Marzahn-Hellersdorf feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag. Im damit jüngsten Bezirk Berlins wohnen jedoch die ältesten Menschen: Die Einwohner*innen hier sind im Schnitt 43,5 Jahre alt, Tendenz steigend. Kein Berliner Viertel altert so schnell wie die einst 1979 in der DDR erbaute Großwohnsiedlung. Nicht gerade attraktiv für junge Menschen, oder doch?

Das wollte Fotograf Stefan Weger herausfinden und hat sich für sein Projekt Vom Kommen, Bleiben und Gehen mit jungen Menschen in Marzahn-Hellersdorf getroffen, die "nichts wie raus wollen" oder sich so verwurzelt fühlen, dass sie auch nach ihrem Schulabschluss bleiben.

Statt im Bezirk umherzuirren, schreibt er im Vorfeld junge Menschen* da an, wo sie sich am ehesten aufhalten: auf Instagram. Viele von ihnen posten Bilder aus dem Viertel und vertaggen diese mit #marzahn, #kienberg oder ähnlichem – so findet sie Weger.

Als er sich mit einem seiner Porträtierten vor Ort verabreden möchte, fragt er ihn, ob sie sich in einem Café treffen wollen. Daraufhin hätte der gelacht und gesagt: "In welchem Café? Wir haben die strammdeutsche Eckkneipe, einen Italiener und das Eastgate." Die Infrastruktur im Kiez ist mit der in Vierteln wie Kreuzberg oder Mitte überhaupt nicht vergleichbar.

Das Stadtteilbild Marzahn-Hellersdorfs ist geprägt von Plattenbauten und vergleichsweise vielen Grünflächen. "Der Kienberg ist ein großes Ding bei den Jugendlichen", sagt Weger. Schon bevor hier 2017 die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) stattgefunden habe, hätten sich viele Teenies rund um den Berg getroffen, um "abzuhängen, ein Bierchen zu trinken oder rumzuknutschen."

Wegziehen oder bleiben?

Weger fotografiert zwischen März und Oktober 2018 insgesamt 16 junge Menschen im Großformat. Mit allen trifft er sich bis zu drei Stunden. So zum Beispiel mit der 19-jährigen Sabrina. Die Berufssoldatin wohnt zwar jetzt in Lichtenberg, fährt aber nach wie vor zum Tanzen nach Hellersdorf. Hier verabredet sie sich mit ihren Freundinnen Alenka (18) und Angelina (16). Alenka studiert in Potsdam, wohnt aber noch im Kiez, Angelina besucht die 11. Klasse einer Marzahner Schule. Noch wohnt sie bei ihren Eltern im Bezirk und ist sich noch nicht sicher, ob sie wegziehen oder bleiben möchte.

Bao will auf alle Fälle wegziehen, sobald er es sich leisten kann. Der 20-Jährige lernt derzeit in einem Bio-Supermarkt in Schöneberg. Lehramtsstudent Ben hingegen ist gerade erst nach Marzahn-Nord gezogen, dem Teil Marzahns, den man gemeinhin "als schlimmsten" bezeichnet, wie Weger sagt. Dem 20-Jährigen mache die Lage nichts aus, er fühle sich sehr wohl in der Umgebung.

"Ich habe festgestellt", zieht Weger sein Fazit, "dass tatsächlich mehr Leute bleiben oder später zurückkommen wollen, als ich angenommen hatte, und mir die vielen Besuche gezeigt haben, dass der Bezirk viel weniger mit Beton vollgestellt ist, als man gemeinhin annimmt."

Die Bilder der Serie Vom Kommen, Bleiben und Gehen sind noch bis zum 29. März 2019 als Teil der Ausstellung Fernwärme im Schloss Biesdorf zu sehen.

*Hinweis: Für alle Treffen und Aufnahmen mit Minderjährigen wurde zuvor die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten eingeholt.

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