In deinen Zwanzigern machst du dir noch mächtig davor in die Hose: Ü30-Partys, die komischerweise immer noch Musik aus den Achtzigern spielen. Niemand will dort hin. Wer zur Hölle verlangt denn auch von dir, zu einer schlechten Party zu gehen? Wenn du auf die peinliche Pop-Hymnen stehst, geschenkt.

Aber sieh’s mal so: Beschissene Musik hast du auch mit 18 schon gehört. Jetzt bist du älter und brauchst dich nicht mehr zu schämen, wirklich gute Musik zu hören, nur weil dein Tune gerade nicht auf YouTube gehyped wird.

Anstatt deine hartverdiente Patte für Streaming-Dienste auszugeben, investierst du sie klugerweise in etwas vernünftiges zu Essen. In deiner Küche findet sich mittlerweile eine respektable Sammlung an Küchenutensilien und unaussprechbaren Gewürzen, mit denen du deine Freunde regelmäßig auf eine kulinarische Reise schickst. Vorbei die Tage, an denen Einladungen auf der Couch mit Flips und South Park-Marathons enden.

Keine*r kann dir mehr was erzählen

Gottseidank ist alles, was mit "binge", dem übermäßigen Konsum, zu tun hat, für dich nun Teil einer beschämenden Vergangenheit, die du selbst nur in den raren Momenten äußerster Trunkenheit anderen Personen offenbaren wirst. Ein*e echte*r Dreißiger*in brüstet sich nicht mit "wilden Zeiten". Sie oder er lächelt milde, wenn Jüngere aus dem Club erzählen und denkt sich nur: Wenn die wüssten.

Deine Selbstsicherheit geht nun auch so weit, dass du dir beim Sprechen mit besonders attraktiven Menschen nicht ständig am Kopf kratzen oder deine Haare kringeln musst. Mit buddhistischer Gelassenheit spinnst du die Geschichten deines Lebens und musst auch nicht mehr nur so tun, als hättest du die Reife mit Löffeln gefressen, weil du in der Schulzeit zweimal umgezogen bist und deine Mutter dich schon mal mit in die Kneipe auf einen Schnaps eingeladen hat.

Mittlerweile bist du ein bisschen rum gekommen und weißt, dass die Welt weder so gefährlich noch so aufregend ist, wie sie sagen.

Es wird unglaublich spannend

Doch verloren hat die Welt ihren Zauber noch lange nicht. Wie könnte sie auch? Gab es denn jemals spannendere Zeiten?

Europa erfindet sich gerade neu

und braucht Leute wie dich, damit nicht alles wieder in die Hose geht. Wem das nicht reicht, für den hat die ganze Welt einen wahren Reichtum an dramatischen Apokalypsen zu bieten: Überhitzung, Überflutung, Übervölkerung – um nur einige zu nennen. Der perfekte Zeitpunkt also, ihr ein paar Ideen unterzujubeln.

Es wird Leute geben, die Dir sagen, die beste Zeit deines Lebens sei nichtsdestotrotz unwiederbringlich verloren. Es werde Ernst für dich. Familie. Wohneigentum. Rentenversicherung. Wie müde du lächeln wirst im Angesicht dieser überholten Klischees! Diesen Irrglauben kannst du mit deiner Freiheit selbst widerlegen. Und selbst wenn. Dann hast du halt eine Familie. Keiner behauptet, dass du leben musst wie die mutlosen Spießer und Nörgler, die nichts besseres zu tun haben, als den Umständen wie dem Alter oder der Gesamtsituation alle Schuld zu schenken.

Klar. Es wird Momente geben, an denen du dir die Freuden der Naivität aus deinem früheren Leben zurückwünschen wirst. Doch so schön wie die Liebe ohne Narben, die Eroberung erster Souveränität und der Reiz des Unbekannten auch war. So tief vermochten sie alle es auch, dich fallen zu lassen.

Gut so. Denn ohne Schmerz keine Weisheit. Die Zukunft ist groß und du bist es jetzt auch. Es gab nie eine bessere Zeit, 30 zu sein. Die beste Zeit deines Lebens.