Nicht jede*r trifft ständig rationale Entscheidungen. Manchmal werden wir von Gefühlen überwältigt und es kommt zu Kurzschlusshandlungen. Völlig normal. Bei mehr als 83 Millionen Einwohner*innen in einem Land ist das Potenzial hoch, dass irgendjemand mal etwas Schräges anstellt. Um diese Menschen und jene, die sich nicht an Gesetze halten, kümmern sich Beamt*innen der Polizei.

Etwa 3.700 Menschen wählen allein in Berlin jeden Tag die 110, die Notrufnummer der Einsatzleitzentrale. Etwa die Hälfte dieser Anrufe resultiert in sogenannten eilbedürftigen Einsätzen. Das bedeutet, das Anliegen wird direkt an einen Funkwagen weitergegeben, der dann zum Einsatzort fährt – bei Bedarf mit Blaulicht und Sirene. Die Einsätze sind mal mehr, mal weniger dramatisch. Von nervigen, aber harmlosen Nachbar*innen über Ladendiebstahl bis hin zu lebensbedrohlichen Auseinandersetzungen kann alles auf der Tagesordnung stehen.

Und dann gibt es noch die Einsätze der besonderen Art. Die, welche einen tragikomischen Beigeschmack haben. Wo die Polizist*innen vor Ort nicht wissen, ob sie lachen oder einfach nur den Kopf schütteln sollen und sich am Ende vielleicht sogar als Teilnehmer*innen bei Versteckte Kamera zu wissen glauben. Wir stellen euch drei der skurrilsten Fälle der vergangenen Wochen vor.

Die mit der Pizza warf

Fast genau zwei Monate waren Gaststätten in Nordrhein-Westfalen wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Und weil täglich selbst zu kochen auf Dauer mühsam ist, ließen sich in dieser Zeit viele Hungrige vermehrt von Lieferdiensten beliefern. So auch eine Dame aus Aachen, die zum Abendessen Pizza bestellen wollte.

Die Auswahl war schnell getroffen. Hauptsache auf die Pizza kommt keine Salami. Das war das Wichtigste. Nun war allerdings der Hunger und die damit verbundene Ungeduld zu groß, um sich ausführlich mit den teils komplizierten Pizzanamen auseinanderzusetzen. So mutmaßt es zumindest der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aachen im Nachhinein im Gespräch mit ze.tt. Denn wie sich später herausstellen sollte, hatte die Dame ihre Essensauswahl dann doch zu voreilig und unaufmerksam getroffen.

Eine Zeit später klingelte es an der Haustür. Der Pizzabote. Vor der Tür stand ein 29-jähriger Mann, der wie unzählige Male zuvor das bestellte Essen übergab und das Geld entgegennahm. Er war schon wieder auf dem Weg zu seinem Roller, als ihn die Frau zurückzitierte. Sie hatte nach dem Öffnen des Kartons unter anderem die eine Zutat auf der Pizza entdeckt, die sie nicht ausstehen konnte: Salami! Damit konfrontierte sie den Lieferanten.

Dieser hielt dagegen, die Frau glaubte ihm nicht. Der Bote zückte den Ausdruck der Onlinebestellung und bewies so die Richtigkeit der Salami auf der Pizza, doch die Frau glaubte ihm nicht. Der Bote rief im Pizzarestaurant an, holte sich den Chef ans Telefon und ließ sich die Bestellung ein zweites Mal bestätigen. Die Frau ließ sich nicht überzeugen. Ein Hin und Her entstand, ein Wortgefecht darüber, was bestellt wurde und was nicht. Laut Polizeipräsidium Aachen sei die Frau zwar sehr erbost, aber nicht bedrohlich gewesen.

Die verteilte Pizza stimmt mit der Bestellquittung und der Beschreibung in der Karte überein.

Da keine*r der beiden vom jeweiligen Standpunkt abwich, versuchte die Frau eine andere Lösungsstrategie: Sie griff "in den Karton und schleuderte dem Lieferanten die dampfende Pizza kurzerhand mitten ins Gesicht" – und verteilte sie in seinen Haaren, auf der Kleidung und auf dem Boden." Daraufhin verließ sie die Szenerie in unbekannte Richtung.

Der Pizzabote rief die Polizei und erstattete Anzeige. Ein Beamter und eine Beamtin nahmen den Vorfall vor Ort auf und hielten im Protokoll fest, dass die "verteilte Pizza mit der Bestellquittung und der Beschreibung in der Karte übereinstimmt". Die Pizza blieb auf dem Boden vor dem Haus liegen und wurde später von der Stadtreinigung entsorgt. Der Bote trug zwar keine Verletzungen oder Schmerzen davon, doch der Frau wurde eine Vorladung wegen Körperverletzung geschickt. Der Vorfall reichte nämlich dafür, dass der Pizzabote sich ekelte und körperlich unwohl fühlte. Die Täterin muss sich nun schriftlich zum Fall äußern.

Der mit fremder Post liebäugelte

Es ist schön, wenn jemand seine*ihre Leidenschaft zum Beruf macht. Im Falle eines Briefträgers aus Stuttgart führte diese Leidenschaft allerdings zu weit. Ende April entdeckten seine Kolleg*innen im Spind seiner Arbeitsstelle etwas, das sie misstrauisch werden ließ: hunderte ungeöffnete Briefe. Sie alle waren aus dem vergangenen Jahr und hatten ihre*n rechtlichen Empfänger*in offensichtlich niemals erreicht. Die Mitarbeiter*innen riefen die Polizei.

Groß, klein, dick, dünn: Alles war dabei.

Diese warf einen Blick in die Wohnung des Postboten. Bei der Durchsuchung entdeckten sie eine ähnliche Szene: wieder hunderte alte Briefe, wieder ungeöffnet. "Groß, klein, dick, dünn: Alles war dabei", sagte eine Polizeisprecherin. Sie beschlagnahmten die Briefe und nahmen den 56-Jährigen vorläufig fest. Die Ermittlungen dauern weiter an. Noch ist unklar, warum der Briefträger die fremde Post unterschlagen hat – und auch, warum er sie geschlossen ließ.

Fest steht hingegen, dass der Mann gegen das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis verstoßen hat. Er wurde nach den polizeilichen Maßnahmen nach Hause entlassen und muss nun auf das Strafmaß der Staatsanwaltschaft warten. Die Briefe sind noch bei der Staatsanwaltschaft und werden nach deren Freigabe an die Empfänger*innen verteilt, auch wenn der Inhalt wohl längst veraltet ist. "Es ist davon auszugehen, dass der Mann seinen Job verloren hat", sagt eine Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart zu ze.tt. Das sei allerdings nur eine Vermutung und nicht bestätigt. Seitdem der Fall an die Öffentlichkeit gelangte, würden immer wieder Leute bei der Polizei in Stuttgart anrufen und nach ihrer vermissten Post fragen.

Die auf Rutschautos flüchteten

Es war gegen 20 Uhr: Eine 36-jährige Frau machte in Betzdorf in Rheinland-Pfalz einen Abendspaziergang als sie etwas Seltsames beobachtete. Vier Jugendliche fuhren auf Rutschautos, sogenannten Bobbycars, vom Schulhof der Martin-Luther-Grundschule auf die Straße. Die Frau wurde misstrauisch. Zum einen sind Bobbycars für Babys zwischen ein und drei Jahren gedacht, die Frau schätzte die Jugendlichen hingegen auf etwa 16 Jahre. Die Fortbewegung der drei Jungen und des Mädchens sah entsprechend unpassend aus.

Also sprach die Frau die Jugendlichen an. Die sprangen daraufhin von ihren roten und blauen Miniautos und rannten zu Fuß davon. Nachdem die 36-Jährige die Polizei verständigt und diese den Sachverhalt aufgenommen hatte, machten sich die zwei Beamt*innen auf die Suche nach den Flüchtigen – erfolglos.

Bei den Bobby Cars handelte es sich nicht um Spielzeuge, die dem Alter der Jugendlichen entsprachen.
Pressesprecher Polizeipräsidium Koblenz zu ze.tt

Dabei stellten die beiden Polizist*innen jedoch fest, dass das rote Gartenhäuschen eines Kindergartens aufgebrochen worden war, in dem sich für gewöhnlich Spielgeräte für Kinder befinden – unter anderem Dreiräder, Schubkarren, diverse Spielzeuge für den Sandkasten, und eben Rutschautos. Alles deutete darauf hin, dass die vier Jugendlichen die Tür mit einem Werkzeug aufgehebelt und auf den Spielzeugautos zu flüchten versucht hatten.

Was genau geschehen ist, ist allerdings bis heute nicht vollends geklärt. Die Jugendlichen sind der Polizei nach wie vor nicht bekannt, die Beamt*innen bitten um Hinweise. Die Polizei stuft die Tat als "besonders schweren Fall des Diebstahls ein". Die Bobbycars wurden mittlerweile an den Hausmeister der Kita übergeben.