Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen ganz nach unten bringen. In diesem Fall war es eine kurze Nachricht: "Muss dir für heute leider absagen, sorry. Hab gerade zu viel um die Ohren. Melde mich demnächst." Ich kannte diesen Code, es war mein eigener. Natürlich würde der Typ sich nicht wieder melden. Was ein echter Verlust war, weil er irre gut küsste. Und ziemlich witzig war.

Doch weder seine Küsse noch sein Humor waren Grund genug dafür, den Rest des Tages zu einer einzigen zittrigen Raucherpause zu machen. Und nicht nur das: Sämtliche Misserfolge der letzten dreißig Jahre – inklusive meines kläglichen Scheiterns bei einem Gesangswettbewerb auf Haschkeksen – standen wie Untote wieder auf aus ihren Gräbern. Der Pickel auf meinem Kinn schillerte plötzlich in sämtlichen Farben des Regenbogens. Und selbst am Abend, beim spontan anberaumten Gruppenkuscheln mit meinen besten Freundinnen, fühlte ich mich einsam.

Die Wahrheit war: Ich brauchte es, dass sich ein Mann mit mir treffen wollte. Weil ich es brauchte, dass er mich gut fand.

Es ist verdammt geil, geil gefunden zu werden

Viele kennen diesen Zustand der leisen oder auch lauten Euphorie, wenn man feststellt: Sie*er will mich. Er*sie findet mich heiß. Besonders schön ist es natürlich, wenn dieses Empfinden auf Gegenseitigkeit beruht. Doch die Euphorie ist oft selbst dann zur Stelle, wenn der*diejenige eher von nebensächlichem Interesse für einen selbst ist. Seien wir ehrlich: Es ist verdammt geil, geil gefunden zu werden.

Gerade, wenn irgendetwas in unserem Leben schief läuft, lechzen wir aufgrund von mangelnden Beweisen nach Bestätigung der eigenen Greatness – wenn wir abgewiesen wurden, ein wichtiges Projekt verkackt oder einen Auffahrunfall verursacht haben. Nach einer unfreiwilligen Trennung tritt das in 99,9 Prozent der mir bekannten Fälle ein. Da ist der Zwang, sich durch die Gegend zu vögeln, nahezu unkontrollierbar. Wie immer gilt: Die Dosis macht das Gift. Sich eine Weile die Extra-Portion Bestätigung geben zu lassen, ist manchmal genau die richtige Therapie für ein gebrochenes Herz.

Aber manche von uns brauchen diese Bestätigung ständig. Ich bin da das beste Beispiel. Es läuft bei mir, wenn an jeder Hand fünf Typen hängen, die allesamt scharf auf mich sind. Wenn ich von Date zu Date vagabundieren und dabei fröhlich deutlich öfter nach rechts als nach links swipen kann. Dann fühle ich mich auch mit Pickel schön, auch dann talentiert, wenn was schief geht, und unfassbar intelligent.

Und damit stehe ich nicht allein. Es gibt verdammt viele Wege, um sich Anerkennung von außen zu holen. Andere Leute müssen dafür Jaguar fahren, Doppel-D tragen oder Chef*in eines DAX-Konzerns werden. Wobei gegen die Anerkennung an sich nichts zu sagen wäre. Wir Menschen sind soziale Wesen und dürsten von klein auf nach der Resonanz unseres Gegenübers. Geliebt zu sein und wertgeschätzt zu werden sind natürliche Bedürfnisse. Da geht sogar das Hirn mit und schüttet Glückshormone aus, bis es kracht. Manche von uns können diesen Zustand der Glückseligkeit einfach genießen und wieder gehen lassen. Und manche werden süchtig danach.

Ich jedenfalls wollte immer mehr davon, sobald die Wirkung nachließ. Als wäre ich ein Junkie auf Entzug, war nicht mal mehr die Brieftasche meiner Oma heilig. In diesem Zustand hätte ich glatt den Mann meiner besten Freundin vernascht oder einen meiner Auftraggeber. Und das alles nur, um mich nicht so verdammt mangelhaft zu fühlen.

Die schlechte Nachricht aus dem Mund einer befreundeten Psychotherapeutin: "In deiner Kindheit muss was schief gelaufen sein." Ein paar Minuten später fällte sie ihr Urteil: emotionale Abhängigkeit. Wären wir hier im Fernsehen, würde ich an dieser Stelle also Mama und Papa ganz lieb grüßen. Sind wir aber nicht. Und außerdem gibt es auch noch die gute Nachricht: Es braucht nicht unbedingt die Couch, um aus dieser Schleife wieder raus zu kommen. Und ich bin der lebende und inzwischen wieder ziemlich entspannte Beweis dafür.

Was du tun kannst

Du bist so ein pathologischer Fall wie ich oder einfach nur nach einer schweren Zeit auf der Dating-Droge hängen geblieben? Das sind die Dinge, die mir geholfen haben:

Face it – du hast ein Problem

Okay, hinter deinem Sofa findet man keine Schnapsflaschen. Aber sollten deine Hände anfangen zu zittern, wenn der Typ nicht innerhalb von zwei Minuten auf deine Nachricht reagiert, hast du offensichtlich ein Problem. Zeit, es laut zu sagen: "Mein Name ist … und ich bin süchtig." Und darüber in hysterisches Gelächter auszubrechen.

Halte es aus

Nichts ist in den Momenten des kalten Entzugs naheliegender, als sich davon abzulenken. Mit Tinder, Liebesschnulzen oder einer Kiste Bier – da hat jede*r ihre*seine eigenen Strategien. Der Schmerz kommt trotzdem wieder, garantiert. Um ihn wirklich loszuwerden, musst du ihn aushalten, und zwar ohne Weichzeichner. Wenn es sein muss, sperr dich in deiner Wohnung ein und schalt das Handy aus. Schau, was mit dir passiert, wenn von außen nichts kommt: Bekommst du Herzrasen? Oder Depressionen? Fühlst du dich einsam? Oder ungeliebt? Versuche, das so genau wie möglich zu lokalisieren und stürz dich rein ins Gefühl. Ist ekelhaft, ich weiß. Aber wirksam.

Erforsche dich

Was genau suchst du bei der*dem anderen: Den Beweis für deine Brillanz? Die Zuwendung, die du als Kind nicht bekommen hast? Die Legitimation für deine Existenz? Wenn du deinen inneren Mangel gefunden hast, widme dich ihm ebenso ausführlich wie dem Schmerz. Immer noch ekelhaft – immer noch wirksam.

Gib's dir selbst

Was auch immer dir fehlt: Das, was von außen reinkommt, wird nie reichen, um es zu kompensieren. Weißt du eh schon, sonst würdest du das hier vermutlich nicht lesen. Darum ist jetzt der perfekte Zeitpunkt gekommen, um dich selbst glücklich zu machen. Vermutlich wirst du ein wenig in deinem Hirn rumstochern müssen auf der Suche nach irgendetwas, was auch nur ansatzweise so schön sein könnte wie zehn Matches am Tag. Kauf dir Blumen. Fahr Riesenrad. Such dir einen neuen Job. Finde raus, was sich gut anfühlt. Notfalls gilt: Fake it 'til you make it. Sag dir so oft, was für einen hübschen Hintern du hast, bis du es wirklich spürst.

Mach die Dating-Nulldiät

Du wirst geahnt haben, wo das alles hinführen wird: In den völligen Verzicht. Nicht für immer, natürlich. Schließlich bist du kein Alki. Definiere einen Zeitraum, in dem du auf Dates und überhaupt die ganze Flirterei verzichtest, damit du ungestört üben kannst, deinen Hintern zu lieben. Tut zu weh? Keine Bange, das geht vorbei. Nach spätestens einem Monat bist du wie neugeboren. Versprochen.