Der deutsche Boulevard, die mediale Verlängerung des Herrenstammtischs, zeichnet ein düsteres Bild: Der Mann ist hoffnungslos verweichlicht. Er wird sogar immer memmenhafter. Er zeigt Emotionen, interessiert sich für Frauenkram, kümmert sich um seine Mitmenschen – und pflegt sich.

Er pflegt sich, um Himmels willen! Der Mann von heute, er schwitzt und stinkt nicht mehr. Statt ständig ungefragt das Maul aufzureißen und jeden Raum einzunehmen, den er kriegen kann, handelt er weniger eigennützig und hört aufmerksamer zu. Wo sollen wir da nur hinkommen? Jedenfalls nicht in die Herrenrunde.

Für einige meiner Geschlechtsgenossen, die unglücklicherweise Texte in das Internet schreiben können, scheint es tatsächlich immer noch das Männlichste überhaupt zu sein, anderen Männern ihre Männlichkeit abzusprechen. Im Brigitte-Produkt Barbara findet sich aktuell ein besonders anschauliches Beispiel für dieses Phänomen. Der Mann, der diesen Text schrieb, argumentiert dabei, wie so oft in solchen Fällen, mit ganz großem Bullshit.

Männer, die toxische Männlichkeit propagieren, sind leider sehr arme Würste

Der Autor schreibt zum Beispiel, dass in der Dusche genau zwei Dinge stehen sollten: ein Duschgel und ein Shampoo. Wer mehr Geld für die Pflegeprodukte ausgebe als für Bier, der säße bereits "im Schnellzug ins Tal der Prinzessinnen". Männern, die sich die Brust rasieren oder sich um ihre Fingernägel kümmern, attestiert der Autor mitleidig: "(...) Mittlerweile habt ihr klammheimlich das Schmink- und Pflegeverhalten eurer Freundin beobachtet, analysiert und ganz, ganz tief verinnerlicht."

Anderes Beispiel, ähnliche Argumentationslinie: Ein sehr alter Bild-Kolumnist setzte sich Anfang des Jahres für die Spezies der animalischen "Eishockey-Männer" ein – ja, diesen Begriff hat er wirklich verwendet –, also die echten Männer, die noch ums Überleben kämpfen, nicht diese "parfümierten Arschlöcher".

Das Denkmuster, das solchen Zeilen zugrunde liegt, ist bei vielen Männern noch immer weit verbreitet: Wer als Mann einen anderen Mann entmännlicht und wahlweise als Prinzessin, Frau oder Mädchen betitelt, darf sich erhabener und geiler als der andere fühlen. Der Klassiker. Er hat schon auf dem Schulhof funktioniert, als man noch 14 Jahre alt war. Einige Männer scheinen dieses Alter nie wirklich überwunden zu haben.

Die Verfasser leben offenbar noch in einer Welt, in der das Wort Mädchen oder Frau, also Geschlechtsbezeichnungen, als Beleidigungen gelten. Und in der es als unmännlich gilt, wenn Männer auf sich selbst achten. Das ist zwar bemitleidenswert, vor allem aber selbstzerstörerisch.

Weil gerade letzteres bestimmt neu für die Autoren und alle Männer ist, die ähnlich ticken, hier eine Handreichung: Eine neue Studie aus Australien belegt minutiös, dass Männer, die sich an traditionelle Männlichkeitsdefinitionen anpassen, eher zu einem negativen Frauenbild tendieren und eher dazu neigen, sich selbst und andere zu verletzen. Das Ganze nennt sich toxische Männlichkeit.

Wer sich abwertend gegenüber seinen Mitmenschen verhält, sitzt also nicht nur im Schnellzug ins Tal der Einsamkeit. Er wird auch krank und unglücklich, wenn er sich so dümmlich benimmt. Also, Leute, springt ab und benehmt euch anders.

Einfach mal weiter als bis zur Haustür denken

Lackiert euch die Fingernägel, wenn ihr Bock drauf habt, schminkt euch, pflegt euch mit allem, mit dem ihr euch pflegen wollt. Zeigt Empathie für eure Mitmenschen, bemüht euch um Gleichberechtigung, weint, wenn ihr weinen müsst. Zeigt Verletzlichkeit.

Das schließt sich übrigens mit gar nichts aus. Ihr könnt gleichzeitig eure Kumpelfreundschaften pflegen, Bier saufen, Fußball lieben, schnelle Autos abfeiern, zocken, Metal hören und auch sonst alles tun, was als Männeraktivität gilt. Alles ist für alle da, alles funktioniert nebeneinander.

Ihr Männer, die von anderen als unmännlich betitelt werdet, geht raus, probiert euch aus, hinterfragt immer Altes, lasst Neues zu, findet euch und das Wichtigste: Tut all das mit einer Selbstverständlichkeit, die andere Männer staunen lassen. Zeigt ihnen, wie beflügelnd es sein kann, sich offen, sensibel und reflektiert durch die Welt zu bewegen. Und dass es gut ist, dass 1960 vorbei ist.

Man kann Männer nicht zwingen, weiter als bis zu ihrer Haustür zu denken. Man kann es ihnen aber vorleben und so langsam in den Kopf massieren. So lange, bis sie es verstehen. Sie werden es uns danken.