Proteste sind ziemlich lässig. Bisschen abhängen, bisschen Schildchen hochhalten, bisschen die Welt verbessern. Noch 'ne Pepsi öffnen und dem Polizisten in die Hand drücken – alles easy! Kein Pfefferspray, kein Schlagstock, kein Stress.

Leider ist die Realität ganz anders als in der Werbung: Im echten Leben protestieren Menschen, weil sie und andere immer noch aufgrund ihrer Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität oder Herkunft diskriminiert oder sogar getötet werden. Bei den Protesten geht es nicht zimperlich zu. Da werden gewaltsam Blockaden aufgelöst, Protestierende geschlagen und mit Pfefferspray angegriffen.

Wie kommt Pepsi also auf die Idee, einen Protest als lässig und easy zu inszenieren? Weil sich Unternehmen auch im Jahr 2017 immer noch gern die Messages und Energien politischer Bewegungen aneignen und zweckentfremden. Oder sie reproduzieren rassistische Bilder selbst. Zwei aktuelle Beispiele:

Der Fall Pepsi

Was war zu sehen?

Am Dienstag veröffentlichte Pepsi den umstrittenen Werbespot, der nach nicht einmal 24 Stunden aus dem Netz genommen wurde. Zu sehen waren attraktive, gut gelaunte junge Menschen, die aussehen sollten, als ob sie protestierten. Sie hielten Schilder mit unspezifischen Sprüchen wie Join the conversation. Die Protestierenden lachten, klatschten, umarmten und high-fivten sich. Hihi, haha, protestieren ist so witzig.

Am Höhepunkt des Spots überreichte Kendall Jenner – als weiße Frau – unter dem Jubel anderer Protestierender einem Polizisten eine Pepsi, woraufhin er anerkennend grinste. Ende gut, alles gut, Rassismus besiegt.

Was wurde kritisiert?

Die Szene mit Kendall Jenner referiert auf Ieshia Evans, die sich im Juli 2016 Polizist*innen im Sommerkleid entgegenstellte (ze.tt berichtete). Das Bild ist ikonisch für die Black-Lives-Matter-Bewegung und die dazugehörigen Proteste in den USA geworden.

Der Werbespot verhamlose die Spannung zwischen der Polizei und den (schwarzen) Protestierenden, so Kritiker*innen. Ieshia Evans habe keine Freundschaft mit der Polizei schließen wollen – sie habe sich ihnen entgegengestellt. Pepsi habe Bilder von ernsten Protesten umgedeutet und zweckentfremdet, um seine Produkte zu verkaufen. Mit den Bildern spiele das Unternehmen zudem die Gefahren, denen Protestierende ausgesetzt sind und den Frust, den sie spüren, herunter.

Auf Twitter machten viele Nutzer*innen ihrer Wut mit sarkastischen Tweets Luft:

Wie reagierte das Unternehmen?

Pepsi entschuldigte sich am Mittwoch mit den Worten: "Pepsi hat versucht, eine Nachricht der Einheit, des Friedens und des Verständnisses zu vermitteln. Wir haben ganz klar die Zeichen übersehen und entschuldigen uns. Wir hatten nicht vor, ernste Themen leicht aussehen zu lassen."

Der Fall Nivea

Was war zu sehen?

Im Fall Nivea geht es um ein Plakat, das erst für Irritation und dann für Aufruhr sorgten. Auf dem einen ist eine Frau im weißen Bademantel zu sehen. "Weiß ist Reinheit" sagt der dazugehörige Slogan.

Was wurde kritisiert?

Viele prangerten den Rassismus des Plakats an und fühlten sich bestätigt, als rechtsgesinnte Nutzer*innen aus der Werbung eigene rassistische Memes erstellten. Die Werbung wurde neben Pepe the Frog, einem Cartoon, der antisemitisch und rassistisch verwendet wird und als Maskottchen der US-amerikanischen Alt-Right-Bwegung gilt, gepostet. "Nivea ist auf unserer Seite" hieß es dazu.

Einige Nutzer*innen stellten infrage, ob in der Marketingabteilung von Nivea auch nur eine schwarze Person sitzt, die auf den Fauxpas hätte aufmerksam machen können – wenn es sonst niemand merkte. Bereits 2011 hatte es Kritik für ein Plakat gegeben, das einen schwarzen Mann mit dem Spruch "Re-zivilisiere dich" zeigte.

Wie reagierte das Unternehmen?

In einer Mitteilung entschuldige sich Nivea. Die Werbung sei nicht "rassistisch unsensibel" gemeint. Der betreffende Social-Media-Post wurde am Dienstag gelöscht und die gesamte Kampagne eingestellt.

Mehr Gehirn, bitte!

Rassismus ist real, auch im Jahr 2017. Solange Menschen jeden Tag diskriminiert, bedroht oder getötet werden, weil sie nicht weiß sind, gehen Menschen auf die Straße. Und solange Unternehmen nicht checken, was sie für einen Mist verbreiten, gehen Menschen deswegen an die Decke. Richtig so.

In Zeiten von Polizeibrutalität und Rechtsruck in den USA und vielen Ländern Europas müssen Unternehmen Verantwortung für die Bilder übernehmen, die sie verbreiten. Sie müssen sensibler mit Rassismus und Diskrimierung umgehen. Sie müssen aufhören, politische Bewegungen für ihre Zwecke auszuschlachten. Sie müssen denken, bevor sie werben.

Nein, die Kritik an diesen Spots ist nicht kleinlich. Nein, das muss man nicht mit Humor nehmen.

Wer meint, dass das mimimi ist, hat selbst keine Diskriminierung erlebt oder kennt niemanden, der sie kennt. Wer über minimales Einfühlungsvermögen verfügt, erkennt: Das geht nicht.