Die Kritik an der Schließung der linken Informationsplattform linksunten.indymedia wächst – auch wir kommentierten. Nun meldete sich das globale Netzwerk Reporter ohne Grenzen zu Wort: Das Verbot sei eine rechtsstaatlich gefährliche Entwicklung.

Das Innenministerium (BMI) hatte die Webseite am vergangenen Freitag verboten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärte zuvor, es handele sich um eine linksextreme Seite, deren Inhalte sich gegen die verfassungsrechtliche Ordnung richte. Die Polizei habe außerdem Waffen bei den Betreibern gefunden, was anschließend jedoch revidiert wurde – es handelt sich um eine Falschmeldung.

De Maizière griff auf das Vereinsrecht zurück. Er stufte die Betreiber als Verein ein und erklärte ihn für aufgelöst.

Die Schließung liefere repressiven Regimen Inspiration

Neben Informationen über anstehende Protestaktionen gab es auf linksunten.indymedia kritische und fundierte Berichte über Polizeigewalt sowie diverse Recherchen und Datenleaks aus der rechten Szene. Es handelte sich um die wichtigste Austauschplattform der linken Bewegung im deutschsprachigen Internet. De Maizière bezog sich mit seiner Erklärung auf das angeschlossene Forum, in dem man unter anderem Gewaltaufrufe gegen die Polizei und Bekennerschreiben von Brandanschlägen finden konnte.

Allein: diese Inhalte kamen von Nutzer*innen des Forums, also privaten Einzelpersonen, nicht den Freiburger Betreibern oder der Plattform selbst. Statt einzelne Beiträge zu verfolgen und löschen zu lassen, schloss das BMI aber die ganze Plattform.

Das kritisiert Christian Mihr, Leiter von Reporter ohne Grenzen, in einer Stellungnahme am deutlichsten: "Um gegen strafbare Inhalte auf linksunten.indymedia vorzugehen, hätte es weniger einschneidende Mittel gegeben. Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig." International sei das ein bedenkliches Signal und liefere repressiven Regimen in aller Welt einen Vorwand, es den deutschen Behörden gleichzutun.

Aufrufe zu Gewalt seien inakzeptabel, müssten gelöscht und ihre Urheber bestraft werden. Aber Pressefreiheit gelte auch für unbequeme, ja selbst für schwer erträgliche Veröffentlichungen, sagte Mihr.

Das BMI hatte linksunten.indymedia offenbar schon lange unter Beobachtung. Nach Informationen des Deutschlandradio-Hauptstadtstudios waren zwei der drei mutmaßlichen Betreiber der Website unter den 32 Journalist*innen, denen während des G20-Gipfels in Hamburg die bereits erteilten Akkreditierungen entzogen wurden.

Die Webseite meldete sich für kurze Zeit mit einem Statement zurück

Auf der Website selbst war am Wochenende für kurze Zeit ein Statement zu sehen. Unter dem Satz "Wir sind bald wieder zurück..." fanden sich Auszüge aus der Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace von Perry Barlow. Darunter: "Der Cyberspace liegt nicht innerhalb Eurer Hoheitsgebiete. Glaubt nicht, Ihr könntet ihn gestalten, als wäre er ein öffentliches Projekt. Ihr könnt es nicht."

Es scheint also, dass hinter den Kulissen an der Rückkehr der Website gearbeitet wird. Derzeit ist nur der Satz "Wir sind zurzeit offline..." zu lesen. Wann und wie linksunten.indymedia wieder zu erreichen sein wird, ist nicht bekannt.

Die Mutterseite indymedia.org veröffentlichte heute morgen einen Spendenaufruf für linksunten und kündigte für den 9. September einen internationalen Protest gegen die Schließung in Freiburg an: "Das Verbot und die Razzien, so kurz vor der anstehenden Bundestagswahl, sind ein Angriff auf die gesamte linke Bewegung in Freiburg und überall. Getroffen hat es einzelne Personen, gemeint sind wir jedoch alle."