Die Spitzenkandidaten der Wahl in den Niederlanden haben fast alle eines gemeinsam: Sie wollen das Land politisch nach rechts rücken. Besonders das Thema Zuwanderung und Fragen zur kulturellen Identität der Niederländer*innen führen im Wahlkampf zu extremen Aussagen. Wir stellen euch die wichtigsten Kandidaten und ihre Forderungen vor:

Geert Wilders, Partij voor de Vrijheid (PVV)

Wenn Geert Wilders in einem seiner seltenen Interviews die Themen seines Wahlkampfes vorstellt, reibe ich mir verwundert die Augen. Hat er das gerade wirklich so gesagt?

Wilders bezeichnet Marokkaner als "Abschaum, der die Straßen unsicher macht", nennt den Islam eine als Religion getarnte antisemitische Ideologie und sprach nach der Silvesternacht in Köln von einem Sex-Dschihad.

Sein Wahlprogramm Die Niederlande wieder für uns hielt er auf einer A4 Seite fest und postete es bei Twitter. Darin wirbt er für den Austritt der Niederlande aus der EU und einem Einreiseverbot für Muslime.

Krasse Forderungen, mit denen der Rechtspopulist und seine Partei PVV jedoch gute Umfragewerte erzielen. Nicht nur seine islamfeindlichen Äußerungen und seine weißblonde Haarpracht erinnern an Donald Trump. Ähnlich wie der US-Präsident, wettert auch Wilders gerne und viel auf Twitter: gegen den Islam und Muslime, gegen das politische Establishment und gegen die Europäische Union.

Das ist also der harte, rassistische Populist Geert Wilders. Doch der studierte Rechtswissenschaftler hat auch eine sozialdemokratische, tolerantere Seite. Diese zeigt sich in seinen Forderungen für den Ausbau des Wohlfahrtsstaates, niedrigeren Mieten und den besseren Schutz von Homosexuellen. Ungewöhnliche Standpunkte für einen Rechtspopulisten, die aber vor allem bei jungen Wähler*innen gut ankommen: 27 Prozent der unter 25-jährigen Niederländer*innen wollen laut einer Studie von I&O Research am 15. März für Wilders stimmen.

Doch selbst wenn der 53-Jährige die Parlamentswahl gewinnt, ist es unwahrscheinlich, dass er Ministerpräsident der Niederlande wird. Kaum eine Partei will eine Koalition mit ihm eingehen. Da es im Land aber zahlreiche Parteien und eine sehr niedrige Sperrklausel gibt, ist eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien unerlässlich, um regieren zu können.

Das weiß auch Wilders stärkster Konkurrent Mark Rutte. Er lehnt eine Koalition mit Wilders entschlossen ab. Der amtierende Ministerpräsident und seine konservative Partei Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) liegen derzeit in den Umfragen vorne.

Mark Rutte, Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD)

Bei Twitter allerdings rangiert Rutte mit nur 87,3 Tausend Followern deutlich hinter Social-Media-Profi Wilders. Rutte scheint das soziale Netzwerk erst Anfang des Jahres für sich entdeckt zu haben und noch nicht so recht zu wissen, wie man es nutzt. Auf seinem Twitter-Account finden sich nur acht Tweets, sechs davon aus diesem Wahlkampfjahr. Der Neueste ist ein Video, in dem der Ministerpräsident drei Kinder interviewt.

Auf dem YouTube-Kanal seiner Partei spricht der 50-Jährige im De Mark Rutte-Podcast mit jungen Vloggern. Stets casual gekleidet in aufgeknöpftem Hemd und ohne Sakko will Rutte beweisen, dass er interessiert an den jungen Leuten seines Landes ist. Ein charismatischer, junggebliebener Optimist. Effektiven Wahlkampf macht er mit diesen Formaten aber nicht. Die Anzahl der Views des ersten Podcasts – 25.000 – nahm in den weiteren Folgen stark ab und sank zuletzt auf wenige Hundert.

Seine eigentlichen politischen Forderungen sind radikaler als das Bild, das Rutte von sich im Internet zeichnet. Ausländer in den Niederlanden forderte er kürzlich in einem offenen Brief dazu auf, sich normal zu verhalten.

Viele von ihnen würden sich nicht an Regeln halten und somit die Niederländer*innen zwingen, ihre Werte aktiv zu verteidigen. Rutte formuliert in seinem Brief ein klares Ziel: Er will das Land "an die hart arbeitenden Niederländer zurückgeben".

So wirft also auch der amtierende Ministerpräsident alle Bürger*innen mit Migrationshintergrund in einen Topf. Rutte und seine Partei hoffen, dass sie viele der Wähler*innen abgreifen können, denen Wilders Forderungen zu krass sind. Bei einem Wahlsieg wäre dann zum Beispiel eine Koalition mit der christdemokratischen Partei CDA möglich.

Sybrand van Haersma Buma, Christen-Democratisch Appèl (CDA)

Die Partei Christen-Democratisch Appél geht mit Sybrand van Haersma Buma in den Wahlkampf. Der 51-Jährige, der in Cambridge und Groningen Jura studierte, sorgte in den internationalen Medien bisher für weniger Aufsehen als seine Kontrahenten Rutte und Wilders.

Buma und seine Partei reihen sich mit ihren Forderungen jedoch in das rechte Spektrum von VVD und PVV ein. Sie fordern, dass alle Geflüchteten ihre Staatsangehörigkeit offenlegen. Herkunftsländer, die nicht kooperieren, sollen unter diplomatischen Druck gesetzt werden.

Zwar ist der Christdemokrat Buma in seinen Plänen zum Umgang mit der Flüchtlingsfrage weniger radikal als der Rechtspopulist Wilders, droht aber ebenfalls mit einem Nexit. Er ärgert sich über die "kleinen bürokratischen Regeln" der EU und fordert, dass sie einen neuen Weg einschlägt. Eine Koalition mit Wilders schließt Buma daher nicht völlig aus. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die CDA bei einem Wahlsieg von Rutte Teil einer Minderheitsregierung wird. Buma wird abwarten, wer am Ende das Rennen macht und seine Politik vermutlich der Agenda des neuen Ministerpräsidenten anpassen.

Lodewijk Asscher, Partij van de Arbeid (PvdA)

Wer bei all dem rechten Geschwafel verzweifelt in unser Nachbarland guckt und sich fragt, ob die Regierung dort nicht schon längst und endgültig nach rechts abgerutscht ist, findet in Lodewijk Asscher einen kleinen Lichtblick.

Asschers Partei Partij van de Arbeid lässt sich mit den Sozialdemokraten in Deutschland vergleichen. Sie fordert eine "gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage", hält die Niederlande nicht für gefährdet – außer durch rechte Parteien – und verspricht Schutz für diejenigen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen.

Obwohl Asscher derzeitiger Vizepremierminister ist und die PvdA-Koalitionspartner im Parlament sitzen, sind die Prognosen für die Wahl eher schlecht. Ein Wahlerfolg der Sozialdemokraten wäre wichtig, um zu verhindern, dass die rechtspopulistische PVV an die Macht kommt. Die Niederländer*innen, die sich weder in Wilders rechtspopulistischen Parolen noch in Ruttes oder Bumas gemäßigteren Forderungen wiederfinden, könnten ihre Stimmen der PvdA geben, um dem Rechtsruck in ihrem Land entgegenzuwirken.

Der Ausgang der Wahl ist auch knapp eine Woche vorher sehr ungewiss. Ministerpräsident Rutte hat aktuell zwar gute Chancen auf einen Sieg, dass Wilders daraufhin verstummen wird ist jedoch unwahrscheinlich.

Als erste europäische Wahl im Jahr 2017 wird die Parlamentswahl in den Niederlanden der EU erste Antworten geben. Darauf, wie gefährlich Populist*innen in Europa tatsächlich sein können und ob die Europäische Union um einen weiteren Mitgliedsstaat bangen muss.