Es gibt genug Gewalt in der realen Welt, nicht alle Gamer wollen zu Hause noch mehr Geballer hören. Und auch manche Spieleentwickler*innen haben genug von Gewalt und testen seit ein paar Jahren, wie Spielen sinnlich geht.

Bei Planet Licker, zum Beispiel, wird mit Zunge gespielt. Um die Spielfigur auf den nächstgelegenen gleichfarbigen Planeten zu bringen, muss der*die Spieler*in Knöpfe aus Wassereis auf dem Controller ablecken. Jeder Zungenschlag bringt das Ziel näher – und schmeckt nach Orange, Kaffe oder Blaubeere. Die Controller werden dafür eigens vor jedem Spiel vorbereitet – und werden daher wahrscheinlich vorerst nicht im Handel erhältlich sein. Bisher konnte das Spiel nur auf der Game Developers Conference in San Francisco ausprobiert werden.

Auch wenn die Zungenbewegungen subtil an Oralsex erinnern, soll das Spiel laut Entwickler nichts mit Sex zu tun haben. Anders ist es bei Luxuria Superbia (erhältlich im App Store und Google Play) bei dem Spieler*innen durch Streicheln und Berühren das Spiel zum Höhepunkt bringen.

Im Spiel schwebt man durch einen bunten Tunnel, der in ein Loch mündet. An den Tunnelwänden hängen Knospen und Blüten, die der*die Spieler*in bewegen kann. Das Spiel honoriert die richtigen Bewegungen und Rhythmen mit Sätzen wie "Keep doing that" oder "Take all of me". Die psychedelischen Farben und Musik werden dabei intensiver – bis zum Höhepunkt, der den Bildschirm für einen Moment in helles Weiß hüllt.

Wozu das digitale Lustspiel?

Sinnlichkeit über Spiele zu vermitteln, ist nicht leicht – und doch versuchen sich vor allem Indie-Game-Entwickler*innen an der sinnlichen Erfahrung. Warum? "Traditionell inszenieren Videospiele eher Konflikte und animieren dazu, Gewalt als Lösung anzuwenden", sagt Game Designerin und Spielejournalistin Nina Kiel zu ze.tt. Doch manche Entwickler*innen "haben einfach keine Lust mehr auf Gewalt. Sie zeigen den Körper deshalb nicht als potenzielle Waffe, sondern als Werkzeug, um Freude und Lust zu wecken."

Doch weil Controller und Tastaturen kalt und mechanisch bleiben, müssen sich Entwickler*innen größte Mühe geben, die Lust der Spielenden anzukurbeln. "Erfahrungsgemäß können Spiele vor allem dann sinnlich werden, wenn sie dazu dienen, die Fantasie zu stimulieren, also lediglich Anregungen bieten für etwas, das sich später ganz woanders abspielt", sagt Kiel.

Das zeigt sich auch bei Luxuria Superbia, das komplett ohne pornografische Motive oder plumpe sexuelle Darstellungen auskommt. Sinnlichkeit entsteht also im Kopf der Spielenden. Dass bei Planet Licker geleckt werden muss, ist auch nicht unbedingt notwendig, aber es beschert den Spielenden eine sinnliche, orale Erfahrung, die andere Spiele nicht bieten können.

Auch wenn Deeskalation, Gewaltlosigkeit, Zärtlichkeit – und leckere Eisförmchen – eine nette Abwechslung sind, bleiben solche sinnliche Spiele bisher die Ausnahme. Das mag auch daran liegen, dass die "mathematische, mechanische Basis [von Computerspielen, A.d.R.], das Gegenteil dessen darstellt, was für Sinnlichkeit notwendig ist", wie Kiel sagt. Ein Bildschirm ersetzt eben doch keinen menschlichen Körper.