Dinge, die Paare tun: Den Sonntagabend miteinander verbringen, zusammen in den Urlaub fahren, möglicherweise irgendwann heiraten und, ganz wichtig, immer schön Silvester zusammen feiern. Im Leben wie in Beziehungen gibt es gewisse soziale Regeln, die fast jeder einhält, ohne sich zu fragen, warum eigentlich. Manches davon erscheint ja durchaus sinnvoll. Ich liebe meinen Freund, deshalb ist es nur logisch, dass ich gern mit ihm in den Urlaub fahre, wo wir viel Zeit zu zweit verbringen können. Und wenn man Heiraten mal auf das herunterbricht, was es ist – ein Versprechen – ist auch diese Station in einer Beziehung einleuchtend. Den ganzen Hype um Silvester habe ich dagegen noch nie verstanden.

In den drei Jahren, die mein Freund und ich zusammen sind, haben wir tatsächlich nur ein einziges Mal den Jahreswechsel zusammen gefeiert. Das hat sich einfach nie so richtig ergeben, und es hat uns auch nichts ausgemacht. Die meisten unserer Bekannten heben darüber kritisch die Augenbrauen, als würden sie sagen wollen: Seid ihr sicher, dass ihr überhaupt zusammen sein wollt?

Hohle Rituale bringen der Beziehung nichts

Wer als Paar nicht gemeinsam ins neue Jahr feiert, muss sich ganz schön viel rechtfertigen. Nicht nur vor anderen, auch vor sich selbst. So geht es mir zumindest. All die kritischen Reaktionen, die ich auf meine Feierpläne bekomme, verunsichern mich. Wenn man bei Google die Suchanfrage "getrennt Silvester feiern" eingibt, landet man in zahlreichen Threads verzweifelter Frauen und Männer, die darüber diskutieren, wie es wohl um ihre Beziehungen steht. Ein bisschen kann ich diese Sorgen ja auch verstehen. Silvester will man in der Regel mit Menschen feiern, die einem das ganze Jahr über nahe stehen. Wenn da die erste Wahl nicht auf den*die Freund*in fällt, mag das erst mal einen komischen Eindruck machen. Aber alles wegen eines einzigen Tages, den man nicht zusammen verbringen will, infragestellen? Das sollte man dennoch nicht.

"Grundsätzlich sind Rituale natürlich enorm wichtig für eine Beziehung", sagt Paartherapeutin Nina Zucker aus Hamburg. "Das müssen aber nicht Rituale sein, die offiziell als Ritual anerkannt sind. Rituale entstehen in jeder Beziehung, ohne dass man sie bewusst als solche wahrnimmt. Das können auch solche Dinge sein, wie sich mittags eine Nachricht zu schreiben, sich abends Geschichten vorzulesen oder den Sonntagabend ganz simpel zusammen auf der Couch zu verbringen."

Jedes Paar macht sich seine Rituale also gewissermaßen selbst. Insofern müssen wir uns gar nicht den äußeren Erwartungen unterwerfen und welche feiern, die für uns persönlich möglicherweise keine Bedeutung haben "Ein hohles Ritual zu feiern, das für mich selbst keinerlei Bedeutung hat, tut der Beziehung nichts Gutes", sagt Therapeutin Nina Zucker.

Einseitige Silvesterliebe? Kompromiss finden!

Schwierig wird es nur dann, wenn in einer Beziehung die Meinungen über Feste wie Silvester stark auseinandergehen. Wenn mir das Ganze sehr wichtig ist, mein Freund sich dagegen am liebsten in Norwegen verkriechen und gegen Böllerei abschirmen will, müssen wir versuchen, einen Kompromiss zu finden. "Man hat diese Art leider auch ‚mitgekauft‘ und es nützt nichts, dem Partner die eigenen Ideale aufzudrücken", sagt Frau Zucker. Silvester soll schließlich für keinen von beiden eine Zwangsveranstaltung sein. "In so einem Fall könnte man zum Beispiel verabreden, um Mitternacht zu telefonieren und man feiert dann an einem anderen Tag die Beziehung, zum Beispiel am Jahrestag."

Ansonsten gilt: gelassen bleiben

Und wie soll man mit den Reaktionen der anderen umgehen? Da empfiehlt die Paartherapeutin Zucker yogische Gleichgültigkeit: Die Meinung der anderen sollte uns egal sein. "Menschen übernehmen oft ‚Wahrheiten‘, ohne sie zu hinterfragen. Solche Weisheiten wie ‚Als Paar muss man das und das tun' und ‚Wenn die nicht zusammen Silvester feiern, will ich gar nicht wissen, wie das in der Beziehung aussieht‘." Dabei kann da jedes Pärchen seine ganz eigenen Auslegungen haben.

Je mehr ein Paar dahintersteht, dass Silvester nicht dieselbe Bedeutung hat, die es vielleicht für andere Paare hat, desto weniger wird diese Entscheidung auch auf Gegenwind stoßen. Wer sich, die persönlichen Rituale und individuellen Glaubenssätzen akzeptiert, wirkt immer noch am überzeugendsten – und wird in der Beziehung den meisten Spaß haben. Nicht nur an Silvester, sondern auch an allen anderen Tagen.