Hach ja, der gute alte Sportunterricht. Kniebeuge, Völkerball, Ristgriff, Kammgriff, Zwiegriff, Kreuzgriff und Ellgriff am Reck – positive Erinnerungen an den grauen PVC-Boden der Turnhalle und die Umkleidekabinen, die irgendwo in den 70er-Jahren festzustecken scheinen, dürften vermutlich die wenigsten haben.

Auf Twitter kursiert zurzeit ein Bild, das eben diese Folterinstrumente unserer Kindheit zeigt. Doch anstatt sich an blaue Flecke, gezerrte Bänder oder das mahnende "RUNTER VOM MATTENWAGEN!" der Lehrer*innen zu erinnern, scheint den meisten Twitter-User*innen beim Anblick des Bildes sofort ein ganz bestimmter Geruch in die Nase zu steigen. Ihr wisst schon: diese Mischung aus Käsefüßen und Gummi, die unser Gehirn seit unserer Schulzeit wohl irgendwo abgespeichert hat, und die nun wieder ins Gedächtnis zurückgerufen wird.

Dass wir beim Betrachten von Bildern in der Lage sind, auch andere sensorische Informationen wieder aufrufen zu können, ist kein Zufall. Doch woher kommt diese starke emotionale Bedeutung von Gerüchen; und warum riechen manche Dinge für die meisten so gut? Der Mediziner und Biologe Hanns Hatt, der an der Ruhr-Universität in Bochum erforscht, wie Gerüche auf Menschen wirken, hat ze.tt diese Frage für einen anderen Artikel schon einmal beantwortet.

Emotionen und Düfte

Die Nase liefert ihre Informationen über den Riechkolben in das Gedächtniszentrum und in das Emotionszentrum. Fühlen wir uns in dem Moment, in dem wir etwas riechen, wohl und geborgen, speichert das Hirn den Geruch gemeinsam mit dieser Emotion ab. Wenn wir ihn dann wieder riechen, ist die Erinnerung an den damaligen Zeitpunkt wieder präsent – und an das damalige Gefühl.

Diese Bedeutung von Gerüchen lasse sich aus der Evolution ableiten, erklärt der Wissenschaftler. Der Geruchssinn stellte sicher, dass wir uns lange an das erinnern, was in der Urzeit am wichtigsten war: Nahrung. "Die Nase half zu unterscheiden, ob Essen gut oder schlecht war." Auch für die Kommunikation zwischen Lebewesen, etwa zur Fortpflanzung, spielte die Nase eine Hauptrolle.

Es war also schon vor langer Zeit überlebenswichtig, Informationen, die mit Gerüchen verbunden sind, sehr lange parat zu haben. Das ist noch heute so. "Das Gehirn speichert Bilder mit Düften im Gehirn fast zehnmal länger ab als nur Bilder", erklärt Hatt.

Dabei ist es nicht wichtig, welche Erinnerungen konkret zurückbleiben, sondern in welchen Kontext sie gesetzt werden. Der Geruch einer Sporthalle etwa löst in uns eine Zeitreise in die Kindheit aus, mit all den Gefühlen von damals. "Für die meisten Menschen sind die ersten Jahre die Zeit der Geborgenheit und Unbeschwertheit und der Fürsorge der Eltern", sagte Hatt. Und zu diesen positiven Heimatgefühlen gehören auch immer Gerüche – und zwar für jeden Menschen andere.

Doch immer kämen noch spezielle Komponenten aus dem Elternhaus dazu. Oft ist das der Geschmack von Gerichten aus der Kindheit. Menschen sagen dann häufig ‚So schmeckt Heimat‘ und meinen damit eigentlich das Aroma der Speisen.

Die Gerüche von früher bleiben bis ans Lebensende im Gedächtnis

Denn im Vergleich zu unserer Nase sind die Zunge und der Geschmackssinn ziemlich armselig. Während die Nase rund eine Million verschiedene Gerüche wahrnehmen kann, kommt die Zunge auf gerade mal fünf Geschmacksrichtungen. "Mit Erinnerungen sind sie nicht verknüpft", sagte Hatt. Das Wissen über die Wirkung von Heimatdüften wird zum Teil in der Therapie Demenzkranker angewandt. Oft reagieren diese Menschen nicht mehr auf visuelle Reize, erkennen Angehörige nicht mehr oder schauen durch die Person durch, die mit ihnen spricht. "Da wird heute sehr viel versucht, über Düfte mit ihnen zu kommunizieren."

Dabei würde man vor allem Düfte einsetzen, von denen man etwa über Angehörige weiß, dass die Erkrankten daran positive Erinnerungen haben. "Man kann sie damit einreiben und löst so positive Gefühle in ihnen aus." Solange das Gedächtnis funktioniert, ist auch die Erinnerung an die Geborgenheit der Kindheit gespeichert. Die Gerüche von früher – sie bleiben bis an unser Lebensende.