Make-up tragen oder nicht? In regelmäßigen Abständen wird diese Frage zum Gegenstand feministischer Debatten. Sind Frauen, die sich schminken, willfährige Opfer einer männerdominierten Schönheitsindustrie und lassen sich freiwillig – Gipfel des falschen Bewusstseins – vom männlichen Blick (

male gaze) unterjochen? Oder haben Frauen, die sich schminken, nicht nur schlicht ein Recht auf freudvolle Malerei am eigenen Antlitz, sondern sogar einen Vorsprung in puncto

empowerment?

Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, so konnte man in sozialen Medien in letzter Zeit oft lesen, würden nun die Antwort auf diese Frage endlich geben. Jetzt würde sich ja zeigen, ob Frauen sich "nur für sich" schminken (also damit weitermachen) oder ob es doch eher der Blick von außen sei, der entscheidend ist, und damit nun zu Hause viele mit ungeschminkten Gesichtern herumsitzen.

Weder das eine noch das andere trifft ausschließlich zu. Es gibt viele Frauen, die schminken sich weiter wie gehabt. Weil es zu ihrer Routine gehört, weil sie sich selbst gerne mit pinken Lippen anlächeln, weil sie so ein bisschen Normalität wahren können. Und es gibt Frauen, die sind froh, wenn sie morgens ein paar Minuten mehr für einen Kaffee haben und sich abends das Abschminken sparen können. Oder eben diejenigen, die das Ganze sowieso nie verstanden haben.

Nichtsdestotrotz bietet das Gebot der sozialen Distanzierung eine Chance, unsere Einstellung zu Make-up mal zu überprüfen: Haben wir uns vielleicht doch zu sehr an geschminkte Gesichter gewöhnt und verdecken damit unsere eigene, womöglich negative, Sichtweise auf uns selbst?

Was solcherlei self-love-Fragen angeht, ist man bei der US-Sängerin Lizzo gut aufgehoben. Sie betreibt auf ihren Konzerten leidenschaftliche Lobbyarbeit für mehr Selbstliebe: "If you can love me, you can love yourself!"

Und zumindest Lizzo hat sich gerade ein kleines Make-up-Sabbatical verordnet, wie sie im Interview mit People erklärt:

"Es ist ganz cool, dass wir gerade die Möglichkeit haben, mal abzuschalten. Ich träume davon, meine Nägel loszuwerden, kein Make-up zu tragen, meinen Afro rauswachsen zu lassen und nackt im Garten rumzulaufen."

Wir werden leicht süchtig danach, uns nur aufgebrezelt zu sehen.

Denn diese Auszeit sei nicht einfach nur gut zum entspannen, sondern auch gut, um die Einstellung zu sich und dem eigenen Aussehen zu überprüfen: "Ich glaube, ich habe jeden einzelnen Tag in den vergangenen sechs Monaten Make-up getragen. Wir werden leicht süchtig danach, uns nur aufgebrezelt zu sehen." Im Februar habe sie ein paar ungeschminkte Tage gehabt und sich dabei zum Teil richtig hässlich gefühlt: "Ich hätte nie gedacht, dass mir das passiert, weil ich so eine bodenständige Person bin", sagt Lizzo.

Und da die soziale Distanz vielen Menschen psychisch ganz schön zusetzt, ist es eben wichtig, dafür zu sorgen, dass der Selbstwert nicht noch zusätzlich leidet. Lizzo will das, wie angekündigt, jetzt mit einer Make-up-Pause versuchen und mit – wie sie auf Instagram zeigt – einer Extraportion Liebe für Körperteile, die sie nicht so mag: "Selbsthass hat sich bemerkbar gemacht, aber ich denke immer daran, dass ich zu 110 Prozent that bitch bin! Lieb' euch!"