Versorgerin, Businesswoman, MILF – Mütter sollen heute alles sein. Dass darunter ihr Wohlbefinden leidet, ist kein Wunder. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt: In den sieben Jahren nach der Geburt eines Kindes verschlechtert sich das mentale Wohlbefinden von einem Drittel aller Mütter deutlich. Es handelt sich um eine "substanzielle Verschlechterung". Das Unwohlsein der befragten Mütter äußert sich in drei Dimensionen: mentaler Stress, stressbedingter und sozialer Rückzug, depressive Verstimmungen und Angstgefühle.

Ja, ja, und ja. Ich kenne all das und die meisten meiner Freundinnen, die Mütter sind, ebenfalls. In meinem Kommentar Das Unwohlsein der modernen Mutter habe ich davon erzählt. Von dem Druck, der auf uns lastet, alle Erwartungen erfüllen zu müssen. "Ich habe nicht den Anspruch an mich, all diese Erwartungen zu erfüllen", schreibt Kathrin auf Facebook zu meinem Text. Aber geht das überhaupt, sich von gesellschaftlichen Erwartungen wirklich frei zu machen?

"Das Individuum, das sich den Normen und den Erwartungen entziehen kann, ist eine Illusion", sagt der Soziologe Marco Giesselmann vom DIW. Die Ablehnung auf Perfektion abzielender Mutterschaftsideale schützt nicht vor Schuldgefühl und mentalen Beeinträchtigungen als Folge sozialer Erwartungshaltungen. Eine Mutter, die sich komplett den gesellschaftlichen Erwartungen entziehen kann, gibt es nicht. Wie also können die gesellschaftlichen Leitbilder für Mütter verändert werden?

Eine Mutter, die sich komplett den gesellschaftlichen Erwartungen entziehen kann, gibt es nicht."

"Beim Individuum anzusetzen ist falsch", sagt Marco Giesselmann. Das DIW schlägt im Zuge der Studie zwei Dinge vor: Den Ausbau des Kinderbetreuungssystems und die Abschaffung des Ehegattensplittings. Beides sind konkrete Vereinbarkeits- und Entlastungsmaßnahmen für Eltern. "Sie können nicht nur der Chancengleichheit von Frauen und Männern dienen, sondern auch zum Abbau traditioneller Mutterschaftsideale und folglich verbesserten psychoemotionalen Lebensbedingungen von Müttern", heißt es in der Studie. Beide Maßnahmen sind auch potentielle normative Anker einer Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und ihrer Werte.

Dass es institutionelle Reformen braucht, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, wissen auch die ze.tt-Leserinnen. Im Gegensatz zu den Lesern haben sie Vorschläge geschickt, was sich jetzt ändern muss. Und zwar ganz konkrete Vorschläge. Visionäre Vorschläge, die das Leben von Familien verbessern würden – Vorschläge, die realistisch umsetzbar sind und Vorschläge, die sich zum Weiterdenken eignen.

Mehr Geld für Kinder

Ein gutes Leben mit Kindern ist teuer. Damit die soziale Schere nicht auf den Schultern von Kindern ausgetragen wird, gibt es einige Ideen: Doppeltes Elterngeld für Alleinerziehende, Grundsicherung für Kinder, weniger Bürokratie rund um die Beantragung von Elterngeld, kostenfreie Schulmaterialien für alle Kinder, bedingungsloses Elterngrundeinkommen, kostenlose Kitas, in denen das Personal gerecht entlohnt wird, Wohnungen, die für Familien in unterschiedlichen Konstellationen bezahlbar sind. Gleiches gilt für den Start des Lebens von Kindern, eine flächendeckende Hebammenbetreuung muss nachhaltig sichergestellt und finanziert werden.

Gute Arbeitsbedingungen für Eltern

Damit Vereinbarkeit gelingen kann, braucht es Arbeitsbedingungen, die sich den Bedürfnissen von Familien anpassen. Weg von der Präsenzarbeitszeit, hin zur Vertrauensarbeitszeit oder zu anderen, freieren Konzepten mit mehr Selbstbestimmung. Mehr Krankentage für Kinder, an denen Eltern sich frei nehmen können, wenn das Kind krank ist. Vollzeitbeschäftigung für alle Sorgeberechtigten von 30 Stunden pro Woche, bei gleichbleibendem Urlaubsanspruch und gleichem Gehalt. Eine steuerfinanzierte Rente. Selbstverständliche Elternzeiten für Mütter und Väter, die von Arbeitgeber*innen angeboten werden, statt von Eltern eingefordert. Ein Neudenken von Führung, Arbeitszeit und Leistung.

Gerechte Verteilung von Care-Arbeit

Damit die gerechte Verteilung von familiärer Care-Arbeit gelingen kann, braucht es gerechte Bedingungen der Lohnarbeit. Väter sollen Mütter nicht "unterstützen", sie sollen Verantwortung übernehmen, genau wie Mütter. Und ja, dafür braucht es dann auch mal Väter, die zwei Jahre Elternzeit nehmen. Oder mehr. Und Unternehmen, die das selbstverständlich unterstützen und Arbeitgeber*innen, die Rollenvorbilder sind.

Wertschätzung von familiärer Vielfalt

Bye-bye heteronormative Kleinfamilie. Familie ist noch viel mehr: Ein-Eltern-Familien, Patchwork- und Regenbogen-Familien, Familien aus nicht-monogamen und LGBTQ-Kontexten, Adoptiv- oder Pflege-Familien. Familiäre Vielfalt sollte als gesellschaftlicher Wert anerkannt werden. Politik sollte Rahmenbedingungen schaffen für Menschen, die für andere Menschen Verantwortung übernehmen. Bürokratische Barrieren müssen aufgelöst werden.

Solidarität

Mütter brauchen Solidarität, von anderen Müttern, aber auch von anderen Menschen. Bei der Arbeit von kinderlosen Kolleg*innen, von Arbeitgeber*innen, von ihren Partner*innen, von Nachbar*innen. Solidarität von Menschen, die vielleicht gerade nicht unter dem Mental Load zusammenbrechen. Solidarität von Menschen, die ihre Stimme erheben, wenn Mütter leise sein müssen, weil ihre Kinder vielleicht gerade schlafen.