen mag, ließ mich mich ziemlich unwohl fühlen. Ich frage einen fremden Mann schließlich auch nicht, ob er an Gedächtnisproblemen leide, weil er grau auf dem Kopf ist. Es geht mich schlichtweg nichts an.

Ich frage einen fremden Mann schließlich auch nicht, ob er an Gedächtnisproblemen leide, weil er grau auf dem Kopf ist.

Ich weiß nicht mehr genau, wann mein kindliches Flachland zu einem Hochgebirge heranwuchs. Ich kann mich lediglich daran erinnern, dass mir mein damaliger Schwarm schon in der sechsten Klasse gestand, nicht mit mir zusammen sein zu wollen, weil bei mir "alles so groß" sei. Diese Aussage nagte so an meinem Selbstbewusstsein, dass ich von dort an beschloss, ausschließlich Schals zu tragen. Ja, auch im Hochsommer. Zur großen Überraschung von niemandem machte mich das auch nicht glücklich.

Ich versuchte etwas Anderes. Es erschien mir sinnvoll, weniger zu essen, damit meine Oberweite schrumpft. Meine Genetik ließ sich jedoch auch von einer Essstörung nicht aus dem Konzept bringen. Die Brust blieb groß und die klassischen BHs von Modeketten zu klein – selbst die aus den Übergrößen- und Schwangerschaftsabteilungen.

Brustverkleinerung als einzige Lösung?

So gewöhnte ich mich daran, meine Brüste beim Treppensteigen, Rennen und Hüpfen primitiv festzuhalten. Das fühlt sich übrigens genauso lächerlich an, wie es aussieht. Generell akzeptierte ich einfach, regelmäßig komische Blicke und Kommentare zu kassieren. Wie viel meine Brüste wiegen und was ich machen will, wenn sie anfangen zu hängen, sind nur ein paar davon. Kein Wunder, dass ich dem Gedanken an eine Brustverkleinerung immer näher kam. Blöd nur, dass meine Krankenkasse die vierstelligen Kosten dafür nicht übernehmen will, weil ich weder unter Rückenschmerzen noch unter anderen körperlichen Beschwerden leide. Fitnessstudio-Sessions und teuren Spezial-BHs sei Dank.

Und das, obwohl ich mit meinen Selbstzweifeln aufgrund der Oberweite nicht alleine bin. Für viele Frauen ist der Sexismus, der im Alltag erlebt wird, eine enorme psychische Belastung. Eine Studie aus den USA hat ergeben, dass Menschen, die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erleben, häufiger Psycholog*innen, Therapeut*innen oder andere Ärzt*innen in Anspruch nehmen müssen. Auch Essstörungen seien bei Betroffenen keine Seltenheit.

Ich bin mehr als meine Oberweite!

Mittlerweile sehne ich mich nicht mehr nach einem Leben mit kleineren Brüsten, sondern wünsche mir ein Miteinander ohne Vorurteile und Oberflächlichkeit. Die Brust einer Frau gehört genauso zu ihrem Körper wie ihre Augenbrauen, ihre Ohrläppchen oder ihre Waden. Selbst wenn unser Ausschnitt bis zum Bauchnabel geht oder wir halbnackt rumlaufen, steht es niemandem zu, sie zu kommentieren.

Ich fühle mich nicht geschmeichelt, wenn mir geschrieben wird, dass ich "geile Titten" habe. Ich weiß das. Meine Emotionen, Gedanken und Werte verdienen mindestens genauso viel Aufmerksamkeit wie mein Fettgewebe. Niemand hat etwas gegen ernst gemeinte Komplimente, respektloses Verhalten hingegen lehne ich ab. Mein Busen und meine Persönlichkeit passen weder in irgendwelche Hände noch in Schubladen.