"VERDAMMTE AXT!!" Das ist mein Standardausdruck, wenn ich zu motzen anfange. Selbstverständlich ist da immer noch Luft nach unten. Aber wen schert’s? Im Homeoffice kann ich den Computer und alle Welt nach Herzenslust beschimpfen und anbrüllen, bis mir die Halsschlagader platzt – mit Ausnahme der Nachbar*innen hört es keine Sau. In einem professionellen Arbeitsumfeld mit richtigen Menschen sieht das allerdings etwas anders aus. Da sind professionelle Rücksicht und Contenance gefragt. Oder?

Motzen oder Fluchen auf der Arbeit ist kein sofortiger Weltuntergang. Untersuchungen zufolge erhöht es angeblich sogar die Glaubwürdigkeit. "Laut verschiedener britischer und amerikanischer Studien soll Fluchen den Teamgeist fördern, Schmerzen beseitigen und bei der Karriere helfen, weil man authentischer wirkt", sagt die Karriereberaterin Petra Barsch. Doch sie schränkt ein: "Es kommt dabei auf die Dosierung, auf die Wortwahl und den Kontext an."

Hör mal, wer da schimpft

Einer US-Umfrage zufolge fluchen 57 Prozent der 1.542 befragten Angestellten im Job, ein Viertel lässt sogar jeden Tag Schimpfwörter ab. Besonders Millennials motzen demnach gern. Zwei Drittel haben angegeben, im Job auch mal zünftig zu fluchen – mehr als die älteren Generationen. Im Schnitt hören Angestellte etwa elf Pöbeleien pro Tag – das jedenfalls hat eine britische Umfrage ergeben.

Der Drang, sich mit Kraftausdrücken Luft zu machen, ist mit dem Stresslevel und dem allgemeinen Befinden verknüpft und findet in allen Hierarchien statt. Nach der Wirtschaftskrise 2009 zum Beispiel stieg die Benutzung von Schimpfwörtern unter CEOs laut Bloomberg erheblich an. Eigentlich kaum überraschend.

Motzen, Fluchen, Pöbeln

Es gibt allerdings durchaus Unterschiede in der Art des Fluchens. "Soziales Fluchen symbolisiert Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe", sagt Petra Barsch. Das kann tatsächlich den Teamzusammenhalt stärken. Zum Beispiel, weil der*diejenige Gefühle zeigt, wodurch Solidarität unter Kolleg*innen wächst. Oder wie die Karriereberaterin erklärt: "Ein gemeinsamer ‚Feind‘ kann für eine gewisse Zeit zu solidarischen Flüchen führen und kurzzeitig Stress oder Ärger abbauen."

Anders ist das genervte Motzen. "Das ist eher der Ärger, wenn etwas nicht so klappt, wie man es sich vorstellt", sagt Barsch. Derartige Tiraden treffen nicht selten den Drucker beziehungsweise andere unanimierte, unkooperative Objekte oder folgen auf lästige Mails – vor allem bei hoher Arbeitsbelastung, wenn die mentalen und sonstigen Ressourcen ohnehin am Limit sind. Wenn das dauerhaft vorkommt, kann es ein Alarmzeichen für Überforderung sein.

Und dann gibt es da noch wütendes Fluchen, das eher an die Substanz geht. "Es ist oft zerstörerischer und man wird als Choleriker oder schwieriger Menschen abgestempelt", sagt die Karriereberaterin. Diese Art zu motzen kann auch mal persönlich werden und unangenehme, nachhaltige Folgen haben. Kurz: nicht machen.

Konsequenzen und Grenzen

Keine Frage: Motzen und fluchen gehören zu normalen menschlichen Reaktionen und Regungen und davon kann und sollte sich niemand im Job vollkommen frei machen. "In Maßen kann es dabei unterstützen, mal Dampf abzulassen, seine Gefühle damit wieder in den Griff zu bekommen", sagt Karriereberaterin Barsch.

Aber regelmäßig komplett zu eskalieren und permanent Schimpfwörter aufs Umfeld einprasseln zu lassen, um sich selbst Erleichterung zu verschaffen, ist keine Lösung und wirkt sich irgendwann auch massiv auf die Mitmenschen aus, wie Petra Barsch meint: "Es sollte kein Dauerzustand werden, denn Fluchen bringt vor allem negative Gefühle zum Ausdruck. Und wer will schon ständig negative Menschen um sich haben?"

Es ist eben wichtig, eine gewisse Grundbeherrschtheit mitzubringen und unterscheiden zu können, wann mal der*die innere Matros*in zum Motzen rauskommen darf – und wann gepflegt die Klappe halten angesagt ist. "Grenzen sind definitiv gegenüber Kunden und Vorgesetzten", sagt Petra Barsch. Und alles, was persönlich, beleidigend und diskriminierend ist, ist selbstverständlich eh tabu. Das gilt nicht nur im Job, sondern immer. Klar soweit?

Unbezähmbarer Fluchdruck – und jetzt?

Was aber tun, wenn der Drang zum Motzen und Fluchen im Job so enorm ist, dass die Kaskade an Unflätigkeiten sich kaum mehr zurückhalten lässt? "In Gedanken fluchen oder rausgehen und in einer stillen Ecke motzen", rät die Karriereexpertin. "Eventuell geht es auch, den Fluch rauszulassen und sich im Nachgang zu entschuldigen. Das geht aber nur, wenn es nicht 60 Mal am Tag vorkommt."

Zudem empfiehlt es sich laut Petra Barsch, wenigstens in der Wortwahl etwas verhaltener zu sein und schwächere Varianten rauszuhauen. Zum Beispiel "Mist", "zur Hölle", "so ein Käse". "Oder durchatmen, schweigen und sich die möglichen Konsequenzen vergegenwärtigen – dann erledigt sich mancher Fluch von selbst", sagt Barsch.

Außerdem sollte sich ein Mensch, dem im Job permanent Motztiraden aus dem Kopf und Herzen wollen, mal genau anschauen, was die Ursache dafür ist. Zu viel Druck, Stress, Überforderung, keine vernünftigen Coping-Mechanismen? Das gilt es mittelfristig anzugehen.

Gewusst, wann und wie

Also, ab und zu mal motzen ist durchaus akzeptabel. Acht Stunden am Tag den*die Seefahrer*in zu geben hingegen nicht. "Verfluchter Mist" geht eher als zum Beispiel "[hier zensurfähige Kraftausdrücke einfügen]". Niemals persönlich werden, nie diskriminieren. Den Kopierer beschimpfen geht klar, den*die Kolleg*in, Kund*in oder Vorgesetzte*n direkt anzupflaumen, nicht. Eigentlich logisch, oder?

Fast allen Menschen reißt irgendwann mal die Hutschnur. Sich selbst anschließend dafür zu geißeln, macht es nicht ungeschehen. Deshalb: Gewusst, wann und wie – und dann darf jede*r im Job auch mal kräftig motzen, verdammte Axt!