Seit Januar 2019 gibt es in Deutschland offiziell drei Geschlechtseinträge: weiblich, männlich und divers. Schon weitaus länger wird eine Diskussion um den Begriff Gender, also das englische Wort für Geschlecht, geführt. Wissenschaften wie die Geschlechterforschung, Studiengänge wie Gender Studies und viele Menschen und Personengruppen setzen sich dafür ein, dass der Gender-Begriff neu gedacht, umgedacht, erweitert wird: dafür, dass Gender mehr als Mann oder Frau bedeutet, dass biologisches und soziales Geschlecht nicht eins sein müssen, dass Männer keinen Penis, Frauen keine Vagina haben müssen, dass nicht nur Frauen schwanger werden können oder dass binäre Geschlechtskategorien gänzlich abgelehnt werden können.

Auch die US-amerikanische Fotografin Chloe Aftel beschäftigt sich mit dieser Thematik und porträtiert in dem Fotoprojekt Genderqueer Menschen, die sich nicht als Mann oder als Frau identifizieren. "Non-binary, genderfluid, genderqueer, androgyn, agender – es gibt ganz unterschiedliche Arten, sich selbst zu identifizieren und jede hat ihre eigene Bedeutung", schreibt sie auf ihrer Webseite. Mit Hilfe der Fotos versucht sie, sich diesen Bedeutungen anzunähern. Sie kommt den Menschen dabei sehr nah, begleitet sie und fängt intime, ehrliche Momente im Leben der Fotografierten ein. Im Interview mit ze.tt erklärt die in Los Angeles lebende Fotografin, wie sie auf die Idee zu Genderqueer kam und was genderqueer für sie selbst bedeutet.

ze.tt: Chloe, was inspiriert dich?

Chloe Aftel: Ich liebe es, Bilder zu machen, die eine Geschichte erzählen, die ein Gefühl von Ort und

Charakter vermitteln – ohne dass sie dir vorgeben, was du darüber zu denken hast.

Wie bist du auf die Idee zur Fotoreihe Genderqueer gekommen?

2012 habe ich Edie, die auch auf dem Cover des Fotobuchs zu sehen ist, kennengelernt. Ich fand sie unglaublich. Sie war nicht eindeutig männlich oder weiblich, sie war damals schon genderqueer und beschäftigte sich damit, was das eigentlich bedeutet. Ich war beeindruckt, wie natürlich es schien, nicht ausdrücklich männlich oder weiblich zu sein, sondern verschiedene Bereiche dazwischen bei sich selbst zu entdecken. Ich wusste, dass andere Menschen sich auch so verstehen und wollte wissen, was das bedeutet.

Was ist Gender für dich?

Das ist eine komplizierte Frage. Ich denke, dass Gender zwei Extreme hat, männlich und weiblich, aber die meisten Menschen liegen irgendwo dazwischen. Viele Menschen kleiden, präsentieren und verstehen sich selbst als etwas, das aus vielen Teilen besteht. Es ergibt also Sinn, dass dies auch dazu beitragen würde, das eigene Geschlecht zu verstehen.

Worum geht es dir bei Genderqueer?

In dem Projekt geht es um die genderqueere Community. Es ist eine Gruppe von Menschen, die sich nicht als ausdrücklich männlich oder weiblich verstehen, sondern als etwas dazwischen, abseits des Binären. Wie sich die Menschen selbst sehen, kann sich entwickeln und verändern, manchmal täglich, manchmal über Jahre hinweg. Es gibt Menschen den Raum, verschiedene Arten des Seins auszuprobieren und zu entdecken, was passt und sich richtig anfühlt. Im Kern geht es in dem Fotobuch darum, herauszufinden, wer man eigentlich ist.

Wie hast du die Menschen für deine Fotos gefunden?

Das war ein echter Aufwand: Von Social Media über persönliche E-Mails bis hin zu Telefonaten mit Freund*innen von Freund*innen. Ich wollte so viele und diverse Personen wie möglich finden, um die Community so gut wie möglich zu repräsentieren. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich mit jeder einzelnen Person zu unterhalten, um ein besseres Gespür für das Bild zu bekommen, aber auch um die Community zu verstehen.