Liebe Verkehrsrüpel,

wir müssen reden. Oder besser: Ihr müsst jetzt zuhören.

Der Autofahrer, den ihr am Wochenende auf der Autobahn durch aggressives Auffahren zur Seite gedrängt habt. Die Fußgängerin, die ihr letzte Woche beim Ignorieren der roten Ampel in der Stadt beinahe überfahren habt. Diese Menschen haben keine Chance, sich euch mitzuteilen. Ihr seid ja sehr schnell wieder weg gewesen, vermutlich schneller als erlaubt.

Ja, ich weiß. Ihr seid ständig im Stress. Das Leben ist nicht immer fair, wir hetzen von Termin zu Termin. Das schlaucht, ich weiß. Ich kenne euren Stress. Aber ich kenne auch die, die darunter leiden, wenn ihr das Autofahren als Ablassventil nutzt. Euer Stress rechtfertigt nicht, dass ihr das Leben anderer Menschen gefährdet. Nichts anderes tut ihr, wenn ihr euch auf der Straße benehmt, als gelte dort Anarchie und nicht die Straßenverkehrsordnung.

Ihr seid Schuld, wenn andere sich unsicher fühlen

Eine kleine Anekdote: Eine Bekannte erzählte mir vor einigen Jahren, wie ein*e Verkehrsteilnehmer*in sie zum extremen Abbremsen genötigt hatte. Sie baute deshalb einen Unfall.

Sie fuhr gemächlich auf der Landstraße durch ein Waldstück, vielleicht rund 60 Kilometer pro Stunde. Von hinten schoss ein Fahrzeug heran. Der oder die Fahrer*in drängelte ungeduldig, bis sie oder er schließlich trotz entgegenkommender Fahrzeuge zu einem riskanten Überholmanöver ansetzte. Meine Bekannte erschrak. Sie ging auf die Bremse, weil das überholende Fahrzeug sonst mit dem Gegenverkehr kollidiert wäre. Dadurch verlor sie die Kontrolle über ihren Wagen, kam von der Straße ab und landete im Graben. Glücklicherweise blieb sie unverletzt. Ihr Auto hatte einen Totalschaden.

Dieser Unfall ist ein Klassiker, wie er beinahe wöchentlich in den Zeitungen zu finden ist. Oft höre ich von Fahrer*innen, die gerne flott unterwegs sind, Argumente wie diese: "Gefährlich sind eher die Langsamem, die 'Schleicher', die Unsicheren!" Ja, vermutlich tragen sie ihren Teil dazu bei, dass der Verkehr manchmal nicht fließt. Aber: Die meisten Crashs bauen laut einer neuen Studie jene Autofahrer*innen, die besonders rücksichtslos unterwegs sind. Ihr.

Und noch etwas: Ihr tragt maßgeblich Schuld daran, dass sich unsichere Autofahrer*innen unsicher fühlen. Wie soll Sicherheitsgefühl entstehen, wenn man sich vor unberechenbaren Raser*innen fürchten muss? Euer rabiater Fahrstil macht andere nervös, sie fahren deshalb langsamer. Er raubt einem die gute Laune, die Energie, die Lust am Fahren. Etwa die Hälfte der Bundesbürger fühlt sich laut Umfragen im Straßenverkehr gestresst und nervös.

Im Netz fragen sich die Menschen: Wie geht man mit euch Grobianen um? Sollte man jede*n von euch bei der Polizei anzeigen? Das kann auch nicht die Lösung sein. Wir brauchen sicher keine Privatpersonen, die sich an Straßenkreuzungen Kennzeichen notieren.

Achtet auf euch selbst, wenn schon nicht auf Andere

Weil euer bisweilen manisch-cholerisches Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist, muss eine Frage erlaubt sein: Wo bleibt euer Verantwortungsbewusstsein? Wenn euch schon kein schlechtes Gewissen quält, wenn ihr beinahe regelmäßig Unfälle provoziert; dann hilft es euch vielleicht zu wissen, dass ihr gerade jüngeren Fahrer*innen dadurch den Mut nehmt. Dass ihr sie mit eurem persönlichen Stress ansteckt.

Erinnert euch bitte an eure Fahrstunden. Hinterfragt bitte, woher euer Stress kommt. Und sucht bitte andere Wege, wie ihr mit ihm klarkommt. Tragt eure inneren Kämpfe bitte zuerst mit euch selbst aus, nicht auf der Straße mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen. Und kämpft sie vor allem zu Ende, bevor ihr ins Auto steigt. Dann werdet ihr gelassener werden. Positiver Nebeneffekt: Ihr gefährdet dann keine Menschenleben. Auch nicht euer eigenes.