Wenn es um den Islam geht, ist die Stimmung in Österreich dank der rechtskonservativen Regierung grundsätzlich schon mal auf 180. Nimmt man dann noch das Thema Kopftuch dazu, hat man alles, was man für eine explosive und aussichtslose Diskussion braucht. Diskutiert wird dann über Frauen, Feminismus und den Islam. Meist ohne mit Betroffenen gesprochen zu haben oder sie zu Wort kommen zu lassen. Stattdessen wird spekuliert, warum Frauen Kopftuch tragen; ob sie müssen oder wollen und für wie viel Religion, oder besser gesagt Islam, in der Gesellschaft Platz ist.

Kopftuchverbot für Kinder in Österreich

Zuerst wurde das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, das sogenannte Burkaverbot, eingeführt. Seither bezahlt man in Österreich bis zu 150 Euro Strafe, wenn das Gesicht zwischen Stirn und Kinn nicht sichtbar ist. Im November vergangenen Jahres hat der Nationalrat mit dem sogenannten Kinderschutzgesetz das Kopftuchverbot in Kindergärten eingeführt. Nun hat das Parlament in Österreich mit den Stimmen der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ ein Verbot von Kopftüchern an Grundschulen beschlossen.

Im Detail verboten ist nun "das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist". Ausgenommen sind Bedeckungen aus medizinischen Gründen oder wegen des Wetters, wie zum Beispiel Regenschutz und Winterkleidung. Auch das Tragen der jüdischen Kippa bleibt weiterhin erlaubt.

Bereits vor einem Jahr, als die Diskussion über das Kopftuchverbot startete, sagte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz: "Eine Verschleierung von Kleinkindern ist definitiv nichts, was in unserem Land Platz haben sollte." Parteichef Heinz-Christian Strache sagte, die FPÖ wolle damit "Fehlentwicklungen beim politischen Islam entgegentreten". Der Koalitionspartner FPÖ pocht seit jeher auf das Verbot.

Wie viele Kinder das Gesetz betrifft, bleibt unklar

Um wie viele Kinder es dabei eigentlich geht, weiß niemand so genau. Es liegen weder konkrete Zahlen noch Statistiken vor. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) geht davon aus, dass weniger als 15 Prozent der Mädchen in islamisch-konfessionellen Volksschulen ein Kopftuch tragen würden. "Es ist sicherlich eine symbolische Handlung", stellte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) schon zu Beginn der Debatte klar.

Genau das ist auch das Problem: Das Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen ist nichts als symbolische Politik, ein Wink nach rechts, um rechte Wähler*innen an der Stange zu halten. Das Land befindet sich aber nicht mehr im Wahlkampf, sondern es wäre höchste Eisenbahn, sich endlich mit den großen, politischen Themen der Zukunft wie Digitalisierung, Arbeitslosigkeit, Klimaschutz und Armut auseinanderzusetzen. Stattdessen konzentriert sich die rechtskonservative Regierung wieder einmal auf Symbolpolitik.

Kopftuchverbot als Ablenkungsmanöver

Das Kopftuch zu instrumentalisieren, bietet sich sowohl für die rechtskonservative Politik der ÖVP als auch für die rechtspopulistische bis rechtsextreme Agenda der FPÖ an. Es eignet sich zudem, um von den vergangenen Wochen abzulenken und die Diskussion auf ein gemeinsames Feindbild zu lenken. Denn in den vergangenen Wochen wurde in Österreich heftig diskutiert: Über die schwindende Pressefreiheit im Land, rechte Maler, Gebote für Geflüchtete und diverse sich häufende rassistische Vorfälle der FPÖ.

Es ist liegt nahe, dass es Beschwerden gegen das Kopftuchverbot vor dem Verfassungsgerichtshof geben wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass dieser Gesetze in Österreich korrigiert – wie bei der Ehe für alle. Nordrhein-Westfalen scheint vom Rechtsruck im Nachbarland ermutigt zu sein und prüft nun ein Gesetz für ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren.

Anstatt Kinder durch ein Verbot unter Druck zu setzen, sollte ein Dialog mit den Betroffenen gesucht werden. Es ist dringend an der Zeit, dem Stück Stoff endlich etwas Symbolik zu nehmen und darüber zu sprechen, wie wir generell mit Religion an Schulen umgehen wollen und zwar nicht nur im Bezug auf Mädchen, Islam und Kopftuch, sondern auch über das Kreuz an der Wand sowie über christliche Feste und Feiertage sollten wir sprechen.

Anstatt über eine unbestimmte Anzahl von Mädchen zu diskutieren, die möglicherweise ein Kopftuch im Kindergarten oder der Volksschule tragen oder tragen müssen, sollten wir thematisieren, wie wir Toleranz und Gleichstellung von Religionen und Geschlechtern in den nachfolgenden Generationen erreichen können. Die Freiheit von jungen Mädchen und Chancengleichheit für alle sind viel zu wichtige Themen, um sie als populistische Maßnahmen in politischen Trockenzeiten zu verheizen.

Anmerkung der Redaktion, 16.05.2019: Dieser Artikel erschien bereits im vergangen Jahr und wurde geupdatet.

"Was geht mit Österreich?" Mit dieser Frage beschäftigt sich unsere Korrespondentin und Exil-Österreicherin Eva Reisinger in ihrer Serie. Sie lebt halb in Berlin und halb in Wien und erzählt euch, was ihr jeden Monat über Österreich mitbekommen müsst, worüber das Land streitet oder was typisch österreichisch ist. Wenn du unseren Österreich-Newsletter abonnierst, bekommst du ihn alle zwei Wochen in dein Postfach.