Die 91-jährige Französin hat an der Université Franche Comté im ostfranzösischen Besançon endlich ihren Doktortitel in Geographie erhalten. Das dauert in Frankreich in der Regel etwa drei Jahre, maximal fünf. Bei der Rentnerin waren es 30.

Colette Bourlier, die 1925 in Lyon geboren wurde, war von den Fünfzigern bis zu ihrer Pensionierung 1983 Lehrerin für Geschichte und Erdkunde. Danach beschloss sie, ihren Doktor zu machen. "Es hat ein wenig gedauert, weil ich zwischendurch Pausen gemacht habe", erklärte sie gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Dabei muss jedoch betont werden, dass sie den Großteil der 400 Seiten Thesis per Hand verfasst hat.

Ihre Dissertation handelt von Gastarbeitern in Besançon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Denen hat Colette Bourlier über 20 Jahre lang freiwillig Lesen und Schreiben beigebracht. Dies Kurse waren zunächst für Männer ausgelegt, doch waren es vor allem Migrantinnen aus Algerien, Italien und Portugal, die in den Siebzigern nach Besançon kamen.

"Sie wollten lernen und ich war eben da", erzählt Frau Doktor Bourlier dem französischen "L'Est Republicain". Sie treffe sich immer noch mit einigen von ihnen. "Wir trinken Tee oder essen zusammen, wie Sie wissen sind die Menschen aus dem Maghreb sehr gastfreundlich." Damit ist ihr Doktorthema selbst nach 30 Jahren nach wie vor aktuell.

Die Arbeit sei sehr gut geschrieben, erklärt Doktorvater Jacques Fontaine gegenüber der Seite "Le Point". Das sei heute selten, so der mittlerweile pensionierte Geographie-Professor. Die Seniorin sei eine "extrem atypische Studentin" gewesen, berichtet ihr zweiter Doktorvater Serge Ormaux über Colette Bourlier. Doch wegen ihrer eigenen Erfahrung und der detaillierten statistischen Analyse, sei sie wahrscheinlich auch die einzige Person, die sich so gut mit allen Aspekten des Themas auskennt und diese zu verknüpfen weiß.

Colette Bourlier sagte der AFP schlicht, sie habe ihr Bestes gegeben: "Ich glaube die Jury war zufrieden." Die Juroren zeigten sich tatsächlich beeindruckt. Zwei Stunden prüften sie die inzwischen fast taube Rentnerin, die sich extra nahe an die Prüfer setzen musste, um die Fragen zu verstehen. Am Ende bestand sie mit Auszeichnung. Selbst der Bürgermeister kam, um die 91-jährige Studentin bei ihrer letzten Prüfung zu unterstützen.

Für die 91-Jährige war es ein Vergnügen, ihren Doktor an der Uni abzuschließen, die sie vor über 70 Jahren das erste Mal besucht hat. Doch jetzt habe sie eigentlich genug, wie sie dem "L'Est Republicain" versichert. Man habe sie jedoch gefragt an einer Zeitschrift mitzuwirken. "Ich glaube, da sage ich Ja."

Auch eine deutsche Studentin hatte im vergangenen Juni erst im hohen Alter ihre Doktorwürde erhalten. Der inzwischen 103-jährigen Ingeborg Rapoport war es unter den Nazis verwehrt geblieben, ihre Dissertation über Diphtherie zu verteidigen. Die Tochter einer jüdischen Pianisten hatte ihr Medizinstudium 1937 beendet und musste danach 80 Jahre lang auf ihr Examen warten.