Laut des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln besitzen 97 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland ein Smartphone. Fast alle benutzen es täglich und dann vor allem, um digital zu kommunizieren. Auf den unzähligen Social-Media-Plattformen tippen und verschicken sie in Hochgeschwindigkeit ihre Nachrichten und Emojis. Nicht selten machen Kinder noch vor ihrer Einschulung ihre ersten Erfahrungen mit Schrift über eine virtuelle Tastatur. "Dieser Zugang ist viel einfacher, weil er auch ohne eine ausgeprägte Feinmotorik funktioniert", sagt Bildungsforscher und Direktor des Mercator-Instituts Michael Becker-Mrotzek. Das wirft die Frage auf: Ist das Erlernen der Handschrift überhaupt noch notwendig?

Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Einerseits würde das Schreiben mit der Hand zu besseren Gedächtnisleistungen führen und sich positiv auf die Entwicklung feinmotorischer und kognitiver Fähigkeiten auswirken. Andererseits können schwache Handschreiber*innen auch vom Schreiben auf einer Tastatur profitieren. Untersuchungen zeigten, dass Programme zur Textverarbeitung Kindern helfen, längere, sprachlich richtige und inhaltlich sinnvollere Texte zu verfassen. Trotzdem: "Auf Grundlage der bisherigen Forschungsergebnisse ergibt es keinen Sinn, das Handschreiben und Tastaturschreiben gegeneinander auszuspielen. Anstatt die Entweder-oder-Frage zu stellen, sollten Lehrkräfte besser beide Techniken fördern und fordern", sagt Michael Becker-Mrotzek. Mitarbeiter*innen des Instituts erarbeiteten daher einen Faktencheck (Pdf), in dem sie wissenschaftlich fundierte Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Vergleich der Handschrift mit dem Tastaturschreiben oder dem Schreiben mit digitalen Geräten beantworten.

Wir haben die ze.tt-Community anonym gefragt, was sie zu diesem Thema zu sagen hat.

Hier sind eure Antworten:

"Sehr wichtig. Natürlich wird die Welt immer digitaler und das hat auch sehr viele Vorteile. Dennoch sollte man sich nicht allein darauf verlassen. Was ist denn, wenn der Laptop, das Smartphone usw. gerade nicht funktioniert und ich mir aber Notizen machen muss? Es gibt ja durchaus technische Möglichkeiten, um die Handschrift zu erhalten (z.B. mit extra Stiften auf dem Tablet schreiben)."

"Ja! Es geht um Feinmotorik und die Fähigkeit selbst (ohne Hilfsmittel) schreiben zu können."

"Im Grunde genommen ist es für das Schreiben an sich, das zunehmend und bald vielleicht ausschließlich als Tippen auf einem Smartphone, Tablet oder Computer vollzogen wird, nicht zwingend notwendig, eine leserliche Handschrift zu entwickeln. Aber es geht dabei letztlich um mehr: Das Erlernen des Schreibens mit der Hand auf Papier erfordert eine hoch entwickelte Feinmotorik. Dies hat wiederum einen starken (positiven) Einfluss auf die gesamte kognitive Entwicklung. Das klassische Schriftspracherwerb bewirkt also mehr als nur das leserliche Schreiben auf Papier. Und noch eins: Handschriftliche Notizen unterstützen unser Gedächtnis am besten. Viel besser als getippte oder gesprochene Erinnerungen. Und wenn man dann doch einmal etwas vergessen hat, wäre es gut, wenn man seine eigene Schrift lesen kann."

"Ironisch, diese Worte zu tippen, aber: Für mich gehört meine Handschrift zu meiner Identität. Gedichte? Schreibe ich erstmal per Hand. Tagebuch? Führe ich per Hand. Liebesbriefe? Wenn ich welche schreiben würde, dann per Hand. Meine Handschrift war (für mein Empfinden) irgendwann einfach da, sieht seit Jahren beständig gleich aus, ich erkenne sie wieder – und mir Nahestehende auch. Außerdem: Manchmal fällt der Strom aus. Der Akku des Smartphones ist leer. Oder der Drucker ist kaputt. Wer dann nicht per Hand schreiben kann, es aber müsste, hat ein klitzekleines Problem."

"Nein, ist es nicht. Zum einen gibt es Druckbuchstaben, zum anderen läuft ja tatsächlich alles Digital ab. Stelle bei mir selbst eine Verschlechterung meines Schriftbildes fest. Was schreibe ich schon noch mit der Hand? Den Einkaufszettel. Und das Schreiben ist mein Beruf."

"Ich denke eine leserliche Handschrift einzuüben, ist immer noch sehr wichtig. Egal, wie sehr die Digitalisierung voranschreitet, das Schreiben per Hand ist eine wichtige Fähigkeit. Natürlich geht es hier nicht um Kalligraphie, sondern lediglich um die simple Sache, sich Notizen auf Papier zu machen."

"Als Grundschullehrerin sage ich: super wichtig. Das Schreiben unterstützt Motorik und Aufbau von neuronalen Verbindungen im Gehirn. Außerdem wird per Hand Geschriebenes besser verstanden und verarbeitet als Getipptes."

"Schon mal einen kessen Spruch auf eine Toilettenwand getippt? Ne, geht nicht."

"Meine Handschrift wurde erst richtig lesbar, als ich in der sechsten Klasse war. Nachdem wir keine Schreibschrift mehr anwenden mussten. Manche Kinder haben halt keine wirklich gute Kondition, bei vielen kommt das erst, wenn sie etwas älter werden. Heißt nicht, dass das schlimm ist. Meine Stiefoma hat auch häufig mit der Schreibmaschine geschrieben und ihre Handschrift ist nur kaum lesbar, weil sie auf einer französischen Schule war."

"Natürlich brauchen sie das nicht. Ich frage mich nur, was sie dann bei Stromausfall machen oder wenn sie irgendwo eine Notiz machen wollen, und ob sie auch den Einkaufszettel später digital schreiben."

"Lernen findet nach wissenschaftlichen Erkenntnissen am besten über mehrere Sinneskanäle statt und auch über Motorik. Wenn ich mir Dinge aufschreibe, dann behalte ich mehr davon im Gedächtnis, als wenn ich in meinem eBook eine Markierung setze. Wenn man sich bemüht, leserlich und 'schön' zu schreiben, verlangsamt sich der Prozess und auch das hilft, es besser abzuspeichern. Ob in Druckbuchstaben oder Schreibschrift ist egal. Also ich finde es hilfreich, wenn darauf geachtet wird. Ist halt Blödsinn mit Druckbuchstaben zu beginnen und dann in Klasse 3 noch mal zu versuchen, eine Schreibschrift einzuführen."

"Meines Erachtens nach ist die Handschrift sehr wichtig für den allgemeinen Lernprozess — das Gedächtnis liegt unter anderem in der Motorik! Zu meiner Zeit wurden die einzelnen Buchstaben zum Beispiel mittels der Arme in die Luft geschrieben. Gegen die Papierverschwendung in der Grundschule (1. Schuljahr) gab es damals die Schiefertäfelchen — abwischbar! Im Kontext der Umweltdebatten ist es hilfreich, sich diese Möglichkeit wieder vor Augen zu führen."

"Meine Grundschullehrerin sagte einst: Worte, die ihr schreibt, bleiben eher und fester in eurem Kopf hängen als die, die ihr lest. Und noch heute schreibe ich Texte für Vorträge mit der Hand vor. Meine Handschrift an sich war nie schön, aber lesbar."