Die Romanze zwischen Martin und mir begann perfekt – auf einer Party, mit viel zu viel Bier intus und der anschließenden Frage, in welche Ecke ich mich übergeben sollte. Martin begleitete mich ritterlich nach Hause. Und trotz aller Übelkeit fühlte sich das alles so gut an, dass ich fand, er sollte auch in Zukunft mein Begleiter sein.

An dieser Stelle könnte die Geschichte auch schon happy zu Ende sein, wenn es unsere gemeinsame Freundin Veronika nicht gegeben hätte. Oder genau genommen ihren enttäuschten Blick, als sie uns das erste Mal zusammen sah. Und diese ungewohnte Wortkargheit, wann immer wir danach aufeinander trafen. Was ist da los?, fragte ich zuerst mich selbst und dann Martin. Und weil das alles nichts nützte, beschloss ich, diejenige zu fragen, die es am besten wissen musste: Veronika.

Nach diesem Gespräch wünschte ich tatsächlich für einen Moment, niemals den Bauch meiner Mutter verlassen zu haben. Und das, obwohl mir Veronika nicht mal besonders nahe stand. Denn das, was hier passierte, war der größte anzunehmende Unfall in einer jeden freundschaftlichen Beziehung: Wir beide hatten es offensichtlich, ohne es zu wissen, auf denselben Mann abgesehen. Und nur eine von uns hatte ihn bekommen.

Was wir nicht sehen müssen, kann uns nicht weh tun – also weg mit dem*r Konkurrent*in

Augenblicklich erinnerte ich mich an die Zickenkriege, die in meinem Gymnasium um die Jungs herrschten. All die Zurechtweisungen, die ich mir nach weingeschwängerten Gespächen mit den Boyfriends meiner Bekannten einholte. Die Warnungen, die eine meiner Freundinnen vor ihren Partys an ihre weiblichen Gäste verhängt: "Mit dem, dem und dem darfst du, und mit dem, dem und dem darfst du nicht. Also wehe!" Und an all die Freundschaften, die in meinem Leben an (echter oder eingebildeter) sexueller Konkurrenz zugrunde gingen.

Denn genau das passiert in den meisten Fällen, wenn wir uns in der Situation wiederfinden, um ein Love Interest zu konkurrieren oder gar in diesem Wettkampf unterliegen. Aus irgendwelchen Gründen denken wir, das vertrüge sich nicht mit unserer Freundschaft. Plötzlich finden wir den*die andere*n scheiße, fühlen uns selbst ausgebootet und suchen Abstand zueinander. Oder holen gleich die Axt raus hacken die Verbindung einfach mal ab. Denn was wir nicht mehr sehen müssen, kann uns nicht weh tun. Und genau das war, was Veronika jetzt wollte: Mich nicht mehr sehen. Alle Gesprächsangebote blockte sie ab.

Ich weiß, wie es ist, die sogenannte Unterlegene zu sein. Wenn der Typ, hinter dem ich schon seit Wochen her war, am Ende mit meiner Freundin nach Hause geht. Oder ich neben meiner umwerfenden Kommilitonin für alle anwesenden Männer grundsätzlich unsichtbar blieb. Ich kenne die Minderwertigkeits-Mühle, die in solchen Situationen zum Mahlen ansetzt: "Wenn sie ihn kriegt und nicht ich", rattert sie, "dann bin ich wohl nicht schön/klug/witzig genug." Ich kenne die Wut auf die andere, die scheinbar alles das bekommt, was ich nicht haben kann.

Statt einander für unsere Existenz zu hassen, können wir miteinander reden

Dass man diesen Gefühlen auch anders begegnen kann als mit Distanzierung, lernte ich erst vor einigen Jahren. "Andi steht auf dich", hatte meine Freundin Wanda mir damals mit Tränen in den Augen gesagt. Meine Beine machten einen Knick nach innen. Denn es ging nicht um den heißen Andi aus dem Fahrradladen. Sondern um Wandas Freund. "Jetzt ist alles aus", dachte ich, obwohl ich unter keinen Umständen was mit ihm angefangen hätte. Denn was ich von nun an tat, war im Grunde egal. Meine langjährige Erfahrung in Sachen Freundschaft zeigte eine eindeutige Prognose: Eifersucht, Missgunst – und Ende Gelände.

Aber nicht mit Wanda. Statt mich für meine Existenz zu hassen, redete sie mit mir. Über die Angst, dass Andi sie verlassen könnte. Über das Gefühl, ihm nicht auszureichen. Und darüber, dass sie verstehen könne, dass er auf mich abfährt. Und obwohl ich der Auslöser für ihre Tränen war, fühlten wir uns nach diesem Gespräch so nah wie nie. Natürlich gab es auch später noch schwierige Momente für uns. Wenn Wanda Andis Blick auf mir ruhen sah. Wenn wir im Gespräch versanken. Wenn wir uns zufällig berührten. Doch statt sich in sich selbst zurückzuziehen, sagte sie uns, wie es ihr mit der Situation ging. Nicht, damit wir aufhörten, uns zu unterhalten, sondern, um in Kontakt mit uns zu bleiben.

Jetzt mache ich es so: Ich teile meine Eifersucht und meine Angst, nicht gut genug zu sein oder zu unterliegen."

Unsere Freundschaft hat das überlebt. Und ihre Beziehung auch. Weil wir aneinander dran geblieben sind, statt uns voneinander zu entfernen. Weil wir unsere Gefühle geteilt haben, statt sie in uns reinzufressen. Und wir sind nicht mal nur mit dem nackten Leben davon gekommen, sondern haben unserer Freundschaft eine Tiefe gegeben, die ohne diesen Konkurrenz-Moment nie entstanden wäre.

Seit dieser alles verändernden Erfahrung rede ich mit den Frauen, die auf den gleichen Typ scharf sind wie ich. Ich teile meine Eifersucht und meine Angst, nicht gut genug zu sein oder zu unterliegen. Jedes Mal mache ich damit die gleiche Erfahrung: Wir kommen uns näher, statt uns von einander zu entfernen. Und jedes Mal, wenn es andersrum kommt, hoffe ich, mein Gegenüber macht mit und öffnet sich. Weil ich weiß, dass wir nur so gewinnen können. Und zwar gemeinsam.

Darum werde ich auch dranbleiben. An Veronika und überhaupt. Denn perfekte Romanzen hat das Leben für uns alle sicher noch ein paar auf Lager. Und dass wir uns da mal in die Quere kommen, ist dann hoffentlich kein großes Ding mehr.