Stell dir vor, du sollst dir die Reihenfolge eines gemischten Kartenstapels mit 52 Blatt in der schnellstmöglichen Zeit merken und später korrekt wiedergeben. Heftig? Der Deutsche Simon Reinhard, 38, hält den Weltrekord in dieser Disziplin des Gedächtnissports mit 21,9 Sekunden.

Du hast sogar schon Schwierigkeiten, dir deine eigene Handynummer zu merken und denkst deshalb, das ist unmöglich? Stimmt aber nicht. Im Fachmagazin Neuron schreiben Forscher*innen, dass sich nahezu jedes Hirn auf ein ähnliches Niveau wie das von Gedächtnisprofis wie Reinhard bringen lässt.

Die magische Methode ist uralt

Die Methode dafür ist mehr als 2.500 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Griechenland und nennt sich Loci. Der Trick dahinter: Man verknüpft die Zahlen oder Wörter, die man sich merken möchte, mit etwas Bekanntem, das schon im Gehirn abgespeichert ist.

Nehmen wir an, du möchtest dir die Handynummer eines Freundes merken, die beispielsweise 0176 354 876 12 lautet. Dann könntest du dir vorstellen, du betrittst deine Wohnung. Der Griff zum Schlüssel in der Hosentasche ist die Null, der Moment, in dem du den Schlüssel in das Schloss steckst die Eins, das Öffnen der Tür die Sieben, Schuhe ausziehen die Sechs und so weiter. Auch der tägliche Arbeitsweg oder Level von Computerspielen können als Gedankenstütze funktionieren.

Um zu zeigen, dass damit auch Ungeübte sehr schnell auf das Niveau der Champs kommen, verglich ein Forscher*innenteam aus den USA und den Niederlanden 23 Topscorer aus den World Memory Championships mit Normalos. Wie zu erwarten, schnitten die Gedächtnissportler*innen zunächst besser ab.

Zum Beispiel sollten sich beide Gruppen eine Liste mit 72 Wörtern merken und sie 20 Minuten später wiedergeben. 17 der 23 Profis schafften das fehlerfrei, bei den Normalos war im Durchschnitt schon nach 40 Wörtern Schluss. An mehr konnten sich Ungeübte einfach nicht erinnern.

Das Forscher*innenteam untersuchte die Gehirne beider Teilnehmer*innengruppen und war überrascht, dass es keine Unterschiede zwischen Superhirnen und normalen fand.

Das Überraschende war, dass wir so gut wie keine Unterschiede feststellen konnten.
Martin Dresler, Donders Institute for Brain, Cognition and Behavior in the Netherlands

Die Teilnehmer*innen der Memory Championships bestätigten den Befund des Forscher*innenteams. Sie gaben an, nicht als Champs geboren worden zu sein. Vielmehr hätten sie gelernt, sich Strategien zurechtzulegen, mit denen sie sich schnell viel merken konnten.

Gelernt ist gelernt

Um herauszufinden, wie gut diese Strategien funktionieren, teilte das Forscherteam im zweiten Teil der Studie 51 Untrainierte in drei Gruppen auf. Die erste Gruppe übte sechs Wochen lang täglich mit Loci, die zweite Gruppe trainierte mit einer anderen Gedächtnismethode und die dritte Gruppe machte gar nichts.

Nach den sechs Wochen unterzog das Forscherteam die drei Gruppen erneut dem 72-Wörter-Test. Die Loci-Gruppe zeigte eine "beeindruckende Gedächtnisleistung", sagte Dresler der Washington Post. Die beiden anderen Gruppen hatten dagegen kaum oder gar keine Fortschritte gemacht. Selbst Monate nach dem Sechs-Wochen-Training war die Loci-Gruppe noch imstande, die Ergebnisse zu wiederholen. Wer die Methode einmal drauf hat, vergisst sie offenbar nicht wieder.

Den Grund für die Wirksamkeit sieht Dresler in der Evolution bedingt. "Es war nie wichtig, sich irgendwelche Zahlen oder Nummern zu merken. Wichtig war vielmehr sich zurechtzufinden und zu wissen, wo man sich verstecken oder Nahrung finden konnte. Unser Gehirn ist deshalb gut darin, sich solche Informationen zu merken."