Meine Mutter dürfte sich noch sehr gut an diesen Tag vor etwa zwanzig Jahren erinnern, als sie fast ihren Sohn verloren hätte. Ich war damals zu klein, um die Tragweite zu begreifen. Aber sie litt tagelang unter dem Vorfall, schreckte in den darauffolgenden Nächten unter Tränen hoch.

Wir waren gerade zu Besuch bei Familienfreund*innen in Amsterdam und bummelten durch die Stadt. Ich tapste in meinem kindlichen Leichtsinn voraus, war mit mir beschäftigt. In meinem Tunnelblick entging mir, dass direkt vor mir ein S-Bahnübergang war und die Bahn sich mit einer Affengeschwindigkeit näherte. Also lief ich weiter. Erst als ich realisierte, dass meine Mutter und unsere Freund*innen schrien, blieb ich stehen und drehte mich zu ihnen um. In diesem Moment schoss die S-Bahn hinter mir vorbei, vielleicht einen halben Meter entfernt.

Es hätte da vorbei sein können mit mir. War es aber nicht. Viele Menschen tragen eine solche Geschichte mit sich herum. Oft rettete nur ein weiterer Zufall ihr Leben. Wir haben sie gebeten, uns anonym davon zu erzählen:

Wie ging noch gleich diese Bauernregel zur Abstandsmessung eines Gewitters? Das dachte ich noch, als ein Blitz 30 Meter neben mir in einen Baum einschlug und ich zu Boden ging."

"Ich war im Wald mit meiner Cousine. Ich stand zwischen zwei Bäumen und hörte wie etwas fällt, mit einem Ton wie im Comic. Ich weiß nicht warum, aber ich ging einen Schritt zur Seite, als nur wenige Sekunden später ein oberschenkeldicker Stamm auf den Boden knallte – dort wo ich zuvor stand. Vielleicht hat mein Opa auf mich aufgepasst und mich den Schritt zur Seite gehen lassen."