"Auf keinen Fall AfD!", Lotta, 20:

So richtig weiß Lotta, 20, noch nicht, wen sie wählen wird. "Auf keinen Fall AfD! Wahrscheinlich irgendwie Links", sagt sie. Vielleicht eine kleine Partei? Schließlich müssten auch die mal eine Chance haben, meint sie. Mecklenburg-Vorpommern ist Lottas Heimat. Sie ist in Rostock geboren, dort aufgewachsen, studiert heute BWL hier und arbeitet in der Windkraftbranche im Controlling.

"Die Stadt hat sich in den letzten Jahren sehr verändert", erzählt sie und guckt sich um. Sie kommt aus der Altstadt, hier wurde schon eine Menge zugebaut, wo einst Wiesen waren. "Heimat bedeutet für mich Familie." Für einen Job nach dem Studium wird sie Rostock wohl verlassen müssen. "Aber nicht so weit weg", sagt sie. Zu Heimat gehöre auch das Meer. Was fehlt im Land? "Politisch? Wir brauchen eine Lösung in der Flüchtlingspolitik. Das berührt mich sehr." Aber es müssten eben auch die abgeschoben werden, die nicht vor Not und Elend geflohen seien und kein Bleiberecht hätten. "Abschieben, das allerdings klingt immer so hart", sagt Lotta nachdenklich.

"Lohnsteigerung fehlt!", Mathias, 34:

"Jetzt hab' ich mein FDP-Hemd an", sagt Mathias und lacht. In seiner Mittagspause geht der Journalist "immer mal kurz in die Stadt." Der 34-Jährige kommt eigentlich aus Wittenberge in Brandenburg und das hört man auch.

Mit starkem Dialekt erzählt er von Mecklenburg-Vorpommern, was seine zweite Heimat sei. "Naja, Heimat ist da, wo man zuhause ist", sagt er. Das Land habe sich sehr verändert: Es gebe mehr Arbeitsplätze, es sei ein Tourismusland geworden. Er kennt es aus Kindertagen, als er mit seinen Eltern jedes Jahr am Plauer See Urlaub machte. So gar nicht passend zum Hemd sagt er: "Ich wähle die SPD. Sie haben genau das passende Team."

Seit 2003 arbeitet er in Rostock, wohnt aber in Güstrow. Was fehlt ihm in Mecklenburg-Vorpommern? "Lohnsteigerung", sagt er knapp. Dass es im Vergleich mit dem Westen gerecht zugehe, das werde wohl noch dauern, meint er. Dennoch: "Ich bin froh, in diesem Land leben zu dürfen."

"Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle", Anna, 27:

Ursprünglich kommt Anna aus Stralsund. Jetzt studiert sie Sonderpädagogik in Rostock. "Ich kenne hier genauso viele Stralsunder", sagt sie. Deshalb könne sie gar nicht genau sagen, was nun ihr Zuhause sei."Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle." Anna verbringt den Abend gerne im Stadthafen. Hafen – das verbindet beide Städte. An Mecklenburg-Vorpommern gefällt ihr die Ostsee und das Maritime. "Ich bin hier aufgewachsen." Was oder wen sie bei der Landtagswahl wählen werde, das will die 27-Jährige nicht sagen.

"Aber ich bin kein besorgter Bürger. Ich lasse mir kein Halbwissen über die Flüchtlingskrise aufschwatzen", erzählt sie und setzt mit ihren Fingern Anführungsstriche in die Luft. "Das ist doch keine Krise." Sie habe im Alltag weder Angst, noch fühle sie sich bedroht. Okay, Terror mache Angst, wenn man darüber nachdenke, sagt Anna, die auch gelernte Friseurin ist.

Ihre Mutter sitzt in Stralsund in der Bürgerschaft, ein politisches Interesse liegt also nahe. Wohin es sie aber beruflich verschlagen wird, werde sich zeigen. "Mit dem Staatsexamen kann man viel machen", erzählt sie. "Ich würde auch woanders hinziehen, zum Beispiel nach Sachsen oder Thüringen. Da habe ich Familie. Oder nach Schleswig-Holstein, da ist auch Meer."

"Wir sollten darauf achten, dass es den Menschen gut geht und nicht der Wirtschaft", Damir, 22:

"Du hast ja auch keine schwarzen Haare", sagt Damir als Antwort darauf, dass Rostock gar nicht so rechts wirke, wie oft behauptet wird. "In der Stadt ist Rostock sehr offen, sehr tolerant", erzählt er. Doch der Student wohnt am nordöstlichen Stadtrand, in einer Plattenbausiedlung – Toitenwinkel. Gestern Abend sei er fast mit einer Kette verprügelt worden. Einfach so, erzählt er ernst und so, als sei das gar nicht Besonderes.

Damir ist gebürtiger Kasache, seine Mutter ist Deutsche und sein Name hat einen serbisch-kroatischen Ursprung. "Im Krankenhaus hat jemand diesen Namen gesagt und meine Mutter fand ihn toll", erzählt Damir.

Wählen will der 22-Jährige, um den Rechten nicht seine Stimme zu geben – aber auch, weil er will, dass es in der Welt gerechter zugeht: "Wir sollten mehr darauf achten, dass es den Menschen gut geht und nicht der Wirtschaft", findet der BWL-Student. Ein Widerspruch? "Nein!" Eines habe er gelernt: In Deutschland gehe es uns sehr gut. Und: In der Heimat würde ihn man wohl sofort überfallen, wenn man höre, dass er in Deutschland lebe. "Da hasst man sich schon, wenn man aus einem anderen Dorf kommt."

"Ich mache mir Sorgen um die Jugend", Gisela, 69:

"Ich möchte die Zeit nicht missen, aber zurück will ich sie auch nicht", sagt Gisela. Die 69-Jährige wohnt in einem Hochhaus an den Rostocker Wallanlagen. "Aus dem 16. Stock hat man einen tollen Blick über die Stadt", erzählt die Rentnerin. Seit der Wende habe sich in der Hansestadt viel verändert. "Früher war nicht alles schlecht. Es hat uns an nichts gefehlt, denn wir wussten uns zu helfen."

In DDR hätten sie zur Wahl gehen müssen, heute sei das freiwillig. Zu dieser Zeit habe sie sich mehr für Westpolitik interessiert als für Honecker, sagt sie augenzwinkernd. "Nach der Wende habe ich SPD gewählt. Heute wähle ich Die Linke", erzählt sie bei einer kurzen Unterbrechung ihres Spaziergangs mit Hund "Mandy".

Dem Hund sei es zu warm. "Wir werden gleich wieder nach Hause gehen." Dass sie schon lange Die Linke wähle, liege auch an Gregor Gysi. "Ein toller Typ", sagt die ehemalige Fernmeldetechnikerin. Was treibt Gisela heute um? "Ich mache mir Sorgen um die Jugend. Es gibt so viele Schulabbrecher. Früher hat hier jeder eine Ausbildung gemacht", erzählt sie. Damals habe man sich auch keine Sorgen um die Zukunft machen müssen – oder dass man die Miete nicht mehr bezahlen könne. "Ich habe noch einen alten Mietvertrag. Zum Glück."

"Es kann doch nicht sein, dass Schulen geschlossen werden", Philipp, 23:

"Möchtest du ein Eis?", fragt Philipp. Er sitzt mit Freunden im Rostocker Stadthafen und genießt die Sonne. Er hat zu viel Eis gekauft und bietet nun vorbeilaufenden Passant*innen eine kleine Abkühlung an.

Philipp wird Lehrer und die Bildungspolitik im Land beschäftigt ihn. "Es kann doch nicht sein, dass Schulen geschlossen werden, weil sie so sanierungsbedürftig sind", sagt der 23-Jährige. Schon jetzt arbeitet er als Vertretungslehrer – oder als Aushilfe im Kletterpark.

Seine Fächer sind Philosophie und Sport, er ist im siebten Semester. Natürlich werde er wählen – aber nicht wählen gehen, denn er habe sich entschieden, per Briefwahl seine Stimme abzugeben. Am 4. September ist er im Urlaub in Dänemark. "Ich interessiere mich noch nicht so lange für Politik, dass ich einen Weitblick hätte", sagt er nach etwas Überlegen auf die Frage, wie sich Mecklenburg-Vorpommern aus Sicht des Rostockers entwickelt habe.

"Ich fühle mich nicht vertreten", Ilse, 40:

Ilse geht nicht wählen und ist nicht besonders politisch interessiert. "Ich fühle mich einfach nicht vertreten", sagt die 40-Jährige. Was stört sie? "Gerade in Mecklenburg – die ganzen Nazis", sagt sie "und umweltpolitische Sachen." Eine nachhaltigere Landwirtschaft würde sie sich wünschen.

Sie kann nicht nachvollziehen, dass nicht artgerechte Tierhaltung erlaubt ist. Die Schmuckdesignerin bietet jede Woche ihre Ware auf einem Kunsthandwerkermarkt in der Rostocker Innenstadt an. "Gerade neulich habe ich mich gefragt, ob mehr Wald nicht gegen den Klimawandel helfen würde." Schlecht wäre das in jedem Fall nicht, sagt sie. "Ich habe eine Distanz zur Politik", sagt sie. "Und weil eben keine Partei meinen Interessen entspricht, wüsste ich nicht, was ich wählen sollte – und warum."

"Gleichberechtigung ist mir wichtig", Anabell, 18:

Anabell darf mit 18 Jahren zum ersten Mal bei der Landtagswahl ihre Stimme abgeben. Aber so richtig weiß sie noch nicht, was sie wählen soll. "Ich habe mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht", gibt sie zu und lächelt schüchtern. Bald geht die Schule wieder los. Anabell kommt in die 12. Klasse, im kommenden Schuljahr macht sie ihr Abitur. Ursprünglich habe sie mal vorgehabt, Kinderärztin zu werden, erzählt die Gymnasiastin aus Rostock.

Jetzt soll es doch eher eine Beamtenlaufbahn sein – "im gehobenen Dienst", dazu mache sie schließlich das Abi. Sie würde sich als durchaus politisch interessiert bezeichnen. Aber das komme auch auf das Thema an. "Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist mir wichtig", sagt sie.

"Meine Mutter arbeitet in einer großen Firma. Um in ihre Position zu kommen, musste sie fünf Jahre länger arbeiten und verdient weniger als Männer in ihrem Job.", sagt sie. Auch sie habe mal einen Job nicht bekommen, weil es geheißen hätte, Jungen seien stärker "und nicht so zickig", erzählt sie. Sie würde nur eine Partei wählen, die die gleiche Meinung hat – die NPD schon mal nicht.

"Die heutige Situation ist wie die in der DDR 1989", Michael, 68:

Michael hat mit Freunden einen alten Schlepper aufgemöbelt. "Petersdorf", heißt er und liegt im Rostocker Hafen. "Hier liegen ja sonst keine Schiffe mehr, nur Boote", sagt der 68-Jährige. Der gebürtige Thüringer lebt seit 1969 in Rostock. "Im Land hat sich viel getan", sagt er.

Nicht wählen zu gehen, bringe gar nichts, ist Michaels Meinung. "Durch meine Stimme möchte ich Veränderungen herbeiführen." Besonders die sprichwörtliche Schere zwischen arm und reich beschäftigt ihn, sie gehe immer weiter auseinander. Eigentlich wolle er sich gar nicht politisch äußern, sagt der Rentner. Aber: "Die heutige Situation ist wie die in DDR 1989." Es sei ungeordnet gewesen und die Meinung des Volkes und die der Regierungspolitik gingen auseinander.

"Ohne Russland gibt es keinen Frieden in Europa", sagt er. "Aber wenn man all das sagt, wird man ja gleich in eine Ecke gestellt", sagt er, schüttelt den Kopf und winkt ab. In eine rechte? "Ja." Mit dem Schlepper geht es an diesem Sommertag noch raus auf die Warnow. Mit seinen Freund*innen fährt er Tourist*innen übers Meer. "In meiner Freizeit setze ich mich gern für das Gemeinwohl ein", erzählt Michael, der von sich sagt, ein Gewinner der Wende zu sein.

"Die AfD hat kein Konzept", Gabor, 50:

Gabor hat mit seiner Frau gerade ein paar Tage Urlaub in Dresden gemacht. Die beiden sind mit ihren Fahrrädern am Elbufer langgeradelt. Sie wohnen in Parchim, 40 Kilometer vom Landtag in Schwerin entfernt.

Gabor hat sich schon immer für Politik interessiert: "Vor allem Wirtschaftspolitik", sagt er. Das sei auch das für ihn wichtigste Thema in Mecklenburg-Vorpommern. "Wir hängen hinterher", bedauert der Familienvater und Maschinenbediener. Aber wie soll das Land das angehen?

"Wir brauchen eine Alternative", sagt er, "Aber die AfD hat kein Konzept und zerstreitet sich an der Spitze." Was seine Stimme angehe, da hadere er, erzählt Gabor bei einem Milchkaffee. "Aber CDU oder SPD – das macht ja auch keinen Unterschied." Und die Plakate, die sagen, wir bräuchten mehr Sicherheit: "Schon komisch, oder? Erst heißt es, wir schaffen das, jetzt heißt es, wir brauchen mehr Sicherheit." Für Gabor sei das nicht das zentrale Problem in Mecklenburg-Vorpommern und er betont noch mal, wie wichtig eine stärkere Wirtschaft wäre.