Am Montag, am 1. Juni 2020, veröffentlichte der ehemalige US-Präsident Barack Obama ein Statement zur Ermordung von George Floyd und den andauernden Protesten in den USA. Laut ihm befänden sich die USA gerade an einem Wendepunkt. Er beschreibt konkrete Schritte, mit denen die Demonstrationen zu friedlichen, nachhaltigen und wirksamen Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus führen können.

Die Protestwellen im Land würden eine echte und legitime Frustration darüber widerspiegeln, dass jahrzehntelang versagt wurde, wenn es darum ging, die Polizeipraxis und das Justizsystem der USA zu reformieren. Obama verstehe die Wut der Demonstrant*innen, fordere sie aber dringend dazu auf, sich dennoch friedlich und gewaltlos zu verhalten: "Wenn wir wollen, dass unser Strafrechtssystem und die amerikanische Gesellschaft insgesamt nach einem höheren ethischen Kodex arbeiten, dann müssen wir uns diesen Kodex selbst zum Vorbild nehmen."

Machen wir uns an die Arbeit.
Barack Obama

Proteste seien wirksame Mittel, um das öffentliche Bewusstsein zu schärfen, um auf Ungerechtigkeit aufmerksam und es den Mächtigen ungemütlich zu machen. "In der gesamten amerikanischen Geschichte  hat das politische System marginalisierten Gemeinschaften tatsächlich oft nur als Reaktion auf Proteste und zivilen Ungehorsam Aufmerksamkeit geschenkt", schreibt Obama in seinem mehr als 6.000 Zeichen langen Statement. Zudem betont er, wie wichtig es sei, zu wählen: "Die Bestrebungen müssen in konkrete Gesetze und institutionelle Praktiken umgesetzt werden – und in einer Demokratie geschieht das nur, wenn wir Regierungsbeamte wählen, die auf unsere Forderungen eingehen." Er schließt sein Statement mit den Worten "Machen wir uns an die Arbeit."

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich Barack Obama aufgrund der aktuellen Proteste in den USA zu Wort meldet. Vor wenigen Tagen veröffentlichte er auf Social Media Kommentare und Reaktionen von einigen seiner Freund*innen.

Solidarität auf der ganzen Welt

Die Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA und auf der ganzen Welt ist nach der Tötung von George Floyd durch den Polizeibeamten Derek Chavin wieder aufgeflammt. Seit einer Woche demonstrieren und trauern viele der US-Amerikaner*innen wegen rassistischer Polizeigewalt. Menschen solidarisieren sich weltweit und drücken bei Protestmärschen ihre Anteilnahme und Wut aus, viele gehen in einen symbolischen Kniefall.

Die Fußballmannschaft des FC Liverpools schloss sich dem Protest an, genauso wie viele andere Prominente. Am 2. Juni will die US-amerikanische Musikbranche mit dem Hashtag #BlackOutTuesday ein Zeichen setzen und pausieren. Mit dem Slogan "The Show Must Be Paused" wollen große Plattenfirmen zum Nachdenken anregen. "Wenn die Musik aus ist, können wir vielleicht wirklich zuhören."

Trump setzt auf Eskalation

Unterdessen verlangt US-Präsident Donald Trump ein aggressiveres Vorgehen gegen gewalttätige Demonstrant*innen. In einer Videokonferenz mit den Gouverneur*innen der Bundesstaaten empfiehlt er: "Ihr müsst dominieren. Wenn ihr nicht dominiert, verschwendet ihr eure Zeit. [...] Ihr werdet wie ein Haufen Idioten aussehen." Das Transkript des Telefonats liegt der Washington Post vor. Trump und seine Sprecherin Kayleigh McEnany machen die linke und antifaschistische Gruppe Antifa für die Gewaltausbrüche verantwortlich. Ein Statement, das die Legitimität der Proteste anerkennt, hat Trump bisher nicht gemacht.

In 15 Bundesstaaten wurden bereits mehrere tausend Soldat*innen der Nationalgarde eingezogen, tausende weitere sind einsatzbereit. Laut der Associated Press wurden seit Beginn der Proteste landesweit bereits mehr als 4.100 Menschen verhaftet, die Polizei geht teils brutal vor. Der Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen ist weit verbreitet, auch gegenüber Kindern und Journalist*innen. In New York City wurden Polizeiautos gefilmt, wie sie in eine Menge von Demonstrant*innen rasten und einige umstießen. Dutzende Journalist*innen berichteten davon, dass sie zeitweise festgenommen worden seien. Bei den Aufständen sind bisher zwei weitere Menschen ums Leben gekommen.

Doch nicht alle Polizeibeamt*innen stellen sich gegen die Protestierenden.

Autopsien im Widerspruch

Laut amtlicher Untersuchung gäbe es keine physischen Beweise, welche die Diagnose einer traumatischen Erstickung oder Strangulation als Todesursache von George Floyd stützen. Dem gegenüber steht das Ergebnis der Autopsie, die Floyds Familie in Auftrag gegeben hatte. Demnach führte der auf seinen Hals und seinen Rücken ausgeübten Druck doch zum Erstickungstod. Eine dritte, unabhängige Autopsie bestätigte das. "Die Beweise belegen das mechanischen Ersticken als gewaltsame Todesursache", sagte Gerichtsmedizinerin Dr. Allecia Wilson von der Universität in Michigan.