In knapp einem Jahr wird in den USA gewählt. Und auch wenn wir als Deutsche da natürlich nichts zu melden haben, werden die Wahlvorbereitungen auf der anderen Seite des Atlantiks auch von hier aus schon jetzt genau beobachtet. Neben Hillary Clinton und Donald Trump taucht ein Name immer wieder auf Nachrichtenseiten und in Timelines auf: Bernie Sanders.

Bernie (heißt eigentlich Barnard) Sanders ist 74 Jahre alt und seit 2007 Senator von Vermont, einem winzigen Staat in der nordöstlichen Ecke der USA. Davor war er 16 Jahre lang Abgeordneter im Repräsentantenhaus und in den 80er Jahren Bürgermeister der Stadt Burlington. Nun will Bernie Präsident werden. Und er bezeichnet sich als "demokratischer Sozialist".

"Mein demokratischer Sozialismus baut auf dem Erfolg vieler anderer Länder der Welt auf, die ihren Job viel besser gemacht haben als wir, wenn es darum geht, die Bedürfnisse ihrer Arbeiter zu vertreten, ihrer älteren Mitbürger, ihrer Kinder, Kranken und Arme", sagt Bernie. Jahrzehntelang macht ihn diese Einstellung zum radikalen Außenseiter.

Doch auf einmal kommen Zehntausende zu seinen Auftritten, die meisten sind junge Menschen. Und das, obwohl man den US-Amerikanern ja nachsagt, dass sie Angst vor Sozialisten haben. Laut einer Umfrage könnten sich die US-Amerikaner sogar eher einen Muslim im Weißen Haus vorstellen als einen Sozialisten. Und trotzdem tauchen nun rote Fahnen mit Hammer und Sichel auf Bernies Wahlkampfveranstaltungen auf, Junge und Alte jubeln ihm zu, sogar manche Republikaner mögen ihn – die Angst vor dem Sozialisten scheint nicht mehr so groß zu sein.

Der Grund ist einfach: Was Bernie heute vor Menschenmassen sagt, forderte er schon vor vierzig Jahren. Während andere Politiker ihren Wählern nach dem Mund reden und mal für, mal gegen Steuersenkungen oder Kriegseinsätze stimmten, ist Bernie seinen Überzeugungen zum größten Teil treu geblieben. Bernie fordert seit Jahrzehnten eine Revolution – die für viele Europäer kaum revolutionär klingen dürfte. Er fordert nämlich Regelungen, ohne die wir in Deutschland gar nicht mehr leben wollen.

1. Bildung für alle

In den USA verlassen jedes Jahr die Universitäten mit horrenden Schulden. Bildungskredite von rund 100.000 Dollar sind nicht selten. Die Zinsen für diese Kredite sind deutlich höher als Kredite für ein Auto oder ein Haus. Bernie fordert deswegen, die Studiengebühren an allen öffentlichen Hochschulen abzuschaffen. Als positives Beispiel führt er auch Deutschland an und meint, dass gute Bildung die Wirtschaft und die Demokratie stärkt. Und das müsste die Amerikaner doch überzeugen. "Höhere Bildung ist eine strategische Investition in die Zukunft unseres Landes. Bildung sollte ein Recht sein, kein Privileg."

2. Gesundheitsversorgung

Rund 45.000 US-Amerikaner sterben jedes Jahr, weil sie keine Krankenversicherung haben und die Behandlungskosten und Medikamente selbst nicht bezahlen können. Bernie will die "internationale Peinlichkeit" beenden, dass die USA als reiches, westliches Land ihren Arbeitern keine kostenlose Gesundheitsversorgung und auch keinen Mutterschutz garantiert. "Es darf kein Privileg sein, krankenversichert zu sein. Ich weiß nicht, was radikal daran sein soll, zu fordern, dass kranke Leute zum Arzt gehen dürfen."

3. Klimaerwärmung

Die USA sind nicht gerade als umweltbewusstes Volk bekannt. Bernie fordert, von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umzusteigen und die Umwelt endlich konsequenter zu schützen. "Wenn die Umwelt eine Bank wäre, hätten wir sie schon längst gerettet."

4. Strafrecht

In den USA sind im Augenblick weit über zwei Millionen Menschen im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land. Schon für den Konsum von Marihuana kommt man in einigen Staaten hinter Gitter. Bernie fordert, das Justizsystem zu reformieren – und Marihuana endlich zu legalisieren. "Wer mit Marihuana erwischt wird, kriegt eine Vorstrafe, die ihn lebenslang stigmatisiert. Die Banker, die die Welt 2007/2008 an den Rand des Abgrunds geführt hätten, erhielten keine Vorstrafen - sondern einen Bonus."

5. Kriegseinsätze

Bernie ist kein Pazifist. Er hat für den Afghanistan-Krieg gestimmt und fordert auch einen militärischen Einsatz gegen den IS. Dabei sollen die Amerikaner aber nicht – wie sonst immer – vorpreschen, sondern lediglich unterstützen.

"In erster Linie müssen sich muslimische Länder dem IS entgegenstellen – mit Unterstützung ihrer globalen Partner."

6. Waffenrechte

Schon wieder gab es einen Amoklauf in den USA. 353 waren es in diesem Jahr. Die Betreiber von shootingtracker.com müssen ihre Seite manchmal mehrmals täglich aktualisieren. Gegen den schnellen Amoklauf gäbe es eine einfache Lösung: Das Waffenrecht verschärfen. Doch da macht Bernie leider nicht mit. In seinem Heimatstaat Vermont gibt es viele Jäger. Vermutlich wollte er die nicht vergraulen, als er im Kongress gegen schärfer Waffengesetze stimmte und sich 2005 für ein Gesetz einsetzte, das Waffenhersteller und -händler vor Schadensersatzansprüchen schützt, falls ihre Waffen zu kriminellen Zwecken verwendet werden. Opfer von Amokläufen und ihre Angehörigen können damit die Hersteller nicht mehr verklagen, die Waffen wie etwa Maschinenpistolen produzieren. "Wenn morgen die schärfsten Waffengesetze erlassen werden, glaube ich dennoch nicht, dass sie einen großen Einfluss auf solche Tragödien haben werden."

7. Reichtum

Bernies Lieblingsthema ist der Reichtum weniger und die Armut vieler. 99 Prozent des Einkommens geht in den USA an das oberste Prozent der Bevölkerung. Die 20 reichsten US-Amerikaner besitzen mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Auch wenn gerade im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gern darauf verwiesen wird, dass ja jeder für seinen eigenen Reichtum arbeiten kann, wird immer deutlicher, wie unrealistisch diese Einstellung ist. Menschen, die trotz mehrere Jobs die Studiengebühren für ihre Kinder nicht bezahlen können, kann man wohl kaum Faulheit vorwerfen. "Ein Land kann moralisch und wirtschaftlich nicht überleben, wenn so wenige so viel haben und so viele so wenig besitzen. Wir brauchen ein Steuersystem, dass die Milliardäre zur Kasse bittet und das die obszöne Ungleichheit in Amerika verringert."

Ein Großteil der US-Bevölkerung würde von kostenlosen Universitäten, bezahlter Elternzeit und bezahlten Krankentagen profitieren, würden Bernies Forderungen wirklich umgesetzt. Das dürfte aber noch eine ganze Weile dauern – falls es jemals so weit kommt. Zuerst muss sich Bernie gegen Hillary Clinton durchsetzen, die ebenfalls Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden will. Die ersten Präsidentschafts-Vorwahlen finden dann am 1. Februar 2016 in Iowa statt, im November 2016 wird schließlich der nächste Präsident der USA gewählt.

Ob Bernie ins Weiße Haus einzieht, müssen wir nur leider den Amerikanern überlassen. "Wenn wir eine moralische, gerechte Gesellschaft werden wollen, müssen wir den Armen beistehen und uns den Reichen und Mächtigen entgegenstellen".