Jedes Jahr kommen an jeweils zwei Tagen im Februar und Mai hunderte junge Leute nach Köln, um sich an der einzigen Sporthochschule Deutschlands zu bewerben. In 20 Einzeldisziplinen treten die Bewerber*innen an. Wer eine Prüfung nicht besteht, bekommt ein Defizit, beim zweiten Defizit fliegt man aus der Prüfung. Turnen, Schwimmen, Leichtathletik, Mannschaftssport, Rückschlagspiele wie Badminton oder Tischtennis – in Köln werden sportliche Allrounder gesucht. Bei den Aufnahmeprüfungen fallen jährlich über 50 Prozent der Bewerber*innen durch.

Viele Sportler*innen trainieren monatelang für den Eignungstest. Der Traum vom Sportstudium in Köln treibt auch Veit Schopper aus Regensburg an. Der Unterschied zwischen ihm und anderen Sportler*innen: Veit hat nur einen funktionierenden Arm und ein funktionierendes Bein. Seit einem Unfall ist er links oberschenkelamputiert, der linke Arm ist gelähmt. Seitdem muss er eine Prothese tragen. Er hat BWL studiert, den Traum vom Sport aber nie aufgegeben.

Die Deutsche Sporthochschule Köln bietet für Sportler*innen mit Handicap keine Veränderung des Eignungstests an. Veit muss dieselben Disziplinen vor den Fachleuten der Hochschule ablegen, wie alle anderen Bewerber*innen auch. Aber: Veit darf weiter am Test teilnehmen, auch wenn er zwei Fehlversuche oder mehr hat.

Die Rektoratsbeauftragten für Studierende mit Behinderung, Prof. Dr. Thomas Abel (47) und Dr. Anke Raabe-Oetker (52), beobachten ihn während der Prüfung. Sie beurteilen, ob ein*e Sportler*in eine Disziplin eher wegen der Behinderung nicht bestanden hat oder wegen fehlender sportlicher Fähigkeit. Beispiel Basketball: Entweder man weiß, wie man den Ball richtig wirft und hat wegen einer Behinderung eine schlechtere Trefferquote – oder man hat keine Erfahrung im Basketball und wirft deshalb schlechter als die anderen Bewerber*innen. Raabe-Oetker erklärt: "Nach der Beobachtung legen wir unser Gutachten dem Rektorat der Sporthochschule zur Entscheidung vor, das dann entscheidet, ob die Bewerber zugelassen werden oder nicht".

Derzeit studieren rund 30 Menschen mit einem anerkannten Grad der Behinderung an der Deutschen Sporthochschule, im Februar bewarben sich fünf weitere. Dr. Raabe-Oetker schätzt den Anteil der Studierenden, bei denen allgemein eine Beeinträchtigung vorliegt, auf acht bis zehn Prozent. "Manche unserer Studierenden kommen beispielsweise mit einer Stoffwechselstörung, Amputationen oder einer Hörschädigung zum Eignungstest. Es gibt aber natürlich auch Studierende, bei denen eine chronische Erkrankung während des Studiums auftritt. Von physischen und psychischen Krankheiten kann sich niemand frei machen – auch nicht die Sportler."

Veit ist langsamer als die anderen und kann bei manchen Übungen gar nicht antreten. Man merkt ihm an, dass ihn das stört. "Eigentlich habe ich in jeder Disziplin Schwächen", sagt Veit. "Ich weiß, dass ich mit denen ohne Handicap nicht mithalten kann – es wäre auch bekloppt, zu denken, dass ich das kann."

"Ich hätte das nicht überleben dürfen"

Vor zehn Jahren ändert sich für Veit auf einer bayerischen Landstraße sein ganzes Leben. Gerade mal 16 Jahre alt, brauste er mit seinem Motorrad über die Fahrbahn, zwei Autos kommen ihm entgegen. Das Hintere will überholen, schert aus. Der Wagen rast in Veits linke Seite, trifft seinen Arm schwer, reißt den Unterschenkel ab. Veit hat nichts falsch gemacht. Mit lebensgefährlichen Verletzungen kommt er ins Krankenhaus. Stundenlange Operationen, 24 Liter Bluttransfusionen. Veit meint: "Ich hätte das eigentlich nicht überleben dürfen."

Einen Tag nach dem Unfall wacht Veit aus dem Koma auf. Sein erster Gedanke: "Mein Bein ist weg!" Er macht zehn Wochen Reha, ziemlich kurz für jemanden mit Veits Verletzungen. Heute sagt er dazu: "Der Unfall war wie eine Neugeburt. Plötzlich ist man wieder Säugling und muss vieles von vorne lernen. Das hat mich schon verändert."

Zehn Jahre nach seinem Unfall kämpft sich Veit durch die Aufnahmeprüfung an der Sporthochschule. Die vorletzte Prüfung des Tages findet in der Schwimmhalle der Sporthochschule statt: Springen, Tauchen, Schwimmen. Knapp sieben Stunden Sport haben Veit und seine Mitbewerber*innen jetzt hinter sich.

Dann die letzte Prüfung: der Abschlusslauf im Stadion über 3000 Meter. Es ist schon längst dunkel, als Veits Gruppe an den Start geht. Runde für Runde läuft er konzentriert, nur einmal gerät er wegen seiner Sportprothese ins Stolpern. Als er ins Ziel kommt, ist er erleichtert und hundemüde. Noch an der Ziellinie sagt er: "Ob das Rektorat mich nun nimmt oder nicht, ist mir gerade total egal. Hauptsache, ich habe es geschafft! Das war einfach eine geile Erfahrung!"

Und was sagt das Rektorat? Thomas Abel und Anke Raabe-Oetker sind mit Veit zufrieden: "Herr Schopper war hochmotiviert und hat sich ausführlich vorbereitet." Veit hat bestanden und wird bald Sport an der Kölner Sporthochschule studieren.