Stell dir vor, Tausende würden sich treffen, um gleichzeitig einen Fluss runterzuschippern. Stell dir vor, sie würden dafür verrückte Flöße basteln, ihre Schlauchboote mit Schnüren zusammenknoten, sich mit Eimern, Spritzpistolen und Bier bewaffnen. Und stell dir vor, Zehntausende würden ihnen dabei zuschauen und sie anfeuern.

Klingt, als könnte das eine fette Party werden?

Die Leute in Ulm machen das. Einmal im Jahr. Und es ist jedes Mal eine fette Party.

Die Ulmer*innen lieben nur eine Sache mehr als ihre Stadt: ihre Donau. Sie fließt mitten durch die Stadt, das Ufer ist ein beliebter Treffpunkt zum Grillen, Spazieren, Runterkommen. Der Fluss hat beinahe schon therapeutische Wirkung, fließt ungestört vor sich hin.

Aber immer am vorletzten Montag im Juli ab 16 Uhr ändert sich das – dann nämlich fällt der Startschuss für das "Nabada", was schwäbisch für "Hinunterbaden" ist. Steht man als Zuschauer auf einer der Brücken, sieht man vor lauter Menschen teilweise kaum noch das Wasser.

Es ist der Höhepunkt des Schwörmontags. Das Stadtfest ist gleichzeitig ein traditioneller Feiertag für die Ulmer*innen und in dieser Größe das einzige Stadtfest in Deutschland, das an einem Montag stattfindet.

Der Tag wird deshalb so genannt, weil der Oberbürgermeister der Stadt nach seiner Rede schwört, "den Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein". Er bezieht sich dabei auf den Schwörbrief aus dem Jahr 1397.

Menschen in der ganzen Region machen früher Feierabend, Einzelhandelsgeschäfte schließen um die Mittagszeit; damit diejenigen, die am "Nabada" teilnehmen wollen, auch genügend Zeit haben, sich auf die Sause vorzubereiten.

Viele der "wilden Nabader", wie die Teilnehmer*innen genannt werden, steigen einige Kilometer außerhalb von Ulm in ihre Boote – die Illerbrücke wurde zu einem inoffiziellen Treffpunkt.

Wieso die Teilnehmer*innen auf ihren Flößen und Booten "wild" genannt werden?

Die Tradition des "Nabada" gibt es schon seit 1927. Damals fand es offiziell zum ersten Mal statt – deklariert war es aber eher als karnevalistischer Umzug auf dem Wasser. So bauten Vereine oder Institutionen Themenboote mit oftmals satirischen Aussagen, dem Kölner Karneval gar nicht so unähnlich.

Auch wenn die 14 Themenboote heute für viele Zuschauer*innen die Hauptattraktion sind – seit den 60er Jahren ist es den Bürger*innen erlaubt, auch selbst beim Umzug mitzumachen. Und über die vergangenen Jahrzehnte wurden es immer mehr, die sich das nicht zweimal sagen lassen.

Musikuntermalung für die Feierwütigen gibt's auch – ganz klassisch schwäbisch: Blasmusik.

Natürlich gibt es beim "Nabada" auch einige Spielregeln. – nur, wie das mit Regeln so ist, halten sich nicht alle daran. Auch wenn Teilnehmer*innen, die kein Bierchen trinken, eine Seltenheit sind, ist zum Beispiel Alkohol auf dem Wasser verboten.

Die Banner mit der Aufschrift "Kein Wasser in die Zuschauer!", die auf den Brücken angebracht sind, werden ebenfalls gekonnt ignoriert. So landen sicher hunderte Eimer Wasser auf den Zuschauer*innen. Die meisten nehmen das aber gelassen – oder besser: spritzen zurück.

Wenn die "Nabader" nach etwa sieben Kilometern und zwei Stunden auf der Donau wieder aussteigen, ist die Party noch nicht vorbei. Überall in der Stadt stehen Bühnen, es gibt Live-Musik oder DJs – sämtliche Kneipen und Bars schenken ihre Getränke draußen aus.

Auch wenn der Kater nach der Feierei am Schwörmontag oft groß ist: Für die Ulmer*innen ist die Vorfreude auf das kommende Jahr in jedem Fall größer.

Dieser Montag ist übrigens nur der Abschluss einer einwöchigen Feier, der "Schwörwoche". Am Samstag davor genießen die Ulmer*innen die "Lichterserenade", bei der nach Einbruch der Dunkelheit tausende kleine Kerzen in die Donau gelassen werden – hier sollen schon große Lieben entstanden sein.

Falls du das wunderschöne Ulm also noch nie besucht hast: Jetzt hast du einen Grund dazu. Eine bessere Bootstour kannst du nicht machen, versprochen.

Im kommenden Jahr beginnt die Schwörwoche am 17. Juli, der Schwörmontag und das "Nabada" sind am 24. Juli.