Es sollte eine fulminante Veranstaltung werden: Fast eine Millionen Ticket-Anfragen seien für die erste Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump nach der Corona-Pandemie in Tulsa, Oklahoma am vergangenen Wochenende reserviert worden, wie der Präsident in gewohnter Manier auf Twitter prahlte. Am Samstag blieb eine Vielzahl der Sitzplätze des insgesamt 19.000 Zuschauer*innen fassenden Stadions schließlich leer. Eine Videoübertragung außerhalb der Arena wurde abgesagt, weil die erhofften Menschenmassen nicht gekommen waren.

Mehreren Medienberichten zufolge könnte ein Grund für die leeren Ränge gewesen sein, dass viele junge US-Amerikaner*innen gezielt Tickets zu der Veranstaltung gebucht hatten, um dann bewusst nicht hinzugehen.

"Ich habe mich für die Trump Rally registriert", sagte eine jugendliche Nutzerin etwa in einem Video, das sie auf die Social-Media-Plattform TikTok hochlud. "Leider kann ich nicht gehen, weil ich krank bin." Ihren Satz unterbricht sie dabei mehrmals mit einem eindeutig vorgetäuschten Husten. Das nur privat verfügbare Video war offenbar nicht ernst gemeint und die Nutzerin hatte nie wirklich vor, die Veranstaltung Trumps zu besuchen.

Sorgten TikToker*innen für die leeren Ränge?

Videos wie diese lassen sich derzeit massenweise auf TikTok und in anderen sozialen Medien finden. Wie die New York Times berichtet, hatten viele jugendliche TikTok-Nutzer*innen und Fans koreanischer Popmusikgruppen (K-Pop) sich in einer offenbar koordinierten Aktion für den Wahlkampfauftritt registriert, aber niemals vor, zu kommen. Wie der Nachrichtensender CNN berichtet, riefen sie dazu auf, sich für den Wahlkampfauftritt mit falschen Namen und Telefonnummern zu registrieren – und dann nicht zu erscheinen.

Zuvor hatte Trumps Wahlkampfteam um deren Wahlkampfmanager Brad Parscale noch auf Twitter um Unterstützer*innen des Präsidenten gebuhlt, indem es dafür warb, sich kostenlose Tickets für die Kundgebung zu sichern. TikTokker*innen und K-Pop-Fans nutzen daraufhin offenbar diese Gelegenheit und registrierten sich für die Veranstaltung.

Die Idee zu der Aktion könnte von einer Frau aus Iowa gekommen sein: In einem TikTok-Video vom 11. Juli rief die 51 Jahre alte TikTok-Nutzerin Mary Jo Laupp dazu auf, dass Menschen die kostenlosen Tickets buchen sollten, um "sicherzustellen, dass es leere Plätze gibt". "All jene von uns, die diesen Saal mit 19.000 Sitzplätzen kaum gefüllt oder völlig leer sehen wollen, gehen jetzt Karten reservieren und lassen ihn (Trump) dort allein auf der Bühne stehen", sagte sie. Mehr als zwei Millionen Mal wurde der Clip bis jetzt aufgerufen.

Laupp, die sich selbst als "TikTok-Großmutter" bezeichnet, kritisiert in dem Video, dass Donald Trump für den Termin seiner Veranstaltung ausgerechnet den 19. Juni oder Juneteenth wählte – also den Gedenktag zur Erinnerung an die Befreiung der afroamerikanischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten aus der Sklaverei. Außerdem verweist sie auf die symbolische Bedeutung Tulsas als Austragungsort. In der Stadt wurden im Juni 1921 Schätzungen zufolge bis zu 300 Schwarze Menschen Opfer eines weißen Lynchmobs. Die Kritik hatte ihre Wirkung nicht verfehlt und Trumps Wahlkampfteam verschob die Veranstaltung daraufhin um einen Tag.

"Ihr seid gerade von Teenagern auf TikTok verschaukelt worden"

Das Video verbreitete sich daraufhin rasant auf TikTok und lud mehrere TikToker*innen zur Nachahmung ein. "Meine 16-jährige Tochter und ihre Freunde in Park City Utah haben Hunderte Tickets. Ihr seid von Amerikas Jugendlichen reingelegt worden", twitterte der frühere Wahlkampfstratege der Republikaner, Steve Schmidt, am Samstag. Auch die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez kommentierte die Aktion in Richtung Trumps Wahlkampfmanager Brad Parscale: "Ihr seid gerade von Teenagern auf TikTok verschaukelt worden."

Parscale wehrte sich indes CNN zufolge gegen die Darstellung, TikTok-User*innen seien für das Fernbleiben vieler Teilnehmender bei der Veranstaltung verantwortlich: "Linke und Online-Trolle" bildeten sich ein, einen Einfluss auf die Teilnehmer*innenzahl von Trump-Kundgebungen zu haben. Sie lägen damit aber falsch, twitterte er. Stattdessen führte er das geringe Besucher*innenaufkommen darauf zurück, dass radikale Demonstrierende die Zugänge blockierten und so Unterstützer*innen davon abgehalten hatten, die Arena zu betreten. Laut New York Times hat es in Tulsa aber nur wenige Proteste gegeben.

Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, gibt es weitere Stimmen, die bezweifeln, dass die geringe Besucher*innenzahl bei Trumps Wahlkampfauftritt auf die Aktion der K-Pop-Fans und TikTok-Nutzer*innen zurückgeht. "Wenn überhaupt, dann wurde die Besucherzahl von Brad Parscale unterdrückt", schreibt beispielsweise die amerikanische Schriftstellerin Parker Marie Molloy auf Twitter.

Ihr zufolge könnten die (wahrscheinlich erfundenen) Tweets über Hunderttausende von Registrierungen die Beteiligung gedrückt haben.

K-Pop-Bubble schon länger politisch engagiert

TikTokker*innen, aber auch K-Pop-Fans haben eine massive, koordinierte Onlinegemeinschaft, der ein spitzer Sinn für Humor nachgesagt wird. So fluteten sie kürzlich erst beispielsweise den Hashtag #WhiteLivesMatter, unter dem Nutzer*innen Rassismus und rassistische Polizeigewalt relativierten und Inhalte der extremen Rechten verbreiteten, indem sie unter demselben Hashtag diversen Content von flauschigen Kälbchen über Fotos von Avocados bis hin zu einem Waschbecken, dem man beim Trocknen zusehen kann, posteten.

Ob sie auch letztlich für die vielen leergebliebenen Plätze bei Trumps Wahlkampfveranstaltung verantwortlich waren oder nicht, scheint ihnen jedenfalls egal zu sein. In den sozialen Medien feiern sie die verpatzte Veranstaltung als großen Erfolg. mm