"Einen Cappuccino, bitte" – "Für hier oder to go?". Kein ungewöhnlicher Wortwechsel an der Theke eines Kaffeehauses. Bei Natascha im Winterfeldt Schokoladen-Café entscheiden sich viele, ein Weilchen zu bleiben. Auf einem Silbertablett wird der Kaffee dann in filigranem Porzellangeschirr an einen der kleinen Holztische gebracht, ein stilles Wasser gibt es gratis dazu. Der urige Rückzugsort am Winterfeldtplatz im Berliner Stadtviertel Schöneberg erinnert an eine Zeit, in der man sich für den Kaffeegenuss eine Auszeit nahm.

Doch nicht jede*r hat die Muße, den Kaffee in heimeliger Atmosphäre und in aller Ruhe zu genießen. "Natürlich bieten wir auch Kaffee to go an. Wir sind zwar kein typisches Take-Away-Café, doch auch zu uns kommen Kund*innen, die nur schnell einen Espresso abholen." Natascha weiß, dass der Sofort-Service an der Theke heutzutage erwartet wird: Von etwa 162 Litern Kaffee, die jede*r Deutsche im Schnitt jährlich konsumiert, trinken wir immerhin 5 Prozent aus dem Wegwerfbecher unterwegs, ergab eine Studie der Deutschen Umwelthilfe.

Ein Lifestyle mit düsterer Schattenseite

Lange gibt es den To-go-Trend noch nicht: Erst Mitte der 1990er kamen die Pappbecher kurz vor den US-amerikanischen Coffeeshopketten nach Deutschland – und haben seitdem nicht nur die Kaffeehäuser erobert, sondern leider auch die Abfalleimer. Schnell wurde der Kaffee to go von einer bejubelten Sensation zu einem Umweltproblem. So werden für die Herstellung der Becher aus Papierfasern fortwährend Bäume gefällt, da die Produzenten in der Regel nicht Recycling-, sondern Neumaterial verwenden.

Schnell wurde der Kaffee-to-go von einer bejubelten Sensation zu einem Umweltproblem."

Der benutzte Becher kann wiederum auch nicht restlos recycelt werden, die vermeintlichen Pappgefäße bestehen nämlich nicht ausschließlich aus Papier. Ohne ihre Kunststoffbeschichtung bliebe wohl höchstens ein Espresso bis zum letzten Schluck im Becher. 40.000 Tonnen Müll sammeln sich so im Laufe des Jahres auf den Verbrennungshöfen in Deutschland an. 40.000 Tonnen Müll allein durch Einweg-Kaffeebecher.

Recup – die Lösung des Abfallproblems?

Dass Unmengen an nur schwer recycelbarem Abfall nicht der Preis für rund 15 Minuten Kaffeegenuss sein darf, brachte Fabian und Florian auf eine Geschäftsidee: Mehrwegbecher für den Kaffee to go. "An meiner Uni gab es keine Tassen, nur Pappbecher für den Kaffee. Die Mülleimer sind komplett übergequollen", erinnert sich Fabian an seine erst kürzlich beendete Studienzeit zurück. "Da wurde mir klar: Es muss doch eine Alternative geben."

Etwa zeitgleich, an einer anderen Universität, beschäftigt sich auch Florian mit der Pappbecher-Problematik. Eine gemeinsame Freundin und der Zufall brachte das kreative Duo schließlich zusammen. Ende 2016 ging ihr Unternehmen Recup an den Start. Mit einem Verleihsystem von Kunststoffbechern, die Cafés für einen Euro Pfand den Kaffeetrinker*innen mitgeben, wollen Fabian und Florian die Pappbecher allmählich überflüssig machen und somit Abfalleimer und Umwelt dauerhaft entlasten. Ist der Cappuccino ausgetrunken, wandert der Plastikbecher nicht mehr in den Müll, sondern geht zurück an ein beliebiges Café, das diesen gegen den Pfand annimmt, spült und wieder ausgibt. So die Idee.

Und die Alternative zu Pappe heißt wirklich Kunststoff?

Ideal sei das Prinzip noch nicht, das gibt Fabian offen zu. Die Plastikbecher werden zwangsläufig auf Basis von umweltbelastendem Erdöl hergestellt. Doch Bio-Material, die einzig denkbare Alternative, lässt sich momentan noch nicht komplett recyceln. "Polypropylen, der Kunststoff, den wir verwenden, ist immerhin mit vergleichsweise wenig Energieaufwand zu produzieren und auch wieder zu recyclen", rechtfertigt Fabian die Materialwahl von Recup. "Und nichts ist stabiler, langlebiger und zugleich leichter als Polyproylen. Außerdem ist es geschmacksneutral."

Der Kunststoffbecher von Recup folgt also dem Prinzip des geringsten Übels. Die Frage nach einem umweltfreundlicheren Verschluss für den Becher to go soll hingegen schon bald beantwortet sein: "Wir planen, einen wiederverwendbaren, stabileren Deckel auf den Markt zu bringen, der dann in den Cafés – natürlich auf freiwilliger Basis – erworben werden kann", berichtet Fabian von dem anstehenden Projekt.

Recup in der Praxis

In sieben Städten sind die Mehrwegbecher inzwischen im Umlauf. Seit Mai 2017 beliefert Recup auch Cafés in Berlin – darunter das Winterfeldt Schokoladen-Café von Natascha. "Wir haben schon bei einem ersten Pilotprojekt teilgenommen, im Frühjahr kam dann Recup wieder auf mich zu. Seitdem sind wir Partner", für Natascha stand gar nicht zur Debatte, nicht an dem Mehrweg-Pfandsystem teilzunehmen. "Wenn man ein Angebot bekommt, im Zuge dessen man so einfach Gutes tun kann, nehme ich das natürlich gerne wahr."

Vermutlich beginnt gerade eine neue Kaffee-Ära und die Pappbecher werden bald Kultobjekt, so etwas wie die Vinyl-Platten der 2010er."

Noch läuft der Verleih der Mehrwegbecher allerdings nur mäßig. "Es machen in der Gegend hier einfach zu wenige mit", beklagt die junge Geschäftsführerin. Zum einen ist Recup bei den Kund*innen noch nicht genügend etabliert, zum anderen gibt es aber auch zu wenige Cafés, in welchen sich der einmal erworbene Pfandbecher wieder zurückgeben lässt. Darum muss Natascha die Einwegvariante momentan noch anbieten. Irgendwann wird sie aber ganz darauf verzichten können, davon ist sie überzeugt: "Vermutlich beginnt gerade eine neue Kaffee-Ära und die Pappbecher werden bald Kultobjekt, so etwas wie die Vinyl-Platten der 2010er."

Pappbecher als das Vintage-Produkt der Zukunft?

Warum nicht, wünschenswert wäre es jedenfalls, und vielleicht auch gar nicht so abwegig. Natascha erinnert sich noch gut an ihre erste Begegnung mit dem Kaffee to go außerhalb US-amerikanischer Fernsehserien: "Ich war das erste Mal in New York und habe mir für den Kaffee unterwegs extra einen Porzellanbecher besorgt". Es schien so verlockend, wie in einer kultigen Hollywoodserie mit einem Becher heißem Kaffee in der Hand durch den Central Park zu spazieren.

Heute muss Natascha über ihren zerbrechlichen Erwerb schmunzeln. Und doch lässt sich in der Absicht, das beliebte Heißgetränk aus einem wiederverwendbaren Statement-Becher zu genießen, durchaus ein erster Prototyp von Recup erkennen. Denn ob edles Porzellan, stabiles Plastik oder zukünftig sogar ein recycelbares Naturmaterial – die Idee hinter dem Mehrwegbecher to go hat großes Trendpotenzial.

Einzig die vielleicht größte Hürde lässt sich wohl auch in Zukunft nicht ganz so einfach regeln: Wohin mit dem schmutzigen Becher, wenn gerade kein Recup-Partner-Café in Sichtweite ist? Dieses Manko eines etwas höheren Aufwands – inklusive schlimmstenfalls ein paar Kaffeeflecken in der Handtasche – kann dann wohl nur das gute Gewissen aufwiegen: Man tut ja etwas für die Umwelt.