Er erinnert ein bisschen an einen kleinen Jungen, dem gerade seine Eiswaffel in den Dreck gefallen ist: Dem CSU-Politiker Alexander Dobrindt scheint es schwer zu fallen, die Contenance zu wahren, als die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka ihn kritisch zu seinem am 4. Januar veröffentlichten Gastbeitrag in der Tageszeitung Die Welt befragt.

In dem dem Beitrag mit dem Titel Wir brauchen eine bürgerlich-konservative Wende fordert der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag unter anderem eine "konservative Revolution" in Deutschland: "Wir brauchen den Aufbruch in eine neue, konservative Bürgerlichkeit, die unser Land zusammenführt, unsere Wertegemeinschaft stärkt und unsere Freiheit verteidigt." Die Mehrheit in Deutschland lebe bürgerlich.

Moderatorin Marietta Slomka nimmt im heute journal nicht nur den Text, sondern auch den Politiker selbst mit gezielten Nachfragen auseinander und macht deutlich, wo die Schwachstellen in Dobrindts Thesen zu finden sind. So fragt sie etwa, ob Helmut Kohl denn nichts erreicht hätte oder warum er sich jetzt in seinem Text an den Achtundsechzigern abarbeiten müsse. Dobrindt verneint das zwar umgehend, kommt aber dann auf Protestwähler*innen zu sprechen und erklärt: Die Mehrheit der Deutschen lebe bürgerlich, fühle sich aber vom "linken Meinungsmainstream" nicht repräsentiert.

Deutschland ist nicht Prenzlauer Berg" – Alexander Dobrindt

Slomka bezweifelt, dass dieser sogenannte Meinungsmainstream ein bürgerliches Leben verhindere. Dabei bezieht sie sich auf eine Aussage Dobrindts – "Deutschland ist nicht Prenzlauer Berg" – und muss dem Politiker anscheinend erst mal erklären, was der Prenzlauer Berg eigentlich ist und welche Menschen dort leben: "Da wohnen nun vor allem Familien mit Kindern, die so bürgerlich sind, dass selbst ein Eiscafé Ärger wegen Ruhestörungen bekommt."

Slomka interessiert vor allem, gegen wen Dobrindt eigentlich eine Revolution anführen wolle. Vielleicht gegen die kinderwagenschiebende Klischee-Familie? Dobrindt beantwortet diese Frage nicht konkret und führt an, dass Linksparteien ja schließlich viele Stimmen an die AfD verloren hätten. Slomka kontert: "Die Frage ist, ob man Protestwähler zurückgewinnt, indem man die Parolen einer Protestpartei übernimmt" – schließlich spreche Dobrindt in seinem Text ja von einer Revolution.

Slomka erklärt dem Politiker, was denn eine Revolution eigentlich per definitionem sei: ein Aufstand, eine Systemveränderung, ein radikaler Wandel. Und sie bedeute eben nicht: "Wir wollen wieder ein bisschen bürgerlicher werden." Die Moderatorin fragt gezielt: "Sind Sie sicher, dass das deutsche Bürgertum eine Revolution möchte?" Dobrindts Antwort kommt etwas unbeholfen daher. Er versucht zunächst, das Wort Revolution abzuschwächen, führt an, dass man ja schließlich auch von einer digitalen Revolution spreche und Slomka eine "Überinterpretation" in den Begriff lege, die er nicht teile.

Das lässt die Moderatorin so nicht stehen und entgegnet schlicht, dass die digitale Revolution tatsächlich eine Revolution war, denn sie hat das Leben der Menschen grundlegend verändert. Sie fragt weiter: "Richtet sich ihr Aufruf zur Revolution auch gegen Frau Merkel?" Das verneint Dobrindt kurzangebunden.

Gutes aus der Vergangenheit?

Slomka möchte es genauer wissen und fragt, ob Dobrindt denn all die "Errungenschaften von Rot-Grün" zurückdrehen möchte? Damit meint sie beispielsweise, dass homosexuelle Politiker*innen sich nicht mehr verstellen müssen oder dass außereheliche Kinder nicht mehr das Karriere-Ende in einer christlichen Partei bedeuten. Der Politiker versucht, sich zu entziehen und zitiert den ehemaligen CSU-Politiker Franz-Josef Strauß: "Konservativ heißt, an der Spitze der Bewegung zu sein." Außerdem möchte er das "Gute aus der Vergangenheit bewahren" – was genau er damit meint, bleibt offen.

Als Marietta Slomka sich zum Schluss für das Gespräch bedankt, lässt Dobrindts "Ja, gerne" ein bisschen länger auf sich warten. Wahrscheinlich hat er mittlerweile selbst erkannt, welche Schwachstellen in seinem Text klaffen. Die Netzgemeinde feiert Slomka jedenfalls für ihre Härte, für ihre cleveren Fragen und die Art und Weise, wie sie Dobrindt sieben Minuten lang auflaufen lässt. Auch Politiker*innen beteiligen sich an der Debatte.